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  • Wirtschaft & Menschenrechte
  • 04/2023
  • Ulrich Post

Großer Nachholbedarf bei sozialer Sicherung

Trotz der prominenten Stellung von sozialem Schutz in der Menschenrechtserklärung und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sieht die Wirklichkeit weltweit bedrückend aus

Soziale Sicherheit – also die finanzielle Absicherung gegen Risiken wie z.B. Krankheiten, Unfälle, Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit – ist ein Menschenrecht. „Jeder“, so heißt es in Art.22 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, „hat als Mitglied der Gesellschaft das Recht auf soziale Sicherheit“. Soziale Absicherung schützt Menschen nicht nur vor finanziellen Notlagen, sondern bildet auch eine gute Grundlage, um Armut aus eigener Kraft zu überwinden.

Auch in der Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung ist soziale Sicherheit gleich mehrfach verankert. Im ersten Nachhaltigkeitsziel (Keine Armut) heißt es ausdrücklich, die Regierungen sollten „den nationalen Gegebenheiten entsprechende Sozialschutzsysteme und -maßnahmen für alle umsetzen, einschließlich eines Basisschutzes, und bis 2030 eine breite Versorgung der Armen und  Schwachen erreichen“. Es wurde ein eigenes Unterziel (1.3) für den universellen Zugang zu sozialen Sicherungssystemen für alle Menschen vereinbart. Auch andere Nachhaltigkeitsziele haben einen Bezug zur sozialen Sicherheit, etwa Ziel 3 (Gesundheit und Wohlergehen), Ziel 8 (menschenwürdige Arbeit) oder Ziel 10 (Verringerung von Ungleichheit).

Trotz der prominenten Stellung in der Menschenrechtserklärung und der Agenda 2030 sieht die Wirklichkeit der sozialen Sicherheit eher bedrückend aus: Laut Zahlen der ILO sind nicht einmal die Hälfte der Menschen durch mindestens eine Leistung sozial abgesichert. In Tansania sind es nur 14 Prozent, in Indien nicht einmal ein Viertel. Global erhalten weniger als 19 Prozent der Arbeitslosen Arbeitslosengeld, in Tansania nur 8.6 Prozent.

Während in Deutschland 87,4 Prozent der Frauen und Männer im arbeitsfähigen Alter in eine Rentenversicherung einzahlen, sind es in Tansania nur 4 Prozent und in Indien 31.5 Prozent. Auf globaler Ebene zahlen 39 Prozent der Männer und 26 Prozent der Frauen in dieser Altersgruppe in eine Rentenversicherung ein.

Dass der soziale Schutz global und in vielen Ländern so schlecht ist, hängt auch mit den fehlenden Investitionen in diesen Bereich zusammen – und der mangelnden Priorität, die viele Regierungen ihm einräumen. Weniger als 13 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts werden für soziale Sicherung aufgewendet, in Tansania nur 3,3 Prozent, in Indien 2,4 Prozent, in Deutschland 28.1 Prozent.

Ohne soziale Sicherung geraten Menschen schnell in Notlagen. Teure medizinische Behandlungen zum Beispiel können ganze Familien verarmen lassen und die Armut weiter vererben. Soziale Sicherungssysteme können nicht nur Armut vermeiden helfen, sondern auch dazu beitragen, Ungleichheit zu verringern und so den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verbessern.

Prträt: Ulrich Post, Leiter Team Grundsatzfragen.
Ulrich Post Mitglied im Redaktionsbeirat

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