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28.12.2023 | Blog

Jahresrückblick 2023: Erfolge und Herausforderungen in Krisenzeiten

Für das Jahr 2023 werden uns viele Krisen und Katastrophen in Erinnerung bleiben. Doch es gibt auch positive Entwicklungen, die wir gemeinsam mit den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, erreichen konnten. Welthungerhilfe-Generalsekretär Mathias Mogge berichtet.

Zwei Männer mit Schutzhelm arbeiten an einer Mauer und lächeln.
Studenten im Welthungerhilfe Skills Training Center in Uganda. Dort erlernen ugandische und geflüchtete Schüler*innen aus dem Südsudan und der Demokratischen Republik Kongo sechs Monate lang praktische Fertigkeiten. Sie schließen mit einem Zertifikat ab und erhalten im Anschluss ein zweimonatiges Praktikum in einem Unternehmen. © Stefanie Glinski/Welthungerhilfe

Das Jahr 2023 war für viele Menschen kein gutes Jahr. Die Bilder des verheerenden Erdbebens in der Türkei und in Syrien zu Beginn des Jahres sind uns allen sicher noch im Gedächtnis. Hinzu kamen schwere Überschwemmungen in Ostafrika und Libyen sowie schwere Erdbeben in Marokko, Afghanistan und Nepal.

Und das waren nur die Naturkatastrophen. Wir haben auch langanhaltende bewaffnete Konflikte erlebt, vor allem in der Sahelzone, in Äthiopien, im Sudan und zuletzt natürlich in Israel und Gaza. All das ist für die betroffenen Menschen kaum zu ertragen und führt auch in diesen Regionen zu immer mehr Hunger.

Nach den verheerenden Überflutungen brauchen Menschen in Kenia, Somalia und Äthiopien dringend Unterstützung.

Immer noch hungern über 735 Millionen Menschen. Dies hat unmittelbar auch mit den Auswirkungen des Klimawandels zu tun, wie etwa der schweren Dürre in Ostafrika, der jetzt Überschwemmungen folgten. Ähnliche Dürren haben wir in vielen Ländern gesehen, zum Beispiel auch im Süden Madagaskars und in Afghanistan. 

Tatsächlich gibt es kaum ein Land, in dem wir arbeiten, wo es in diesem Jahr nicht zu irgendeiner Art der Krise gekommen ist. Die Welthungerhilfe hat darauf reagiert – sowohl mit akuter Nothilfe als auch mit dem fließenden Übergang zur langfristigen Zusammenarbeit und dem Fokus auf neuen innovativen Strategien und Instrumenten.

Positive Entwicklungen unserer Arbeit in 2023

Es ist nicht leicht, angesichts all der Krisen zuversichtlich ins neue Jahr zu blicken. Was mich zuversichtlich stimmt, ist der Blick auf die Erfolge unserer Arbeit. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen und den Menschen, mit denen wir zusammenarbeiten, konnten wir in diesem Jahr viele positive Entwicklungen verzeichnen.

Kwebiiha Cypriano ist einer der 1.500 Absolvent*innen der "Green Colleges" in Uganda. Jetzt ist er Solarinstallateur und hofft, bald Großhändler für Solartechnik zu werden. © Welthungerhilfe

So haben wir das Programm Skill Up!, das besonders benachteiligten Jugendlichen, die oft aus schwierigen Verhältnissen kommen, eine Ausbildung ermöglicht, auf weitere Länder ausgeweitet, darunter Burundi, Mali und die Zentralafrikanische Republik. Dabei geht es nicht immer um komplette Berufsausbildungen, sondern auch um Trainings, mit denen sie auf dem Arbeitsmarkt etwas anfangen können – um letztlich selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen zu können.

Job-Chancen und ein besseres Leben für Auszubildende, Trainer*innen und ihre Familien.

Wir haben in den letzten fünf Jahren gemeinsam mit Partnern rund 25.000 Menschen ausgebildet, von denen heute 70 Prozent einen Arbeitsplatz haben. Das ist ein großer Erfolg. Deshalb bauen wir das Skill Up! weiter aus.

Im Programm Nutrition Smart CommUNITY analysieren wir zusammen mit Partnerorganisationen und den Gemeinden sehr genau die Ursachen von Hunger. Wir haben mit diesem Programm in Indien begonnen und es inzwischen auf Nepal, Bangladesch und mehrere afrikanische Länder wie Äthiopien, Malawi, Sierra Leone und Burundi ausgeweitet. Dabei schauen wir zuerst auf die Dorfebene: Was ist hier genau das Problem, warum die Menschen ihre Ernährung nicht sichern können? Das kann zum Beispiel sein, dass Frauen keinen Zugang zu Land haben. Es kann sein, dass es an Saatgut fehlt oder an Wasser für Mensch und Tier oder für die Bewässerung. Vielleicht fehlt es auch an Wissen, zum Beispiel wie man Mangelernährung frühzeitig erkennt.

