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09.08.2023 | Blog

Niger: "Humanitäre Hilfe von entscheidender Bedeutung"

Jameson Gadzirai ist Head of Programmes der Welthungerhilfe im Niger. Im Interview spricht er mit uns über die derzeitige Situation im Land und wie wir Menschen, die von Hunger und Armut bedroht sind, weiterhin unterstützen.

Ein Mitarbeiter der Welthungerhilfe in Niger spricht mit Menschen
Jameson Gadzirai (Mitte), Head of Programmes der Welthungerhilfe im Niger, spricht mit Menschen in der Hauptstadt Niamey – das Foto enstand vor der Machtübernahme der Putschisten. © Welthungerhilfe
Jameson Gadzirai Head of Programmes Niger

Jameson, wie schätzt Du die Lage aktuell ein? 

Die Lage ist sehr unsicher. Doch die Welthungerhilfe setzt ihre Arbeit im Niger fort. Aufgrund der unklaren politischen und sicherheitspolitischen Lage in einigen Regionen kam es zu Verzögerungen bei der Durchführung einiger unserer Maßnahmen, insbesondere derjenigen, die in irgendeiner Form eine Genehmigung der Behörden erfordern. Wir beobachten die Situation sehr genau und stehen in ständigem Kontakt mit anderen Organisationen sowie den Vereinten Nationen. 

Welche Unterstützung im Land leistet die Welthungerhilfe normalerweise?

Wir leisten humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit. Durch die Verteilung von Nahrungsmitteln und Bargeld helfen wir, die Ernährung der Bevölkerung zu sichern. Gleichzeitig entwickeln wir gemeinsam mit der lokalen Bevölkerung Konzepte zur nachhaltigen Ernährungssicherung. Dazu gehört z. B. das Anlegen von Gemüsegärten und Baumschulen. Wir legen dabei den Fokus auf Schwangere, junge Mütter und Kinder unter fünf Jahren, für die eine einigermaßen ausgewogene Ernährung besonders wichtig ist.

Jameson Gadzirai steht an einem Rednerpult

Der Konflikt droht, die Situation der Menschen, die ohnehin schon von Hunger bedroht sind, weiter zu verschärfen.

Jameson Gadzirai Head of Programms Niger

Und wie viele Menschen werden konkret durch unsere Projekte im Niger unterstützt?

Im vergangenen Jahr haben wir mindestens 206.000 Menschen in den drei Regionen Tillabéri, Tahoua und Diffa unterstützt. Das sind Regionen mit sehr starken Bevölkerungsbewegungen. Hier suchen Menschen Schutz, die vor Gewalt im eigenen Land geflohen sind, aber auch aus den Nachbarländern Nigeria oder Mali. Die Gegenden um die Regionalstädte waren dort bisher einigermaßen sicher, doch der Nahrungsmittel-Bedarf ist hoch, damit sich alle ausreichend ernähren können. Der Konflikt droht, die Situation der Menschen, die ohnehin schon von Hunger bedroht sind, weiter zu verschärfen. 

Die humanitären Bedarfe in der Sahelregion sind groß

Das heißt, unsere Arbeit vor Ort war auch schon vor dem Putsch sehr schwierig?

Seit 2010 arbeitet die Welthungerhilfe in Niger. Aktuell fördern wir dort 11 Projekte, 2022 mit einer Summe von 5,8 Millionen Euro.

Absolut. Die Sicherheitslage ist schon länger sehr volatil, die andauernde Krise in der Sahelregion sorgt für viele Fluchtbewegungen aus aktiven Konfliktgebieten in relativ sichere Gebiete. Die humanitären Bedürfnisse sind sehr groß, insbesondere in der Ernährungssicherheit. Wir erwarten, dass sie noch größer werden, und dass humanitäre Akteure wie beispielsweise Hilfsorganisationen ständig Sicherheitsrisiken abwägen müssen und im schlimmsten Fall keinen Zugang zu Gegenden hat, in denen die Not am größten ist.

Im Niger leben 26 Millionen Menschen. Laut UNO benötigen 4,3 Millionen von ihnen humanitäre Unterstützung. Was bedeutet das nun für diese Menschen? 

Von den 4,3 Millionen leben nach unserer Schätzung mindestens 3,3 Millionen in kritischer Ernährungsunsicherheit, sie könnten also in den kommenden Monaten Hunger leiden. Der Putsch bedeutet für sie noch mehr Unwägbarkeiten.

Steigen Lebensmittelpreise, steigt der Hunger

Wir sahen Im Juli bereits Anzeichen, dass die Lebensmittelpreise auf lokalen Märkten steigen. Die Gefahr ist groß, dass sich viele Menschen Nahrungsmittel nicht mehr leisten können. Und jetzt hat sich die Situation aufgrund der aktuellen Grenzschließungen noch weiter verschärft, denn Niger importiert mindestens 20 % seines Getreidebedarfs. Ein 50-kg-Sack Reis, der früher für 10.500 CFA-Franc (etwa 17,50 US-Dollar) verkauft wurde, kostet jetzt 15.000 CFA-Franc (ca. 25 US-Dollar), was einem Anstieg von fast 50 % entspricht. Die verfügbaren Einkommen der lokalen Gemeinschaften steigen nicht in gleichem Maße. Die Ernährungsunsicherheit könnte also weiter zunehmen. Es gibt einen Dominoeffekt, der Bevölkerungsgruppen am schlimmsten trifft, die bereits jetzt von Hunger und Armut betroffen sind.

Hinzu kommt, dass der Niger sich aktuell in der Regenzeit befindet, welche im Laufe des Monats August enden soll. Es ist eine magere Jahreszeit, in der Vorräte allmählich zur Neige gehen. Die Lebensmittelreserven werden aufgebraucht und zugleich sinken die erwarteten Einkommen der Menschen, bevor die nächste Ernte eingefahren werden kann. Neben ausreichend Nahrungsmittel fehlt es außerdem am Zugang zu sauberem Wasser, medizinischer Versorgung, Obdach und Schutz.

Was kann die Welthungerhilfe in dieser Lage konkret für die Menschen tun?

Wenn es die Situation zulässt, verteilen wir Lebensmittel, Saatgut und Werkzeuge für die landwirtschaftliche Produktion. Die Einrichtung von Futtermittelbanken ermöglicht es den Menschen, ihre Tiere in Notzeiten zu füttern. Wir stellen auch Bargeld zur Verfügung, damit bedürftige Gruppen Nahrungsmittel kaufen und ihren Bedarf decken können. Unser Schwerpunkt liegt auch auf der Verbesserung des Zugangs zu Wasser.

Vielen Dank für das Interview, Jameson.

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