Die Arbeit der Welthungerhilfe in Südsudan
Nichts ist einfach im Südsudan
Nach den Kämpfen im Juli sind 4,8 Millionen Südsudanesen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die Lage bleibt trotz Waffenstillstand weiterhin unüberschaubar und gefährlich.
Die andauernde Gewalt in Südsudan bereitet den Vereinten Nationen grosse Sorgen. Ein Sonderbeauftragter fordert ein Waffenembargo. Die Welthungerhilfe muss ihre Arbeit ständig der aktuellen Sicherheitslage anpassen.
Was macht die Welthungerhilfe im Südsudan?
Bis zum Ausbruch der Unruhen hatten wir sechs Projekt-Standorte: In Bentiu, im größten Binnenvertriebenenlager der UN mit ca. 190.000 registrierten Binnenflüchtlingen, verteilen wir monatlich Nahrungsmittel. Und in den Sumpfgebieten Nyal und Ganyiel, die nur per Helikopter erreichbar sind, versorgen wir über Flugzeugabwürfe (Airdrops) fast 149.000 Menschen. In Teilen Unity States wird weiterhin gekämpft, sodass sowohl in Bentiu als auch in Ganyiel/Nyal zusätzliche IDPs angekommen sind. Darüber hinaus ist in Unity State Cholera ausgebrochen, in Ganyiel und Nyal verteilt die Welthungerhilfe daher Nothilfe-Kits mit WASH-Artikeln.In Nyamlel in Northern Bahr el Ghazal dagegen sind wir seit langem mit Landwirtschaftsprojekten vor Ort. Dort kann die Landwirtschaft die Menschen prinzipiell ernähren. Momentan gibt es auch dort einen massiven Nahrungsmangel aufgrund sehr hoher Preise, einer Schädlingsplage und weil es viel zu wenig geregnet hat. Da müssen wir die Projekte an die akute Notlage anpassen. Dann haben wir noch ein Projekt zur ländlichen Entwicklung und Alphabetisierung in Morobo und Magwi.
Was machst du genau im Südsudan, was sind deine Aufgaben?
Ich koordiniere die Projekte vom Büro in Juba aus und nehme regelmäßig an den Clustertreffen der UN teil. Meine Tage sind randvoll mit Arbeit. Man kommt selten unter 9 Stunden aus dem Büro: Projekteberichte, Berichte an die Geber oder dieses oder jenes Cluster, Anfragen aus der Zentrale beantworten, mit den Projektleitern die Umsetzung der Projekte planen oder neue Projektanträge entwickeln – der Bedarf an humanitärer Hilfe ist riesig. Und dass die Arbeit im Südsudan so aufwändig ist, liegt vor allem auch an der schlechten Infrastruktur. Fast keiner unserer Projektorte ist auf dem Landweg erreichbar. Das macht die Logistik so wahnsinnig aufwendig – für jede Anlieferung an unsere Standorte muss ein Helicopter des UN-Clusters organisiert werden. Dazu kommt schlechte Ausstattung, Strom gibt es nur über Generatoren und Solarsysteme, und wir bekommen im Büro z.B. Internet nur über Satellitenversorgung.
Flucht und Migration
Welche Perspektive siehst du für den Südsudan?
Schwierig. Ein Problem ist, dass es alle Dienstleistungen wie Ärzte, Schulen oder Lebensmittel nicht mehr in den Dörfern gibt, aus denen die Menschen vor den Kämpfen flüchten mussten, sondern vielerorts nur noch in UN-Lagern wie in Bentiu. So fehlt den Menschen die Motivation zurückzukehren. Im Frühjahr gab es Hoffnung, da haben wir die Beyond –Bentiu-Strategie verfolgt und Nahrungsmittel in den Dörfern verteilt, andere Organisation haben medizinische Versorgung oder andere Hilfsgüter verteilt, damit die Menschen dort ihr Leben wiederaufnehmen. Aber das mussten wir abbrechen. Das Land braucht dringend eine politische Lösung.
Sicherheit ist weiterhin unsere größte Sorge. In weiten Teilen des Landes wird weiterhin sporadisch oder mit einiger Regelmäßigkeit gekämpft, vor allem in der Greater Upper Nile Region sowie in der Greater Equatoria-Region im Süden des Landes. Die Equatorias waren bisher der Brotkorb des Landes, seit Juli ist dies jedoch der Hotspot des Konflikts und verschiedene Truppen und bewaffnete Militias marodieren und überfallen Dörfer, sodass ein Großteil der Bevölkerung entweder nach Uganda und Kenia oder in den unzugänglichen Busch geflohen ist – insgesamt sind nun über drei Millionen Südsudanesen auf der FLucht. Ernten verkommen deshalb und schon jetzt warnen FEWSNET und die UN vor einer weiteren massiven Ernährungskrise im nächsten Jahr. Die Welthungerhilfe musste die Projektstandorte in Magwi und Morobo mit Ende des Projekts dort auch aus Sicherheitsgründen aufgeben.
Wie du den Ausbruch der Kämpfe in Juba erlebt hast, hast du eindrücklich im Blog beschrieben. Wie lief die Evakuierung?
Erstaunlich reibungslos. Wir haben ein paar angespannte Tage mit gepackten Sachen im Guesthouse verbracht, und als am 12. Juli der Anruf kam, ihr müsst in 10 Minuten am Flughafen sein, waren wir sofort startklar. Unser Kollege Josef Frei hatte uns über die ISOS-Versicherung einen Platz in einer Maschine gesichert, mit der auch andere ausländische Helfer ausgeflogen wurden.
Wie verarbeitet man so einen Schock, wie den kurzen Krieg?
Die Welthungerhilfe empfiehlt ihren Mitarbeitern, zu Experten für Traumabewältigung zu gehen, z.B. in Köln. Ich habe das gern genutzt. Vieles, was ich dort gehört habe, hat mich bestärkt. Zum Beispiel: Ich sollte mir nicht einreden lassen, dass es mir nicht gut geht. Denn es geht mir gut, und ich hatte manchmal fast das Gefühl, mich angesichts der vielen besorgten Fragen dafür rechtfertigen zu müssen. Und man erfährt auch, dass es normal ist, jetzt auch mal schlechte Träume zu haben. Das muss keinesfalls bedeuten, dass Alpträume Dauerzustand werden.
Wie geht es für dich weiter?
Nach der ersten Evakuierung bin ich wieder zurück in den Südsudan und wurde dann vorübergehend noch einmal vorübergehend nach Uganda ausgereist. Von dort habe ich weiterhin die Projekte im Südsudan koordiniert. Mittlerweile ist unser Team wieder komplett und die Projekte laufen alle normal. Ich mag meinen Job in Juba. Es ist eine interessante Arbeit. Wir sind ein tolles Team, mit Kollegen aus 12 verschiedenen Ländern, z.B. aus Schweden, Frankreich, Burundi, Liberia, Italien und Kenia, und wir helfen, so gut es unter diesen schwierigen Bedingungen möglich ist. Unsere Nothilfe ist nicht nachhaltig, aber überlebensnotwendig – wir können die Menschen doch nicht einfach verhungern lassen.
Das Interview erschien in der Welternährung 3/2016 und wurde geführt von Birgit Rücker, Mitarbeiterin der Welthungerhilfe in Bonn.