Eine Gruppe Frauen in Nepal bei der Dorfplanung
Nutrition Smart Village in Nepal. © Opladen/Welthungerhilfe

Die Lösung findet sich lokal

Am Ende eines längeren Planungsprozesses steht ein klares Ziel: Hier soll niemand mehr hungern. Ein Erfolgsrezept der Nutrition Smart Communities: Lösungen und Ansätze müssen gemeinsam mit den Menschen vor Ort gesucht werden, ohne andere Ebenen im Land auszublenden.

Die jeweilige Regierungspolitik macht einen großen Unterschied, zum Beispiel bei der ländlichen Entwicklung, der Ernährung oder der Landwirtschaft. Auch das ist ein wichtiges Arbeitsfeld der Welthungerhilfe: Gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen arbeiten wir daran, die Politik so zu verändern, dass sie die Probleme armer und benachteiligter Menschen in den Blick nimmt und Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten angeht.

Ein Portrait von Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe.

Am Ende eines längeren Planungsprozesses steht ein klares Ziel: Hier soll niemand mehr hungern.

Mathias Mogge Generalsekretär der Welthungerhilfe
Handschlag von zwei Männern bei Verladung von Hilfsgütern in der Türkei
Vorbereitungen im Lager des Welthungerhilfe-Partners Asam, Türkei, März 2023. Helfer*innen laden Zelte und Non-Food-Items in Laster und bringen sie in die Gebiete, die am schlimmsten von den Erdbeben in der Türkei und Syrien betroffen sind. © Stefanie Glinski/Welthungerhilfe

Wir brauchen mehr Zusammenarbeit um die Krisen unserer Zeit zu bewältigen

Was uns große Sorgen macht, ist die angespannte Weltlage mit einer zunehmenden Polarisierung der Welt, mit einer wachsenden Zahl von Kriegen, Gewalt und einer wachsenden Zahl von autokratisch regierten Staaten. Wir brauchen mehr statt weniger internationale Zusammenarbeit, wenn wir die großen Herausforderungen der Klimakrise, der Umweltzerstörung, des Biodiversitätsverlustes oder auch der Hungerbekämpfung bewältigen wollen. Doch was wir in der UN-Generalversammlung, im Sicherheitsrat oder bei anderen großen Konferenzen erleben, ist leider oft genau das Gegenteil.

Das Klima verändert sich, und wir müssen lernen, damit zu leben.

Die Politik, aber auch die Zivilgesellschaft, muss immer wieder den Dialog suchen, Vertrauen schaffen und Konflikte frühzeitig erkennen und vermeiden. Ich war im Dezember bei der Klimakonferenz COP28 in Dubai – dort wurde wirklich hart um eine gemeinsame Erklärung und Vereinbarung gerungen, und am Ende ist ein Kompromiss herausgekommen, der vielleicht nicht optimal ist, aber immerhin zum ersten Mal ein Bekenntnis, dass fossile Energien keine Zukunft haben.

Erstmals haben 159 Staaten eine gemeinsame Erklärung zur Bedeutung von nachhaltiger Landwirtschaft, widerstandsfähigen Ernährungssystemen und Klimaschutz unterzeichnet. Das lässt hoffen, dass der klare Zusammenhang zwischen Hunger und Klimawandel anerkannt wird.

Herausforderungen für die Entwicklungszusammenarbeit nehmen zu 

Für die Entwicklungszusammenarbeit vor Ort ist die wachsende Zahl autokratischer Regime eine große Herausforderung. Viele solcher Regierungen haben die Tendenz, die Arbeit gerade von Nichtregierungsorganisationen wie der Welthungerhilfe einzuschränken.

In Ländern wie dem Sudan oder Afghanistan ist es für uns schwierig, überhaupt Geld ins Land zu bekommen. Überweisungen sind schwierig, und Frauen dürfen offiziell nicht arbeiten. Es gibt also viele Einschränkungen, die unsere Arbeit nicht einfacher machen.

Ein anderes Thema ist die Sicherheit unserer Kolleg*innen und unserer Partnerorganisationen. Wir arbeiten in Regionen wie der Sahelzone oder dem Sudan, in denen es immer wieder zu Übergriffen auf die Zivilbevölkerung kommt. Deshalb haben wir in den letzten Jahren unsere Sicherheitskonzepte immer weiter verfeinert mit dem Ziel, den Zugang zu den Menschen in diesen Gebieten weiter zu ermöglichen. Wir versuchen, auch in unsicheren Gebieten an der Seite der Menschen zu bleiben. Das war auch so, als die Taliban in Afghanistan die Macht übernommen haben: Wir bleiben dort und versuchen weiterhin, den Menschen zu helfen, die Hunger leiden, in großer Armut leben und ums Überleben kämpfen.

