Klimawandel: Eine Bedrohung für Umwelt und Menschen
Gesunde Ernährung für Mutter und Kind
Manchmal kann es Alemie Dawit* kaum fassen, wie sich die Dinge in ihrem Leben entwickelt haben. „Sehen Sie, wie gut sich mein Baby entwickelt“, sagt die Äthiopierin froh. Als jedoch ihr Blick auf ihre siebenjährige Tochter fällt, erlischt ihr Lächeln. Ayana hockt zu ihren Füßen und kritzelt mit einem Stöckchen Figuren auf die trockene Erde. Das Mädchen ist schmal und zart, viel zu klein für ihr Alter. „Für meine Tochter kam das Projekt zu spät“, sagt Alemie bedrückt. „Sie verlor immer mehr Gewicht, war oft krank und wir wussten nicht warum.“
Hunger und Armut bestimmen den Alltag der Menschen
Das Schicksal von Ayana teilen viele Mädchen und Jungen in der Amhara Region: 41 Prozent der Kinder unter fünf Jahren weisen Anzeichen chronischer Mangelernährung auf – sie sind körperlich nicht altersgerecht entwickelt, weil sie weder genug noch ausreichend Nahrhaftes zu essen bekommen. Kein Wunder, denn Armut und Not bestimmen den Alltag der Menschen, die zumeist vom Ackerbau und von der Tierhaltung leben. Doch die Voraussetzungen für Landwirtschaft sind denkbar schlecht, traditionelle Methoden in der Tierhaltung und beim Anbau werden zunehmenden Dürren nicht gerecht und es fehlen Bewässerungsmöglichkeiten. Die Amhara-Region im Norden Äthiopiens ist eines der ärmsten Gebiete am Horn von Afrika. Im trockenen Hochland reichen die Ernten kaum für das Lebensnotwendigste.
Ich wusste doch damals nicht, wie wichtig eine gesunde Ernährung für mich und mein Kind ist.
Alemie Dawit Alemie und ihr Mann sind Teilnehmende eines Landwirtschafts- und Ernährungsprojektes der Welthungerhilfe.„Unser Leben war sehr schwer“, erzählt Alemie, „Wir hatten einen Ochsen, mit dem wir unser kleines Feld bestellten. Wir haben hart gearbeitet und so angebaut wie schon unsere Eltern und davor deren Eltern. Aber die Ernte reichte kaum zum Überleben. Wir hatten keine Reserven, oft fehlte uns Saatgut, wenn wir eigentlich hätten säen müssen.“ Die Familie ging deshalb oft hungrig ins Bett und lebte von einer Mahlzeit am Tag. Lebensmittel wie nährstoffreiches Gemüse, Obst, Fleisch oder Milchprodukte waren für sie unerschwinglich. Ihre Ernährung änderte sich auch nicht, als Alemie mit Ayana schwanger wurde.
Die ersten 1.000 Tage entscheiden über die Entwicklung eines Kindes
„Ich wusste doch damals nicht, wie wichtig eine gesunde Ernährung für mich und mein Kind ist“, sagt Alemie. Auch den Älteren im Dorf war nicht klar, dass Schwangere und stillende Mütter besonders auf ihre Ernährung achten müssen. Woher auch? Niemand in der abgelegenen Region hatte jemals von dem entscheidenden Zeitfenster gehört. Die ersten 1.000 Lebenstage beeinflussen die Entwicklung des gesamten Lebens. Also litt Ayana wie so viele andere Kinder im Dorf an chronischer Unterernährung.
Alles begann anders zu werden, als das Team von ORDA (Organization for Rehabilitation and Development in Amhara) in der Gemeinde aktiv wurde. Die äthiopische Partnerorganisation der Welthungerhilfe stellte das Projekt zur nachhaltigen Nahrungs- und Ernährungssicherheit im Hochland von Amhara vor. Dafür trommelte die Gemeindeverwaltung die Menschen aus den umliegenden Dörfern zusammen. Auch Alemies Mann Tarko nahm teil und registrierte sich. „Kurze Zeit später erhielten wir 50 Kilogramm Weizen, Malzgerste und Hirse“, erzählt Alemie.
