Weltweit steigt die Zahl der Wetterextreme. Als Folgen des Klimawandels haben Dürren oder Überflutungen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit von Millionen Menschen.
Mit Bäumen und Honig gegen Klimakatastrophe und Hunger
Industrieländer machen Milliardeninvestitionen in die Technologie-basierte Einsparung oder Einlagerung von CO2. In Somaliland haben derweil Dorfgemeinschaften begonnen, hunderttausende Tonnen CO2 dauerhaft mit natürlichen Methoden einzulagern. So schützen sie das Klima, ihre direkte Umwelt – und schaffen Einkommensmöglichkeiten.
Viele Dörfer in Somaliland stehen vor einer lebensbedrohlichen Herausforderung. Mangelndes Weidemanagement, Rodungen zur Holzkohlegewinnung und häufigere, längere Dürreperioden zerstören die natürliche Vegetation. Schafe, Ziegen und Kamele finden kein ausreichendes Futter mehr – und den Menschen wird so die Lebensgrundlage entzogen. Die ungeschützten Böden erodieren immer schneller, eine mögliche Erholung der Vegetation wird immer unwahrscheinlicher. Quellen trocknen aus, der Grundwasserspiegel sinkt in unerreichbare Tiefen. Es gibt mittlerweile Tausende von Familien, die die Hälfte ihres Einkommens für Wasser ausgeben, das mit Tanklastwagen aus über 50 Kilometer Entfernung geliefert wird. Ein kleineres, aber nicht unerhebliches Problem: Die Dörfer können mit schwindender Vegetation immer weniger Honig produzieren.
In Diskussionen mit betroffenen Gemeinden – in Somaliland sind das fast alle – wiederholen sich die Kernaussagen zum Problem: Wenn wir die Wasser- und Futtergrundlage für unsere Tiere nicht sichern können, werden wir unsere Gebiete verlassen und in die Städte ziehen müssen. Landwirtschaft ist keine Alternative – zu gering die Niederschläge, zu teuer oder unmöglich die Bewässerung. Holzkohlegewinnung zerstört zwar unsere Futterbäume, sie ist aber oft die einzige Einkommensquelle.
Wie können wir beides bekämpfen – Armut und Klimawandel?
Für die Welthungerhilfe sah das zunächst aus wie eine unlösbare Gleichung. Kann man verarmten Gemeinden zusätzliche Herausforderungen zumuten, um langfristige ökologisch-ökonomische Ziele zu erreichen? Die sich jetzt bewährenden Lösungen sind naheliegend, einfach und in kleinen Schritten umzusetzen. Sie bauen auf die Tatkraft der Betroffenen, auf die Regenerationskraft der Natur und auf die begrenzten Mittel und das technische Wissen von außen. Nach einer Serie von Veranstaltungen im Dorf und einer Bestandsaufnahme steht am Ende ein Vertrag, der ein zunächst kleines Areal von 20 bis 200 Hektar zum Schutzgebiet erklärt und konkrete gemeinsame Maßnahmen benennt. Unterzeichnet haben diesen Vertreter des Dorfes, das Umweltministerium und die Welthungerhilfe.
Mehr Futter, Wasser, Klimaresilienz und höhere Einkommen
Die Menschen in den Dörfern haben dank des Projekts ein neues Einkommen gefunden: In bezahlten Jobs bauen sie Trockensteinmauern und Gräben, um Wasser und Böden im Schutzgebiet zu halten. So wird Einkommen gesichert und gleichzeitig die Erholung der Vegetation beschleunigt. Das Einbringen von Gras- und Baumsamen hilft dabei zusätzlich. Die Welthungerhilfe schult in moderner Bienenhaltung und stellt eine Erstausstattung optimierter Bienenstöcke zur Verfügung. Die geschützte Vegetation vervielfacht die Ernte von Honig, in Somaliland ein teures und begehrtes Produkt. Honig ist ein starkes Argument, den Schutz der Vegetation ernst zu nehmen.
Mittelfristig können die Viehhalter*innen schon im dritten Jahr vorsichtig mit der Grasernte beginnen, in späteren Jahren können die Tiere in Notzeiten auf den Wiesen weiden. An tiefergelegenen Stellen des Schutzgebietes können Brunnen gegraben werden, die länger oder gar ganzjährig Wasser führen. Solarpumpstationen können Dörfer direkt mit sauberem Trinkwasser versorgen. Bisher sind über 1.000 Hektar durch 12 Gemeinden auf diese Weise geschützt und genutzt. Ausnahmslos alle Gemeinden haben um Unterstützung gebeten, diese Gebiete auszuweiten.
Trockengebiete lagern Kohlenstoff ein und schützen das Klima
Trockengebiete, vor allem diejenigen, die nomadisch bewirtschaftet werden, haben einen klaren Standortvorteil. Durch den höheren Wurzelanteil (60-80 Prozent der gesamten Biomasse) wird Kohlenstoff länger und zuverlässiger eingelagert. Es besteht zudem keine Konkurrenzsituation zur Nahrungserzeugung: mehr Vegetation – mehr Futter – mehr Nahrung – mehr CO2-Einlagerung. Typisch für Trockengebiete sind die Nutzer: Kamele und Ziegen nutzen Büsche und Bäume, mit wenigen Schafen, die vor allem Gras beweiden.
Technologiebasierte vs. naturbasierte Einlagerung von CO2
Zwei Beispiele sollen die Kosteneffizienz verdeutlichen:
- Der Kauf eines Elektroautos, für z.B. 40.000 Euro, hat ab dem z.B. fünften Jahr eine positive CO2-Bilanz. Mit dieser Investition können 200 Hektar vier Jahre geschützt und die Regeneration gefördert werden. Acht Familien haben ein dauerhaftes Auskommen, weit über vier Jahre hinaus und 4.000 Tonnen CO2 sind eingelagert, bevor das e-Auto erst beginnt, klimafreundlich zu sein.
- Grotesk wird die Relation beim Beispiel Kernkraftwerk: Die 20 Milliarden Euro, die wir als Investitionskosten für ein Kernkraftwerk annehmen und nach Planung und Rückzahlung der CO2 Investitionen in 15-20 Jahren positiv klimawirksam werden, könnten 50 Millionen Hektar schützen, 3,75 Milliarden Tonnen CO2 einlagern und über 12 Millionen Pastoralisten ein würdiges Leben sichern. Beginnend jetzt, nicht erst in 15 Jahren.
Die sehr geringen Kosten und CO2-Investitionen pro langfristig eingelagerter Tonne CO2 und die hohe Qualität dieser Tonne für die Lebensumstände der Menschen, sollte Gebietsschutz in Trockengebieten zu einem hoch attraktiven klima-relevanten und entwicklungspolitischen Investitionsziel machen.
Das Projekt wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert.