Kriege gefährden die Ernährungssituation der Bevölkerung – vor allem dann, wenn Hunger bewusst als Kriegswaffe eingesetzt wird.
Preisanstieg der Lebensmittel verschärft Hunger
Lebensmittel werden teurer: Preisanstiege gefährden die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen

Zwischen 2020 und 2023 sind die Preise für Lebensmittel drastisch gestiegen. Durch den Krieg in der Ukraine erreichten sie im März 2022 ihr Rekordniveau. Seitdem ist ein Abwärtstrend zu erkennen. Doch der kommt kaum bei den Menschen an, die unter den hohen Preisen am meisten leiden.
Vor allem in Ländern des Globalen Südens ist die Lage dramatisch – und klimabedingte Ernteausfälle sowie Konflikte gefährden die Ernährungssicherheit für Millionen von Menschen zusätzlich.
Inhaltsverzeichnis
- Nahrungsmittel bleiben teuer
- Preisanstieg von Lebensmitteln verursacht Hunger
- Preiserhöhung, Lebensmittel, Hungersnot – wie hängt alles zusammen?
- Multiple Krisen: Fatal für ernährungsunsichere Länder
- Auswirkung auf Äthiopien, Simbabwe, Sierra Leone, Burkina Faso
- Auswirkungen im Globalen Norden
- Lebensmittelpreisanstieg: So unterstützt die Welthungerhilfe
- Forderung nach einer standortgerechten Landwirtschaft
Nahrungsmittel bleiben teuer
Seit dem Höchststand des UN-Nahrungsmittelpreisindex (FFPI) im März 2022 sinkt das internationale Niveau für Nahrungsmittelpreise wieder. Im Vergleich zu den Werten vor einem Jahr, sind im April 2024 die Preise für Getreide (-15%) und Zucker (-18%) deutlich gesunken, während die Preise für Molkereiprodukte (-4%) nur leicht gefallen sind und pflanzliche Öle sowie Fleisch annähernd gleich hoch geblieben sind. Im April 2024 lag der UN-Nahrungsmittelpreisindex mit rund 119 Punkten unter dem durch den Ukraine-Krieg verursachten Rekordwert von fast 160 Punkten – aber immer noch deutlich über dem Wert von September 2020 vor der Pandemie, als der FFPI bei knapp 100 Punkten stand.
Der FAO Food Price Index (FFPI) besteht aus fünf Warengruppen: Fleisch, Milchprodukte, Getreide, pflanzliche Öle und Zucker. Diese Rohstoffe sind ausgewählt worden, weil sie von hoher strategischer Bedeutung für die globale Ernährungssicherheit und für den globalen Handel sind. Der Nahrungsmittelpreisindex erfasst monatliche Veränderungen der internationalen Preise für die am meisten gehandelten Nahrungsmittel.
Die Prognosen für die Getreideernten sind überwiegend gut. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sagt für das Jahr 2023/2024 eine weltweite Getreideproduktion von 2846 Millionen Tonnen voraus. Das entspricht einem Plus von 1,2% zum Vorjahr und ist der zweithöchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen. Die Prognosen für die globalen Getreidevorräte 2024 bleiben komfortabel und die Prognose für die globale Weizenproduktion liegt mit 791 Millionen Tonnen 0,5% über dem Vorjahr.
Im Südlichen Afrika sind die Ernteaussichten für 2024 dagegen schlecht und liegen für Mais 10% unter dem fünfjährigen Durchschnitt. Grund ist eine Dürre, die seit Mitte 2023 durch das Wetterphänomen El Niño verursacht wird, sowie die hohen Temperaturen aufgrund des Klimawandels. Malawi, Simbabwe und Sambia haben wegen der katastrophalen Auswirkungen der Dürre auf die Ernährungssicherheit im März 2024 den nationalen Notstand ausgerufen.
Das hohe Produktionsniveau kann allerdings nur knapp mit dem weltweit gestiegenen Bedarf mithalten. Und: Die gesunkenen internationalen Nahrungsmittelpreise und die guten Ernteerträge kommen noch lange nicht überall an. Die nationalen Preise waren im März 2024 im Vergleich zu vor einem Jahr immer noch sehr hoch und steigen teilweise weiter an. Besonders in Ländern mit niedrigem Einkommen herrscht eine extreme Inflation von Lebensmittelpreisen: Simbabwe, Myanmar, Ägypten, Nigeria und Sierra Leone haben bei Nahrungsmitteln Inflationsraten über 40%. Haushalte mit niedrigem Einkommen leiden besonders unter der hohen Inflation, da sie einen größeren Teil ihres Einkommens für Essen ausgeben müssen. Sie haben durch die Pandemie und den Krieg in der Ukraine bereits erhebliche Kaufkraftverluste erlitten. Immer mehr Menschen können sich Nahrungsmittel nicht mehr leisten und müssen die Anzahl oder Diversität der Mahlzeiten reduzieren. Ihre Ernährungssicherheit ist in Gefahr.

Die globale Erholung nach der Pandemie und dem Beginn des Kriegs in der Ukraine ist zwar langsam, aber auch die Preise für Düngemittel, Energie und Transport sind seit Mitte 2022 teils stark gesunken. Allerdings kämpfen besonders Länder mit niedrigem Einkommen mit einem weiteren Anstieg von Menschen, die ernährungsunsicher sind. Denn diese Länder sind oft stark abhängig von Lebensmittelimporten. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Importmengen sicherstellen und bezahlen zu können. Bei hohen Weltmarktpreisen müssen sie entsprechend mehr Geld für Importe ausgeben. Durch größer werdende Handelsdefizite und einen starken Dollar wurden lokale Währungen teils sehr stark abgewertet. So wurden Importe noch teurer und die Inflation bei Nahrungsmitteln weiter angetrieben.
Zusammen mit einer hohen Schuldenlast öffentlicher Haushalte nach der Pandemie sind die finanziellen Möglichkeiten der Regierungen oftmals begrenzt, um in soziale Sicherungssysteme zu investieren oder die Resilienz vulnerabler Haushalte zu stärken. Dieser Teufelskreis aus schwachen Währungen, hohen Lebensmittelpreisen, Inflation und Schuldenlast wird vor allem in Ländern, die ein niedriges Einkommensniveau haben und Nettolebensmittelimporteure sind, die Kaufkraft der Haushalte auch 2024 weiter schwächen.
Ein weiterer Risikofaktor für die globale Ernährungssicherheit bleiben Kriege und Krisen. Die globalen Märkte haben sich zwar teilweise an die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine angepasst durch erhöhte Exporte aus Brasilien, Argentinien, USA und der EU. Die Ukraine konnte nach dem Auslaufen des Getreideabkommens einen eigenen Korridor für Schiffe durch das Schwarze Meer aufrechterhalten und Anfang 2024 die Exporte über den Seeweg erheblich verbessern.
Aber neue, intensive Konflikte im Gazastreifen und dem Sudan wirken sich negativ auf die nationale und regionale Ernährungssicherheit aus. Durch die massenhafte Vertreibung der Zivilbevölkerung wird die landwirtschaftliche Produktion unterbrochen und die Fähigkeit der Bevölkerung beschränkt andere Schocks durch Klimawandel oder Wirtschaftskrise zu bewältigen. Die Huthi-Attacken auf Frachtschiffe im Roten Meer als wichtige Handelsroute sind ebenfalls ein Risiko für unterbrochene Lieferketten, steigende Transportkosten und wieder steigende internationale Preise für Lebensmittel.

Preisanstieg von Lebensmitteln verursacht Hunger
Laut Welternährungsorganistion (FAO) hungern weltweit 733 Millionen Menschen, das sind, wenn man den Mittelwert betrachtet, etwa 152 Millionen mehr als 2019 vor der Pandemie. Wenn sich der Trend so fortsetzt, wird das SDG 2 „Kein Hunger bis 2030“ klar verfehlt. Besonders Kinder leiden unter Unterernährung: 148 Millionen Kinder unter 5 Jahren haben Wachstumsverzögerungen, 45 Millionen Kinder unter 5 Jahren sind ausgezehrt. Dabei gibt es große regionale Unterschiede: In weiten Teilen von Asien und Lateinamerika konnte der Hunger reduziert werden, während in Afrika und der Karibik der Hunger zunimmt. Die größte Zahl an hungernden Menschen lebt nach wie vor in Asien (385 Mio.), während in Afrika der größte Anteil der Bevölkerung (ca. 20%) unter Hunger leidet.
Die hohen Preise von Lebensmitteln erschweren neben weiteren Faktoren wie den Auswirkungen der Klimakrise, bewaffneten Konflikten und Kriegen sowie den Folgen Covid-Pandemie die Bemühungen zur Beendigung des Hungers immens. Auch die globale Ernährungssicherheit verschlechtert sich: 29,6% der Weltbevölkerung (2,4 Milliarden Menschen) haben keinen konstanten Zugang zu ausreichend Nahrung für ein gesundes und aktives Leben. Das bedeutet, Menschen können sich nicht ausreichend Grundnahrungsmittel leisten, um satt zu werden oder sie müssen auf gesunde Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse verzichten.
Neben dieser chronischen Ernährungsunsicherheit steigt auch die akute Ernährungsunsicherheit an. 281,6 Millionen Menschen sind von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen (IPC Phase 3 oder höher). Das bedeutet, Menschen haben so große Lücken in der Nahrungsaufnahme, dass sie akut unterernährt sind und wesentliche Ressourcen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes erschöpfen müssen. In der höchsten Phase – der Hungersnot – reichen diese Notfallstrategien nicht mehr aus und die Menschen benötigen dringend Unterstützung, um zu überleben und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Weltweit sind laut FAO 45 Länder auf externe Nahrungsmittelunterstützung angewiesen, 33 davon liegen in Afrika und neun in Asien.
Preiserhöhung, Lebensmittel, Hungersnot – wie hängt alles zusammen?
Agrar-Rohstoffe haben im ersten Jahr der Pandemie 2020 auf dem Weltmarkt insgesamt 31 Prozent mehr gekostet als ein Jahr zuvor (FAO), Ölsaaten wie Raps doppelt so viel. Und auch der Preis für Mais hat sich nahezu verdoppelt. Weizen und Soja sind ebenfalls deutlich teurer geworden. Ein Grund dafür waren zum Beispiel die Kosten der Lagerhaltung in Corona-Zeiten.
Protektionistische Handelspolitik kann ein Risikofaktor für die globale Preisstabilität und Inflation von Lebensmitteln sein. Während der Pandemie und zu Beginn des Krieges in der Ukraine haben einige Länder mit Exportverboten oder -beschränkungen auf bestimmte Grundnahrungsmittel reagiert, um den heimischen Bedarf zu decken oder hohe Preise einzudämmen. Laut Weltbank waren Anfang 2024 zum Beispiel in Indien immer noch Exportverbote für Reis, Weizen und Zucker in Kraft. Indien ist mit über 40% der weltgrößte Reisexporteur. Entsprechend haben besonders die Exportverbote auf Reis die globale Versorgung und Preise gestört: Im April 2024 lag der UN-Reispreisindex bei 135,7 Punkten. Das sind 27 Punkte mehr als der Wert im Jahr 2022 mit 108,8 Punkten und der höchste Stand seit 11 Jahren.

Zunehmende Extremwetterereignisse führen dazu, dass es weniger Ernten gibt und die Preise daraufhin steigen. Einen direkten Einfluss auf das Preisniveau von Nahrungsmitteln haben zudem die zum Teil deutlich gestiegenen Energiepreise, zum Beispiel für Rohöl. Der Unterschied: In Industrieländern wirken sich die Preissteigerungen meist nur moderat aus. Die Menschen müssen nur circa 12 bis 30 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden. Doch in Ländern des Globalen Südens sind es zwischen 50 und 100 Prozent. Werden Nahrungsmittel teurer, bedeutet das für viele Haushalte in ärmeren Ländern, dass sie sich keine Nahrung mehr kaufen können und hungern müssen. Für andere wichtige Dinge wie Wohnen, Gesundheit oder Schulbildung der Kinder bleibt schlichtweg nichts mehr übrig.
Gleichzeitig benötigen Hilfsorganisationen bei steigenden Nahrungsmittelpreisen auch mehr finanzielle Mittel, um diese zu erwerben. Und wenn Landwirt*innen im Globalen Süden sich aufgrund steigender Preise Saatgut und Dünger nicht mehr leisten können, werden Anbau und Ernten schrumpfen – und damit Armut und Hunger wachsen. Ein Teufelskreis, den es jetzt unbedingt zu vermeiden gilt.
Die globale Landwirtschaft produziert genug Nahrung für alle, doch die ist extrem ungleich verteilt.
