Die Arbeit der Welthungerhilfe in Liberia
Schnecken auf der Speisekarte
Matthias Mogge berichtet aus Liberia. Von Schnecken auf der Speisekarte, von Ebola und Kindersoldaten und vom Fortschritt im Land.
Meine Erinnerungen aus dem Jahr 2003, als ich Liberia das erste Mal besucht habe, sind wenig schön. Ich war dort, um das Engagement der Welthungerhilfe im Land vorzubereiten. 13 Jahre später bin ich wieder in dem westafrikanischen Land. Ich sehe zwar hier und da Fortschritte, aber auch viele Herausforderungen.
Die Straßen von Monrovia sind voll von Kindersoldaten und Streitkräften aus Nigeria. Zerstörung und die Narben des Kriegs sind überall zu sehen. 15 Jahre Bürgerkrieg in Liberia sind gerade zu Ende gegangen. Mehr als 250.000 Menschen starben. Diejenigen, die überlebt haben, sind traumatisiert. Die Infrastruktur ist zerstört, die Wirtschaft liegt am Boden.
Eine mitreißende Rede über Hygienepraxis
Die Veranstaltung, die ich am Abend besuche, gibt mir jedoch Hoffnung: Ich verfolge den Miss- und Mister-Hygiene-Wettbewerb in Zwedru, einer Provinzhauptstadt im Südosten, einer der ärmsten Regionen des Landes. Die Ebola-Krise, die 4.809 Todesopfer gefordert hat, hat das Land verändert. Die Menschen sind sich nun der Bedeutung von guter Hygienepraxis viel bewusster. Die Welthungerhilfe hat zusammen mit Eltern-Lehrer-Komitees diesen Wettbewerb in den Schul-Gesundheitsgruppen organisiert. In jedem Verwaltungsbezirk wurden fünf Mädchen und fünf Jungen aus insgesamt 1.750 jungen Teilnehmern ausgewählt. Im Laufe des Abends stellen sie sich dem Publikum vor, etwa 250 Bewohnern Zwedrus. Sie beantworten Fragen zu Hygiene, Ernährung und Umwelt und erklären in einer mitreißenden Rede, wie sie ihr Wissen zukünftig einsetzen wollen, um gute Hygienepraxis in ihren Gemeinden zu fördern.
Dieser Abend lässt mich über die Jugend auf dem Land nachdenken: Während Monrovia enorm wächst, ist der ländliche Raum für Jugendliche immer unattraktiver geworden. Mit einem Experte einer EU-Delegation diskutiere ich die Notwendigkeit, die Bildungs- und Arbeitsmöglichkeiten für Jugendliche auf dem Land zu verbessern. Die Welthungerhilfe und andere Organisationen wie etwa IBIS und Medica Mondiale haben in der Vergangenheit großartige Arbeit beim Wiederaufbau des Landes geleistet. Doch Ebola veränderte alles.
Nach Wachstumsraten von 8,7 Prozent im Jahr 2013 und 6 Prozent 2014 lag das Wirtschaftswachstum 2015 unter 1 Prozent. Erst kürzlich hat die internationale UN-Friedensmission in Liberia die Verantwortung für die Sicherheit den liberischen Behörden offiziell übertragen – ein weiterer Faktor, der einen Effekt auf die Wirtschaft hat, aber auch das Risiko für die 2017 anstehenden Präsidentschaftswahlen erhöht.
In dieser Zeit der Unsicherheit und wirtschaftlicher Rückschritte arbeitet die Welthungerhilfe mit der einheimischen Bevölkerung zusammen, um Einkommen, Ernährung und soziale Infrastruktur, wie etwa Krankenhäuser, Schulen, Straßen und Landwirtschaft, zu verbessern.
Dank der Spenden hat sich vieles zum Besseren gewendet
Mit der Unterstützung privater deutscher Spender und den Geldern der deutschen Entwicklungsbank KfW hat sich in den letzten Jahren vieles zum Besseren gewendet. Mehr als 35 Millionen Euro wurden in den abgelegenen Südosten investiert, durchaus mit guten Ergebnissen.
Aber es gibt immer noch viel zu tun: Während meines Aufenthalts im Bezirk Grand Gedeh sprach ich mit der Vorsitzenden eines Bauernverbandes. Sie betonte die Vorteile einer gesunden Ernährung und die Notwendigkeit, dass Kinder frische sowie vitaminreiche Nahrungsmittel bekommen und dass sie weiterhin andere Bewohner in der Gemeinde überzeugen muss.
Partner
In Kooperation mit: Welthungerhilfe, Partnerorganisationen IBIS und medica mondiale e.V.
Mit Unterstützung von:
KfW - Kreditanstalt für Wiederaufbau
Verantwortliche Stelle: Liberianisches Ministerium für Wirtschaft und Planung (MPEA)
Einige der limitierenden Faktoren für den quantitativen wie auch qualitativen Ausbau der Landwirtschaft sind die Verfügbarkeit von gutem Saatgut in der Region, der mangelnde Zugang zu Märkten aufgrund schlechter Straßenverhältnisse und fehlende Markteinrichtungen. Letzterer wurde erst kürzlich angegangen, indem weitere Markthallen in kleinen Städten gebaut wurden. Kleinbauern können jetzt ihre Produkte an Orten vermarkten, die erreichbar sind und Schutz bieten sowie über eine Infrastruktur mit Wasser, Toiletten etc. verfügen.
Ebola hat den Menschen bewusst gemacht, dass Hygiene ein Schlüssel für bessere Gesundheit und die Verhütung von tödlichen Krankheiten ist. Die Gemeinden erhalten Schulungen zur Hygienepraxis. Open defecation, also das Verrichten des „Geschäfts“ unter freiem Himmel, soll vermieden werden – Latrinen müssen her. Gemeindemitglieder errichten Handwaschbecken, Duschen und Toiletten in Eigenregie – wir bieten lediglich Beratung und Schulungen. Das garantiert maximale Nachhaltigkeit der sanitären Einrichtungen.
Der Krieg ist vorbei! Jetzt stehen Fragen zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung auf dem Plan.
Matthias MoggeAber nicht nur die Sanitärversorgung sollte verbessert werden, um Krankheiten zu verhindern. Gesunde Ernährung ist ebenfalls ein wichtiger Faktor. Als Proteinquelle essen viele Menschen bush meat – Fleisch von zum Beispiel Affen, Buschratten oder Fledermäuse. Diese Tiere können viele Krankheiten übertragen, unter anderem Ebola. Daher raten wir den Menschen strengstens davon ab, weiterhin Buschfleisch zu sich zu nehmen.
Eine Schnecke wiegt ein Kilogramm
Unser Team im Südosten experimentiert derzeit mit Schnecken als Alternative. Die Schnecken vermehren sich und wachsen in Gärten, wo sie frische Nahrung finden. Nach ein paar Monaten wiegen sie bis zu einem Kilogramm und können auf dem Markt verkauft werden. Das Projekt ist noch in der Pilotphase, aber die ersten Ergebnisse sind vielversprechend. Das könnte eine zusätzliche Einkommensquelle für die Bäuerinnen und Bauern bedeuten und zugleich die Übertragung von tödlichen Krankheiten verhindern. Dies ist ein Beispiel dafür, dass Einkommensgenerierung in der Landwirtschaft möglich ist und dass Organisationen wie die Welthungerhilfe helfen können, neue Techniken auszuprobieren und damit Risiken zu vermindern – während die Bäuerinnen und Bauern auf ihren eigenen Füßen stehen.