Neue landwirtschaftliche Techniken bringen den Erfolg
Die Fachkräfte von ORDA schulten die Teilnehmenden in verbesserten landwirtschaftlichen Techniken. „Wir lernten, das Korn in Reihen auszusäen und zu düngen“, berichtet Alemie. „Mein Mann pflügte das Feld mit unserem Ochsen, ich ging hinter ihm her und brachte die Saat aus.“ Und die ging auf: Gleich die erste Ernte brachte dem jungen Paar 900 Kilo Ertrag. „Davon konnten wir uns gut ernähren, jetzt gab es auch nachmittags regelmäßig Essen, und wir konnten noch etwas auf dem Markt verkaufen.“
Von den Einnahmen erwarben sie ein größeres Stück Land direkt an der Straße und bauten ein Haus aus Holzlatten, Ästen, Lehmverputz und Wellblechdach. Alemie lernte alles Wichtige über Hühnerhaltung, Eierproduktion und Schafzucht. Sie erhielt Küken und Futter vom Projekt, außerdem einen Schafbock der widerstandsfähigen Washera-Rasse, mit dem sie eine kleine Schafherde aufgezogen hat. Die Eier verkauft sie ebenso an der Straße wie Holz zum Kochen und Heizen. Das Holz gibt es mittlerweile aus den drei gemeinschaftlichen Forstflächen des Projektes, auf denen arbeitslose junge Menschen ihren Lebensunterhalt verdienen und gleichzeitig die Umwelt schützen.
Die Folgen des Klimawandels sind deutlich spürbar
In der äthiopischen Savannenlandschaft wird besonders deutlich, wie eng Hunger und Armut mit den Folgen des Klimawandels verknüpft sind: Wetterextreme wie langanhaltende Dürren oder plötzliche Starkregen und Überschwemmungen werden seit Jahren häufiger und heftiger. Die Ernten gehen zurück, die Menschen fällen immer mehr Bäume für neue Ackerflächen oder Brennholz. Dadurch verarmen die Böden, Wind und Wasser tragen die fruchtbare Bodenkrume ab, die Erträge brechen erneut ein. Hinzu kommt der akute Wassermangel.
Junge Mütter erhalten Ernährungs-Schulungen
Das Projekt von Welthungerhilfe und ORDA geht diese Probleme an und findet Lösungen. Rund 15.000 Menschen profitieren von den Aktivitäten: Obst- und Gemüsegärten werden angelegt, Flächen aufgeforstet, Brunnen gebaut und nachhaltige Anbaumethoden eingeführt. Alemie nahm an Ernährungsberatungen und einer praktischen Schulung zu gesundem Kochen teil. Gemeinsam mit den anderen Frauen des Dorfes hat sie Karotten, Zwiebeln und Kohl angebaut, nährstoffreichen Babybrei gekocht, die Vorzüge des Stillens und Hygieneregeln kennengelernt. Die junge Mutter ist froh: „Dereje hatte so viel mehr Glück als seine große Schwester, von Anfang an mangelte es ihm an nichts.“
Ihr Gespartes investierten Alemie und Tarko in eine Getreidemühle. „Die Mühle gibt uns ein Einkommen, aber sie ist auch für die Gemeinschaft wichtig, weil die Leute nicht mehr bis in die Stadt müssen“, sagt Tarko Dawit. Es läuft so gut, dass sie zehn junge Männer für die schweren Arbeiten wie das Schleppen der Säcke und einen Wachmann beschäftigen.
Das Paar möchte seine Chancen weiter nutzen. „Wir wollen unseren Hof ausbauen und ein kleines Geschäft eröffnen“, sagt Alemie. Aber das Wichtigste für die Eltern ist, dass ihre Kinder gesund aufwachsen. Dafür haben sie den Grundstein gelegt. Selbst Ayana wird ihren Weg jetzt leichter gehen.
Das Projekt in der Amhara-Region, von dem bislang rund 60.000 Menschen profitiert haben, hat erste Erfolge erzielt: So haben beispielsweise 84% der beteiligten Frauen mittlerweile Zugriff auf abwechslungsreiche Kost, die Mangelernährung vorbeugt. Dennoch bleibt viel zu tun. Im bereits angelaufenen Folgeprojekt wirken wir noch stärker auf die strukturellen Ursachen der Probleme ein: Wir wollen die Nahrungsmittelproduktion weiter verbessern und nachhaltig gestalten. Dabei soll die Rolle von Frauen noch mehr gestärkt werden.
*Alle Namen wurden geändert.
So hilft die Welthungerhilfe in der Amhara-Region:
- Degradierte Böden werden rehabilitiert und die biologische Vielfalt des Gebiets wird verbessert.
- Kleinbäuer*innen erhalten Saatgut und lernen in Schulungen verbesserte landwirtschaftliche Techniken kennen, um ihre Erträge zu steigern.
- Neue Obst- und Gemüsegärten sorgen für zusätzliches Einkommen und eine gesündere Ernährung.
- Frauen lernen in Trainings, wie sie sich und ihre Kinder gesund ernähren und welche Vorzüge das Stillen hat. Nach der ersten Projektphase haben mittlerweile 84% der Frauen Zugriff auf hinreichend abwechslungsreiche Kost.
- Der Zugang zu sauberem Wasser wird durch den Bau von Brunnen verbessert.