Multiple Krisen: Fatal für ernährungsunsichere Länder
Die FAO warnt im April 2024 vor weiteren extremen Preisanstiegen von Grundnahrungsmitteln in 8 Ländern: Südafrika, Sambia, Simbabwe, Südsudan, Sudan, Myanmar, Nigeria und Argentinien. Vor einer Verschärfung von akuten Hungerkrisen warnt das Welternährungsprogramm Anfang 2024 insbesondere in Gaza, Haiti, Äthiopien, Jemen, Syrien, Demokratische Republik Kongo und Somalia – aber auch in vielen weiteren Regionen und Ländern.
Solche Ernährungskrisen entstehen meist aus einer Kombination verschiedener Ursachen, die sich zum Teil überlagern: Extremwetterereignisse und Auswirkungen des Klimawandels, Kriege und Konflikte, wirtschaftlich Schocks durch hohe Lebensmittelpreise. Dabei ist es wichtig zu unterscheiden zwischen den Auswirkungen (wiederkehrender) Schocks und strukturellen Ursachen wie Fragilität, Instabilität und Armut.
Das Problem dabei: all diese Ursachen führen dazu, dass ernährungsunsichere Haushalte wesentliche Ressourcen zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes verlieren. Das schränkt ihre Fähigkeit ein, weitere Schocks zu bewältigen und Resilienz aufzubauen. Aufgrund der Pandemie und des Krieges in der Ukraine ist auch die wirtschaftliche Resilienz von Ländern mit niedrigem Einkommen dramatisch zurückgegangen. Das bedeutet sie benötigen längere Phasen zur Erholung und sind auf zukünftige Schocks schlecht vorbereitet.
Die multiple Krisensituation aus Klimawandel, Krieg und hohen Nahrungsmittelpreisen muss sehr ernst genommen werden, um eine weitere Verschlechterung der Lage zu vermeiden.
Klimaschutz als Existenzsicherung
Der Klimawandel führt zum Beispiel in vielen Kaffeeanbauregionen zu verminderten Ernten, was zusammen mit den gestiegenen Transportkosten die Kaffeepreise in die Höhe schießen lässt. Zusammen mit der Unsicherheit über zukünftige Getreidelieferungen aufgrund des Krieges in der Ukraine, der Huthi-Attacken im Roten Meer und des Konflikts in Gaza muss auch in Zukunft mit weiteren Preissteigerungen und der Verknappung einiger Nahrungsmittel gerechnet werden.
Das Klima verändert sich, und wir müssen lernen, damit zu leben.
Elementar wichtig für eine nachhaltige Ernährungssicherheit im globalen Kontext ist also vor allem die Investition in den Klimaschutz, die Anpassung an den Klimawandel und die Landwirtschaft insbesondere in ernährungsunsicheren Regionen. Dazu gehören Fortbildung der Bäuer*innen, bessere Bewässerungs- und Pflugmethoden und an den Klimawandel angepasste Strategien für die Landwirtschaft. Das beinhaltet angepasstes Saatgut, neue Technologien und je nach Region individuell an das Klima, Bodenbeschaffenheit und Wasserverfügbarkeit angepasste Ansätze. Die Unterstützung von Landwirt*innen in den von Hunger betroffenen Regionen ist in dieser Hinsicht eine Maßnahme, die sofort umgesetzt werden kann.
Den Auswirkungen des Klimawandels auf globaler Ebene entgegenzuwirken ist ein elementarer Ansatz, um die ausreichende Produktion sowohl von Getreide- und Grundnahrungsmitteln als auch weiterer Lebensmittel sicher zu stellen.
Anstieg der Lebensmittelpreise verschärft Hunger in Afrika
In vielen ernährungsunsicheren Ländern in Afrika bleiben die Preise für Grundnahrungsmittel im Frühjahr 2024 auf historisch hohem Stand und weitere Preissteigerungen werden erwartet. Im Südlichen Afrika erzeugt der erwartete Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion für 2024 aufgrund einer Dürre weiteren Druck auf bereits hohe heimische Nahrungsmittelpreise. Mais als wichtigstes Grundnahrungsmittel in der Region verzeichnet steigende Preise. Ernteverluste führen besonders bei ländlichen Haushalten zu Einkommensverlusten und Subsistenzlandwirt*innen sind auf den Zukauf von Nahrung angewiesen. Bei den hohen Preisanstiegen sind das enorme finanzielle Belastungen, vor allem für Haushalte, die einen Großteil ihres Budgets für Nahrung ausgeben. Viele Menschen können sich dies nicht leisten und leiden Hunger.
