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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 02/2024
  • Dr. Khangelani Moyo

Migration im südlichen Afrika – wie Offenheit in wachsenden Fremdenhass kippt

Südafrika steht in der Migrationspolitik an einem Scheideweg. Es muss den Bedarf an qualifizierten Einwanderern mit hoher Arbeitslosigkeit und Armut in Einklang bringen – und Geflüchtete wie Asylsuchende schützen.

Händlerinnen auf der Eisenbahnstrecke an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia. © youngrobv CC BY-NC 4.0 Deed | Attribution-NonCommercial 4.0 International

Südafrika hat eine lange Geschichte, Migranten aus den Nachbarländern anzuziehen, die in den Minen, auf Farmen oder als Hausangestellte arbeiten. Die vergleichsweise offene Politik seit dem Ende der Apartheid 1994 ist in den letzten Jahren deutlich restriktiver geworden. Wirtschaftliche und politische Spannungen führten zu gewaltsamen Ausbrüchen von Fremdenfeindlichkeit. Im Vorfeld der nationalen Wahlen 2024 ist Migration zu einem Streitthema geworden.

Nach der jüngsten Volkszählung leben in Südafrika 2,4 Millionen internationale Migranten, was vier Prozent der Gesamtbevölkerung von 62 Millionen Menschen entspricht. Gegenüber der Volkszählung 2011 wurde damit ein leichter Anstieg um 300.000 Zugewanderte verzeichnet. Die offizielle Schätzung von 2,9 Millionen liegt weit darüber. Die Zahl der Einwanderer ist – insbesondere aus den Nachbarländern – aufgrund der großen Zahl irregulärer Migranten schwer zu ermitteln.

Stand 2022 sind die vier wichtigsten Entsendeländer Simbabwe, Mosambik, Malawi und Lesotho. Sie liegen alle im südlichen Afrika und teilen sich, mit Ausnahme von Malawi, Landgrenzen mit Südafrika. Zusammen stellen die Nachbarländer, die alle zur Südafrikanischen Entwicklungsgemeinschaft SADC gehören, 80 Prozent aller internationalen Migranten in Südafrika. 2011 lag dieser Anteil noch bei 68 Prozent. Der Zustrom aus den Nachbarländern entspricht dem Trend, dass die meisten internationalen Migranten eher in ihren Regionen bleiben, statt in ferne Länder zu migrieren. Innerhalb Südafrikas sind die Migranten ungleichmäßig verteilt: Die Mehrheit lebt in der Provinz Gauteng, die das wirtschaftliche Zentrum des Landes ist und die drei Metropolregionen Johannesburg, Tshwane (Pretoria) und Ekurhuleni umfasst.

System der Vertragsarbeit

Innerhalb des südlichen Afrikas folgt die Bewegung von Menschen aus den Nachbarländern der bis zur Entdeckung kommerzieller Goldvorkommen im Witwatersrand-Becken 1886 zurückreichenden Geschichte der Migration nach Südafrika (Moyo 2020). So wurde das System der Vertragsarbeit eingeführt, durch das Arbeiter aus den Nachbarländern angeworben wurden, um die Nachfrage nach billigen Arbeitskräften in den südafrikanischen Goldminen zu stillen (Wilson 1976).

Einige Wissenschaftler haben darauf hingewiesen, dass das Vertragsarbeitssystem, das Arbeiter in die Minen und kommerziellen Farmen führte, neben einem anderen System der illegalen und irregulären Migration existierte, das von der kolonialen Apartheid-Regierung Südafrikas aktiv gefördert wurde (z.B. Musoni 2020). So bestehen die Migrationsrouten aus den Nachbarländern seit über einem Jahrhundert den heutigen Bewegungsmustern in der Region den Weg geebnet.

Die Konfiguration der kolonialen Wirtschaft im südlichen Afrika wollte es, dass Südafrika im Vergleich zu seinen Nachbarn überproportional gewachsen ist und diesen Vorteil auch im Umfang seines Bruttoinlandsprodukts behalten hat. Das BIP beträgt 405,27 Mrd. Dollar, was fast dem BIP aller anderen 15 SADC-Länder entspricht.