Frauen stehen in einem Fischteich
Sierra Leone: Frauen aus Falaba legen einen Fischteich an. Die Fische machen den Speiseplan vielfältiger und den Ernährungsplan gesünder. © Haensler/Welthungerhilfe

Wir möchten immer besser zu werden

Wir bei der Welthungerhilfe sind bestrebt, immer besser zu werden und unsere Zusammenarbeit mit den Menschen in aller Welt effektiver zu gestalten. Deshalb sind wir dabei, unsere bisherige Strategie zu erneuern. Wir fragen uns: Was wird wichtiger, was weniger wichtig? Nehmen wir zum Beispiel das Thema Klima. Wie stellen wir uns hier in Zukunft auf, was bedeutet der fortschreitende Klimawandel für unsere praktische Arbeit in der Landwirtschaft und im Ressourcenmanagement? Wie können wir die Bedürfnisse und Ideen der Menschen vor Ort noch besser einbeziehen? An solchen Fragen arbeiten wir gemeinsam mit unseren weltweit rund 3.500 Mitarbeitenden.

Indem wir die Wirkung unserer Programme messen, können wir Erfolge und Misserfolge kritisch bewerten – und daraus lernen.

Außerdem wollen wir die Wirkung unserer Projekte noch besser überprüfen. Dazu führen wir gerade eine neue Software für Befragungen ein, mit der wir das Feedback der Menschen in den Gemeinden bei der Planung von Programmen und bei der Bewertung der Wirkung unserer Arbeit besser berücksichtigen können. Wir wollen erreichen, dass es in den Regionen, in denen wir arbeiten, keinen Hunger mehr gibt und dass die Menschen widerstandsfähiger gegen die Krisen von morgen sind.

Um diese Widerstandsfähigkeit zu stärken, weiten wir derzeit die „Welthungerhilfe Anticipatory Humanitarian Action Initiative“ auf weitere Länder aus. Dabei erarbeiten wir gemeinsam mit Forschungseinrichtungen in den Projektländern Modelle zur Vorhersage von Katastrophen wie Dürren, Überschwemmungen oder anderen Extremwetterereignissen. So können wir als Hilfsorganisationen, aber auch die Staaten selbst, frühzeitig reagieren, um die Folgen einer Katastrophe abzumildern. Es geht also darum, den Menschen frühzeitig zu helfen, sich gegen eine drohende Katastrophe zu wappnen und nicht erst zu reagieren, wenn die Katastrophe eingetreten ist.

Generalsekretär und Vorstandsvorsitzender, Welthungerhilfe 2021

Wir wollen erreichen, dass es in den Regionen, in denen wir arbeiten, keinen Hunger mehr gibt.

Mathias Mogge Generalsekretär der Welthungerhilfe

Ausblick: Was im nächsten Jahr besonders wichtig sein wird

Schauen wir uns die aktuellen Entwicklungen an, wird auch 2024 kein einfaches Jahr für die Entwicklungszusammenarbeit. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in vielen anderen Ländern stehen wir vor Kürzungen in den Entwicklungshaushalten der Regierungen. Wir halten diese Kürzungen für falsch und hoffen, dass im Hinblick auf den Haushalt 2025 diese Kürzungen wieder zurückgenommen werden.

Mit Blick auf die Zukunft müssen wir uns als Entwicklungsakteure weiter anstrengen, noch besser zu werden und noch mehr zu überzeugen. Wir müssen die Wirkung unserer Arbeit präziser messen und überzeugender darstellen, was wir erreicht haben.

Denn unsere Arbeit leistet sowohl einen Beitrag zur Ernährungssicherung vor Ort, zur Reduzierung von Hunger, als auch zur Stabilisierung von Gesellschaften, in denen teilweise gewaltsame Konflikte drohen. Unser Anspruch muss immer auch sein, einen Friedensbeitrag zu leisten.

Menschen in Uganda stehen um eine Wasserzapfanlage
Dorfbewohner*innen beim Wasserholen: In Uganda stellt die Welthungerhilfe in der Siedlung Bidibidi Wasser durch eine Filter- und Reinigungsanlage und Wasserzapfstellen zur Verfügung. © Stefanie Glinski/Welthungerhilfe

Dafür gibt es gute Beispiele. In der Grenzregion zwischen Kenia und Uganda etwa kommt es immer wieder zu Überfällen und gewaltsamen Zusammenstößen zwischen Gruppen von Viehhaltern auf Grund knapper Ressourcen. Die Welthungerhilfe leistet hier einen Beitrag zur Stabilisierung, indem wir versuchen, die Qualität von Weiden und Trinkwasserstellen für Vieh zu verbessern und diese Gruppen in einen Dialog zu führen. So ist es immer wieder gelungen, hier eine Verständigung herbeizuführen und größere Konflikte zu vermeiden.

Zu guter Letzt möchte ich mich im Namen der Welthungerhilfe bei allen Spender*innen, Unterstützer*innen und institutionellen Gebern für Ihre Unterstützung bedanken. Nur mit Ihrer Hilfe konnten wir innerhalb eines Jahres weltweit 18,8 Millionen Menschen unterstützen. In Zeiten der zunehmenden Krisen ist das Engagement von uns allen von besonderer Bedeutung. Es stimmt uns zuversichtlich, dass positive Entwicklungen trotzdem möglich sind – vor allem dann, wenn wir sie gemeinsam angehen.

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