Millionen Menschen in Ländern Ostafrikas wie Kenia, Somalia, Äthiopien oder Uganda leiden unter den Folgen jahrelanger Dürre.
Laut dem Global Information and Early Warning System on Food and Agriculture (GIEWS) sind im März 2024 geschätzt 16 Millionen Menschen in der Region von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen. Die Zahl kann im Laufe des Jahres weiter steigen, vor allem in Gebieten, die in den vergangenen Jahren bereits mehrere Wetterschocks erlebt haben und deren Widerstandsfähigkeit gegenüber weiteren Schock stark abgenommen hat (Malawi, Madagaskar, teilweise Mozambique).
Auch in Teilen Ost- und Westafrikas bleiben die Preise auf einem außergewöhnlich hohen Niveau. Im Sudan hat der anhaltende Konflikt die Produktion von Nahrungsmitteln und das Funktionieren der Märkte unterbrochen und zu weiteren Preissteigerungen geführt. Die internationale Preise können im Laufe des Jahres 2024 wieder zunehmend unter Druck geraten: globale Auswirkungen von El Niño auf die landwirtschaftliche Produktion, Dynamiken beim Ölpreis und Engpässe in den Lieferketten können preistreibende Faktoren sein.
Welche Auswirkungen der Anstieg der Nahrungsmittelpreise auf die Menschen in verschiedenen Ländern hat, zeigen folgende Beispiele:
Keine Entwarnung in Sicht: In vielen Ländern ist die Hungersituation "ernst" oder sogar "sehr ernst".
Äthiopien
In Äthiopien sind die Lebensmittelpreise in den vergangen 13 Jahren bis zu 74% gestiegen. Die Ursachen sind vielfältig. Zum Beispiel spielt die Entwicklung an den Weltmärkten (großer Nachfragedruck in urbanen Gebieten und wirtschaftlich sich entwickelnden Ländern wie China, Indien etc.) eine große Rolle. Weltmarktregularien wie protektionistische Maßnahmen und Außenhandelsdefizite schwächen die nationale Währung und verursachen importierte Inflation.
Diese Entwicklungen haben sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Zum Beispiel haben Missernten, fragile Lieferketten wegen Covid-19 sowie Krieg im Norden des Landes zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt. Die Prognose sieht nicht gut aus. Es ist mit einer Jahresinflationsrate von durchschnittlich über 35% zu rechnen, ebenso mit einer dauerhaften signifikanten Verteuerung auf dem Lebensmittelmarkt. Circa 25% der Bevölkerung muss mit weniger als 1 USD pro Tag auskommen und circa 80% mit weniger als 2 USD pro Tag.
In der äthiopischen Region Tigray hat der dortige Konflikt zur Vertreibung von fast zwei Millionen Menschen geführt. Der Handel, Zugang zu humanitärer Hilfe und die Lebensgrundlagen sind erheblich beeinträchtigt.
Simbabwe
In Simbabwe kommt vor allem Mais auf die Teller. Zum Nationalgericht Sadza, einem Brei aus Maismehl, wird meist Gemüse oder (wenn man es sich leisten kann) Fleisch serviert. Der Preis für ein Kilo Maismehl ist im Dezember 2021 auf den städtischen Märkten um 30% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bohnen und Speiseöl sind noch teurer geworden – und das, obwohl Simbabwe 2021 eine gute Ernte eingefahren hat. Doch die Erträge haben nicht ausgereicht, um die leeren Lager nach zwei Dürrejahren wieder aufzufüllen. Auch gestiegene Benzin- und Transportpreise verteuern die Nahrungsmittel. Im Durchschnitt geben Haushalte in Simbabwe 55% ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.
Auf der anderen Seite fehlen Erwerbsmöglichkeiten: Während der Lockdowns in der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen in den Städten die Produktion heruntergefahren oder Pleite gemacht. Auch Tagelöhner*innen im informellen Sektor haben während Lockdowns ihre Einkommensmöglichkeiten verloren. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage gibt es wenig neue Jobs. Die Folge: Immer mehr Familien verzichten auf abwechslungs- und nährstoffreiche Ernährung. Etwa jede siebte Familie gibt 2021 an, ihr Verhalten zu verändern, weil sie nicht genug zu essen hat. Die häufigste Antwort ist, günstigere und ungesündere Nahrungsmittel zu kaufen. Dann gibt es Sadza pur, ohne Beilage oder Gemüse. Macht satt, ist aber nicht gesund.