Während früher die Nachfrage nach Arbeitskräften in den südafrikanischen Minen und Farmen der Haupttreiber der Bewegung war, sind die aktuellen Muster vielfältiger. Südafrika zieht auch Migranten aus dem Rest des afrikanischen Kontinents an, ebenso wie vom indischen Subkontinent, aus Asien, Europa und Amerika. Die einen sind auf der Suche nach wirtschaftlichen Möglichkeiten, andere auf der Flucht vor Kriegen oder gesellschaftspolitischen Unruhen in ihrer Heimat. Südafrika beherbergt derzeit etwas mehr als 250.000 Geflüchtete und Asylsuchende; zu den Hauptherkunftsländern gehören die DR Kongo, der Südsudan, Äthiopien und Simbabwe.

Wo arbeiten Migrantinnen und Migranten?

Migranten aus den Nachbarländern finden unter anderem Arbeit auf südafrikanischen landwirtschaftlichen Betrieben, vor allem in der Nähe der Landesgrenzen. Umfangreiche wissenschaftliche Forschungen haben die historische Präsenz von Landarbeitern aus Simbabwe in der Provinz Limpopo (Hall et al., 2013), Landarbeitern aus Lesotho in der Provinz Free State (Johnston, 2007) und Landarbeitern aus Mosambik in der Provinz Mpumalanga (Mathers 2000) untersucht. Landarbeiter waren sowohl festangestellt als auch saisonal beschäftigt, sowie zeitweise temporär.

Simbabwische Saisonarbeiter kommen hauptsächlich aus der Grenzstadt Beitbridge, wenn die Nachfrage in Südafrika nach ländlichen Arbeitskräften während der Ernte steigt (Bolt 2017). Manche legen auf ihrem Weg in andere Teile Südafrikas, vor allem nach Johannesburg und Pretoria, Zwischenstopps in den Agrargebieten ein, um Geld für die Weiterreise zu verdienen, oder um den Kontakt zu Verwandten in Gauteng wiederherzustellen. Neben der Landarbeit finden viele undokumentierte Migranten aus den Nachbarländern Arbeit als Hausangestellte in den Großstädten wie Johannesburg (Zack et al., 2019).

Wie hat Südafrika auf die Migration reagiert?

Südafrikas Reaktion auf die Ankunft von Migranten und Geflüchteten war seit dem Ende der Apartheid und dem Beginn der Demokratie 1994 unterschiedlich und widersprüchlich. Zwei Gesetze regeln die Einwanderung: Das Flüchtlingsgesetz von 1998 räumt Geflüchteten und Asylbewerbern neben dem Wahlrecht ähnliche Rechte wie Staatsbürgern ein, obwohl die Umsetzung oft kritisiert wird. Das Einwanderungsgesetz von 2002 legt den Schwerpunkt auf die Anwerbung qualifizierter Zuwanderer und sieht die Einwanderung von ungelernten und angelernten Migranten nach Südafrika nur unzureichend vor (Moyo und Zanker 2022).

Viele ungelernte Migranten bleiben wegen mangelnder Möglichkeit der legalen Einwanderung ohne Papiere oder nutzen das Asylsystem als Ersatzkanal – was zu Bürokratieversagen und einer Überlastung des Systems geführt hat. So stellten Bürger aus Simbabwe auf dem Höhepunkt ihrer Krise 2008 und 2009 jährlich über 140.000 neue Asylgesuche. Simbabwe erlebt seit den späten 1990er Jahren eine Periode anhaltender politischer und wirtschaftlicher Instabilität. Die Hyperinflation erreichte ein beispielloses Ausmaß, mit 89,7 Sextilliarden (10^21) Prozent auf dem Höhepunkt im November 2008. Dies war die historisch zweithöchste Inflationsrate nach Ungarn im Jahr 1946. Sie trieb Tausende von Simbabwern in die Nachbarländer.

So hat Südafrika ein massives Problem von undokumentierten Einwanderern aus den Nachbarländern zu bewältigen. Lange Zeit setzte das Land auf die Festnahme und Abschiebung irregulärer Migranten – was sich bei grenzüberschreitenden Migranten als kostspielig und ineffektiv erwies. Während des Höhepunkts der Simbabwe-Krise 2008 und 2009 kam es in Südafrika beispielsweise zu mehr als  200.000 Abschiebungen pro Jahr, aber die meisten der Abgeschobenen fanden fast unmittelbar den Weg zurück ins Land.