Burkina Faso
In Burkina Faso sind steigende Nahrungsmittelpreise ein großes Thema. Vor allem Gewalt und Terrorgruppen im Norden/Osten sind Verursacher von Preissteigerungen. Nahrungsmittel wurden zerstört durch das Abbrennen von Feldern und Lagern oder das Schlachten von Vieh.

Steigende Nahrungsmittelpreise treffen die Ärmsten am schlimmsten. Helfen Sie ihnen mit Ihrer Spende.
Menschen sind aus ihren Dörfern geflohen und in die Städte geflüchtet. Da die Vertriebenen überwiegend Produzent*innen sind und der Anbau sowie die Ernte von Lebensmitteln drastisch sinkt, fehlen die Nahrungsmittel. Vor allem frisches Gemüse. Sowohl in den Dörfern als auch in den Städten. Dort steigen wiederum die Preise, zum Beispiel von Reis und Hirse.
Die Corona-Pandemie hat darüber hinaus zu Preiserhöhungen sowie zu einer geringeren Verfügbarkeit von Düngemitteln beigetragen. Die Nachfrage durch mehr Menschen steigt, aber gleichzeitig gibt es weniger Einkommensmöglichkeiten. Händler nutzen Versorgungsdruck aus. Importe aus Benin, Niger oder Mali nehmen ab wegen der Sicherheitslage. Viele Menschen hungern.

Sierra Leone
In den letzten Jahren ist der Preis für Reis um 75% gestiegen. Da es sich um ein Grundnahrungsmittel handelt, sind die Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit der Menschen enorm. Die damals durch Corona verhängten Beschränkungen haben den Handel und die Einfuhr von Nahrungsmitteln stark eingeschränkt, was zu einem drastischen Preisanstieg geführt hat.
Auf den benachbarten Märkten in Guinea und Liberia sind die gleichen Preisschwankungen zu beobachten, sodass sich das Problem auf den gesamten westafrikanischen Raum ausweitet. Die Ernährungssicherheit hat abgenommen, und die Haushalte spüren die hohe Inflation der Lebensmittelpreise. Der Rückgang der Ernährungssicherheit scheint in den städtischen Gebieten am stärksten zu sein, wo auch der Verbrauch am stärksten zurückgegangen ist und die Haushalte nicht auf selbst erzeugte Lebensmittel zurückgreifen können.
Im Juli 2020 meldete fast ein Viertel der Haushalte, dass sie aufgrund eines Preisanstiegs oder eines Rückgangs des Haushaltseinkommens keinen Reis – das wichtigste Grundnahrungsmittel – kaufen konnten. In manchen Regionen geben die Menschen 70% ihres Einkommens für Nahrung aus.
Weitere globale Faktoren, die zu einer Nahrungsmittelpreiskrise und damit zu Hunger führen können:
- Steigende Energiekosten
- Klimaeffekte und Missernten
- Steigende Transportkosten, Transportausfälle
- Steigende Düngemittelpreise (steigende Agrarproduktionskosten insgesamt, da Energiekosten, Arbeitskosten, Agrarchemie etc. steigen
- Politisches Säbelrasseln
- Einige Länder (z.B. Russland, Mali) beschränken ihre Agrarexporte (weiterer Preistreiber, der 2008/9 bereits fatal war)
Auswirkungen der steigenden Nahrungsmittelpreise im Globalen Norden
Die multiple Krisensituation aus Klimawandel, Krieg und hohen Nahrungsmittelpreisen muss sehr ernst genommen werden, um eine weitere Verschlimmerung der Lage zu vermeiden. Neben der Ausweitung des Getreideanbaus, wie es zum Beispiel in Nordamerika bereits passiert, sind vor allem an den Klimawandel angepasste Strategien für die Landwirtschaft wichtig.
Da die Düngemittelpreise enorm gestiegen sind, bauen Farmer*innen zum Beispiel in den USA vermehrt Soja statt Mais und Weizen an. In vielen Kaffeeanbauregionen führt hingegen der Klimawandel zu verminderten Ernten, was zusammen mit den gestiegenen Transportkosten die Kaffeepreise in die Höhe schießen lässt. Zusammen mit der Unsicherheit über zukünftige Getreidelieferungen aus der Ukraine muss auch in Zukunft mit weiteren Preissteigerungen und der Verknappung einiger Nahrungsmittel gerechnet werden.
Den Auswirkungen des Klimawandels auf globaler Ebene entgegenzuwirken ist hier ein elementarer Ansatz, um die ausreichende Produktion sowohl von Getreide- und Grundnahrungsmitteln als auch weiterer Lebensmittel sicher zu stellen: „Der globale Norden muss seinen Klimaausstoß reduzieren. Außerdem benötigt es vor allem in den Regionen, wo es viele Missernten gibt, die Umsetzung von Anpassungsstrategien. Das heißt, die Landwirtschaft muss so gestaltet werden, dass sie resilienter gegen Klimaschocks ist“, sagt Dr. Rafaël Schneider.
Teurere Lebensmittel, mehr Hunger & höhere Kosten für Hilfe
Vor allem die Ernteaussichten für Hungerregionen in Afrika und Asien sind weiterhin düster, so Schneider. „Die betroffenen Länder müssen rasch soziale Sicherungsmaßnahmen vorbereiten, um die Versorgung der Menschen zu gewährleisten. Mittelfristig müssen sie mehr in ihre Landwirtschaft investieren, denn jetzt rächt sich, dass nach den letzten Krisen zu wenig geschehen ist”, fordert Schneider. Länder wie Deutschland seien gefordert ihre Unterstützung für Hungerbekämpfung und ländliche Entwicklung auszubauen. Kurzfristige Exportstopps für Agrarprodukte sollten vermieden werden.
Lebensmittelpreisanstieg: So unterstützt die Welthungerhilfe
Um Armut und Hunger auf der Welt sowie die Auswirkungen und Folgen für die Menschen zu bekämpfen, müssen die Ernährungssysteme nachhaltig und armutsreduzierend gestaltet und Katastrophen besser vorgebeugt werden. Besonders notwendig sind schnelle Maßnahmen vor Ort wie zum Beispiel das Anlegen strategisch wichtiger Reserven von Nahrungsmitteln, die Verfügbarkeit von angepasstem Saatgut zu sichern, die Förderung von innovativen Anbaumethoden aufrecht zu erhalten, ein umfassendes Risikomanagement voranzutreiben oder Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu fördern.
Forderungen der Welthungerhilfe für die Umsetzung einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft, die mögliche Hungersnöte durch den Preisanstieg von Lebensmitteln verhindern können:
Kurzfristig:
- Exportstopps vermeiden - bei drohenden Missernten in Hungerregionen ist es wichtig, dass der Agrarweltmarkt stabil bleibt und Unterversorgungen ausgleichen kann.
- In Krisenregionen muss auch bei steigenden Nahrungsmittelpreisen eine angemessene Versorgung mit Lebensmitteln sichergestellt werden. Betroffene Staaten sollten sich auf stark steigende Preise vorbereiten und soziale Sicherungsmaßnahmen (z.B. Bargeldhilfen) vorbereiten.
- Geberländer müssen ihre Leistungen an die Nahrungsmittelpreissteigerungen anpassen.
Mittelfristig
- Regierungen sollten eine politische Agenda für die landwirtschaftliche Beratung entwickeln und umsetzen, die sich auf die Ernährungssicherheit und die Schaffung von Einkommen für die arme Landbevölkerung konzentriert.
- Die Landwirtschaft sollte die hohe Priorität, die ihr von den nationalen Regierungen und den internationalen Entwicklungsorganisationen eingeräumt wird, beibehalten und weiter ausbauen, ihre Mittel sollten entsprechend aufgestockt werden.
- Die Förderung einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft ist ein zentraler Bestandteil des Ernährungssystems und ein wichtiges Instrument zur Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung.
- Die Länder des Globalen Südens müssen eine integrierte, transparente und partizipative Regionalpolitik umsetzen, die sich insbesondere auf den Agrarsektor und seine Vor- und Rückverflechtungen konzentriert.
- Aktivitäten und Initiativen, die über die Landwirtschaft hinaus neue Arbeitsplätze schaffen, sollten besonders gestärkt werden.
- Berufliche Aus- und Weiterbildung, insbesondere für Jugendliche und Frauen, sind dringend erforderlich, ebenso der Transfer von Know-how und angepassten Technologien.