Progressive politische Ausrichtung 2010-2021

Im Jahr 2009 kündigte Südafrika das Dispensation for Zimbabweans Project (DZP) an, das darauf abzielte, Simbabwer ohne Papiere zu legalisieren, jenen mit gefälschten südafrikanischen Ausweisdokumenten eine Amnestie anzubieten und jenen im Asylsystem die Möglichkeit zu Sondergenehmigungen zu geben. Die Ankündigung wurde von einem Moratorium begleitet, die Abschiebung von Simbabwern zu stoppen. Sondergenehmigungen gab es zunächst für vier Jahre, dann drei, und 2017 erneut um vier Jahre verlängert.

Die Präsidenten von Südafrika und Simbabwe, Cyril Ramaphosa und Emmerson Mnangagwa, bei der Eröffnung des modernisierten Grenzübergangs BeitBridge. © GCIS / Government of South Africa via Flickr

Das Modell wurde auf angolanische Flüchtlinge ausgeweitet, die sich nach der Beendigung ihres Flüchtlingsstatus 2013 entschieden, in Südafrika zu bleiben. Ein ähnliches Programm wurde Jahr 2015 für Bürger von Lesotho ins Leben gerufen, um ihren Aufenthaltsstatus in Südafrika zu regularisieren.

Das System der Sondergenehmigungen bildete die Grundlage für einige Vorschläge im Weißbuch der Regierung zur internationalen Migration (WPIM) 2017, in dem ein SADC-Visum für ungelernte und angelernte Wirtschaftsmigranten aus der Region vorgeschlagen wurde. Dies wurde als Anerkennung der langen Einwanderungsgeschichte aus der Region beschrieben und als Versuch, ungelernten Migranten, die normalerweise keinen Anspruch auf ein Visum im Sinne des Einwanderungsgesetzes von 2002 hätten, einen Weg zu eröffnen.

Die progressive politische Richtung aus dem Jahrzehnt der Sondergenehmigungen fand jedoch im November 2021 ein abruptes Ende: Die südafrikanische Regierung kündigte ihre Abschaffung für Simbabwe an und gab Betroffenen zwölf Monate Zeit, um reguläre Einwanderungsvisa zu beantragen. Nach Ablauf der Frist sollten erfolglose Antragsteller das Land verlassen oder abgeschoben werden.

Seitdem haben zivilgesellschaftliche Organisationen die Entscheidung der Regierung gerichtlich angefochten. Der Oberste Gerichtshof von Pretoria befand im Juni 2023 die Entscheidung für rechtswidrig und irrational und ordnete an, dass die Genehmigungen für weitere zwölf Monate gültig bleiben. Angesichts der Niederlage und weiterer Berufungen hat der Minister inzwischen eine weitere Verlängerung bis November 2025 sowohl für die Inhaber der Ausnahmegenehmigung für Simbabwe als auch für Lesotho angekündigt.

Eine Demonstration gegen Fremdenhass in Johannesburg 2015. © Dyltong, CC BY-SA 4.0 <https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0>, via Wikimedia Commons

Abweichend von den Vorschlägen des Weißbuchs von 2017 hat die Regierung auch ein neues Weißbuch (2023) vorgelegt, wonach die Staatsbürgerschafts-, Einwanderungs- und Flüchtlingsgesetze überarbeitet werden sollen. Es erntete Kritik von politischen Kommentatoren und Akademikern sowie von Flüchtlings- und Migrantenorganisationen. Sie die argumentieren, die Vorschläge seien unnütz, beruhten auf falschen Behauptungen und mangelten an Logik.

Einige Parteien werfen dem regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) vor, die Einwanderungsfrage für Wahlzwecke zu nutzen, ohne wirklich die Probleme der irregulären Migration und das Versagen des Innenministeriums angehen zu wollen. "Der Entwurf des Weißbuchs erweckt den Eindruck, dass die Herausforderung der Migrationspolitik mit verschärften Gesetzen zu Geflüchteten und Staatsbürgerschaft gelöst werden kann", lautet das treffende Fazit von Hirsch (2024), der weiter ausführt: "Das grundlegende Problem ist die Korruption und Ineffizienz in der Abteilung für Genehmigungen und Visa des Ministeriums, die im Weißbuch kaum erwähnt wird."

Armut, Arbeitslosigkeit und Fremdenfeindlichkeit

Die Beendigung der Sondergenehmigungen und die Entscheidung, vom Weißbuch 2017 abzuweichen, erfolgen vor dem Hintergrund eines Migrationsdiskurses, der zunehmend enger und unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit geführt wird. Migranten werden als Sicherheitsbedrohung sowie als Bedrohung für die wirtschaftlichen Errungenschaften eines demokratischen Südafrikas dargestellt. Zu den vielen Herausforderungen des Landes gehören eine inakzeptabel hohe Arbeitslosenrate von mehr als 32 Prozent – und von 61 Prozent in der Altersgruppe der 16- bis 24-Jährigen.

Die Armut bleibt unverändert hoch. Und Politiker erwecken oft den Eindruck, dass Migranten und Flüchtlinge das Problem sind, und für Arbeitslosigkeit und schlechte Dienstleistungen verantwortlich sind. Eine solche politische Rhetorik, die Ausländer zu Sündenböcken für die Probleme des Landes macht, zu fremdenfeindlicher Gewalt. Die bisher schlimmste Episode ereignete sich im Mai 2008, als über 100.000 Menschen vertrieben und 62 getötet wurden.

Schlussfolgerung

Südafrika bleibt ein attraktives Ziel für Migranten aus den Nachbarländern, aus anderen Ländern des afrikanischen Kontinents sowie aus Asien, Europa und Nordamerika. Das Land hat eine lange Geschichte der Migration aus den Nachbarländern, die auf das System der Vertragsarbeit und die historischen soziokulturellen Verbindungen zurückzuführen ist.

Aber die Reaktion auf Migration war oft inkohärent und zuletzt beherrscht von einer Verschiebung zu Restriktionismus und der Konstruktion von Migration und Migranten als Bedrohung. Dies zeigt sich in politischen Vorschlägen und der Einrichtung staatlicher Organe wie der Grenzschutzbehörde, die bewaffnete Grenzschutzbeamte einsetzt, um die Landesgrenzen vor irregulären Migranten zu schützen. Auf den ersten Blick scheinen dies begrüßenswerte Initiativen zu sein, aber die militaristische Wende und die begleitende Rhetorik geben Anlass zur Sorge.

Hohe Arbeitslosigkeit, Armut, Ungleichheit und eine bevorstehende Parlamentswahl führen zu einem Anstieg hetzerischer Äußerungen von Politikern, die dazu beitragen, fremdenfeindliche Gewalt zu schüren. Südafrika befindet sich an einem Scheideweg, was die Steuerung von Migration betrifft – wobei es den Bedarf an qualifizierten Einwanderern, die hohe Arbeitslosigkeit und Armut und die Verantwortung für den Schutz von Geflüchteten und Asylsuchenden in Einklang bringen muss.

Dr. Khangelani Moyo University of the Free State, South Africa

Referenzen

Moyo, K., 2020. Dichte, Enklaven und der Alltag von Migrant*innen in Johannesburg. Verdichtung der Stadt?: Global Cases und Johannesburg, S.159.

Moyo, K. und Zanker, F., 2022. Keine Hoffnung für die "Ausländer": Die Vermischung von Flüchtlingen und Migranten in Südafrika. Zeitschrift für Einwanderungs- und Flüchtlingsforschung, 20(2), S.253-265.

Wilson, F., 1976. Internationale Migration im südlichen Afrika. International Migration Review, 10(4), S. 451-488.

Dr Khangelani Moyo ist Senior Lecturer und Migrationsforscher im Fachbereich Soziologie der Universität des Free State - Qwaqwa Campus, Südafrika. Er hat zahlreiche Publikationen zum Thema Migration im südlichen Afrika veröffentlich. Seine Forschungsgebiete umfassen Migrationsmanagement, Flüchtlingsmassnahmen, grenzenüberquerende Migation, räumliche Identität in Städten und soziale Herausforderungen in der urbanen Peripherie. Er ist eine ehemaliger Fellow am Centre for Human Rights Erlangen Nürnberg (CHREN) und DFG-TWAS Cooperation Visiting Fellow am Africa Centre for Transregional Research (ACT), Universität Freiburg, Deutschland.

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