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22.03.2023 | Blog

Die Skepsis überwinden – Hygiene, die schützt

Karamoja im Nordosten Ugandas ist eine der ärmsten Regionen des Landes und der Welt. Seit fünf Jahren ist die Welthungerhilfe hier im Bereich WASH (Wasser-, Sanitärversorgung und Hygiene) tätig. In sehr persönlichen Berichten der Menschen aus den Dörfern zeigen sich die Schwierigkeiten und die Erfolge des Projekts.

Menschen füllen an einem Brunnen Wasser ab
Eine Trinkwasserstelle nahe den Häusern spart Zeit und schützt Frauen und Kinder vor gefährlichen Wegen. © Welthungerhilfe
Kerstin Bandsom Team Communications (bis Februar 2024)

Das Dorf Kanakomol existiert nicht bei Google Maps. Unbeachtet von der Welt liegt es irgendwo mitten in der Savannenlandschaft der Region Karamoja. Wolfsmilch-und Akaziengewächse sprießen hier am Rand der staubigen Straßen. Bis vor wenigen Jahren suchten Kanakomol regelmäßig verheerende Cholera-Epidemien heim. Durchfall und Krätze gehörten zum Alltag, genau wie die allgegenwärtige Armut, das Hoffen auf Regen und die Angst vor dem Hunger.

Selbst gebaute Trockenkomposttoiletten verhindern Krankheiten

Betty Lomuria hat die gesamten 24 Jahre ihres Lebens in Kanakomol verbracht. Ihre Kinder sind hier geboren, eins davon ist behindert. Gerade zu der Zeit, als ein großer Cholera-Ausbruch die Region heimsuchte und mangelnde Hygiene als ein Hauptgrund dafür bekannt wurde, begann das WASH-Programm der Welthungerhilfe. Also entschloss sich Betty, daran teilzunehmen, und zwar an der Pilotphase für Trockenkomposttoiletten. „Wir erhielten eine Anleitung und Material wie Holz, Eimer und Reinigungsmittel. Damit baute ich eine Toilette neben meinem Haus“, erzählt sie.

Doch dann begann eine frustrierende Zeit: „Wir mussten mit dem Entleeren der Abfälle zurechtkommen. Meine Familie nutzte die Toilette nur widerwillig, und die Nachbarschaft klagte, wir seien ein Schandfleck im Dorf, weil wir uns in einen Eimer erleichterten“, erzählt Betty. „Erst als mein Mann sah, dass die Umgebung unseres Hauses sauber blieb und es keine Fäkalien mehr gab wie früher, nahm meine Familie die neue Technologie langsam an. Mein Mann sah auch, dass die Toilette den Bedürfnissen unseres behinderten Sohnes entgegenkam. Außerdem gab es keine Fliegen mehr und dadurch weniger Krankheitsfälle.“

Eine Komposttoilette in einer Hütte
Komposttoiletten neben den Wohngebäuden leisten einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Hygienesituation. © Welthungerhilfe

Komposttoiletten funktionieren ohne Wasser und Chemie

Wie das zusammenhängt, hat Betty in Schulungen gelernt: „Jetzt verstehe ich, wie gefährlich es ist, sich im Freien zu erleichtern,“ sagt sie. „Ich weiß, wie wichtig eine gute Hygiene- und Sanitärpraxis ist, um gesund zu bleiben.“ Genau dafür sind Trockenkomposttoiletten ein vielversprechender Ansatz. Sie sind einfach herzustellen und zu reinigen, und sie funktionieren ohne Wasser und Chemie. Mit Spänen oder Abfallprodukten aus der Ernte abgedeckt, riechen sie nicht und ziehen keine Fliegen an. Auch für Tom Olak, Gemeindevorsitzender des Dorfes Namalu, ist damit endlich ein Problem gelöst. „Acht Grubenlatrinen habe ich nacheinander gebaut“, berichtet er. „Dann hatte ich einfach keine Lust mehr. Denn immer, wenn es stark regnete, kamen die Fäkalien aus der Latrine und überschwemmten das ganze Gelände!“

Grubenlatrinen waren vor dem Projekt ein erster Versuch, „open defecation“, also das Erleichtern im Freien, zu verhindern. Doch da sie schlecht rochen und die Entleerung teuer und schwierig war, setzten sie sich nicht durch. Erneut führte die mangelnde Hygiene massiv zu Erkrankungen, Durchfall war in der Region nach Malaria die zweithäufigste Todesursache bei Kleinkindern. Erst die Kompostlösung änderte in diesem Gebiet mit seinem extrem flachen Grundwasserspiegel alles. Die Toiletten funktionierten auf Anhieb einwandfrei und wurden nach anfänglicher Skepsis akzeptiert. „Die Leute im Dorf wollen gerne noch mehr davon haben“, sagt Tom. „Wir alle sehen, dass die Erkrankungen enorm zurückgegangen sind.“

Immer mehr Hygienemaßnahmen fließen in den Alltag ein

Händewaschen vor dem Essen, Ausheben von Müllgruben, Bau von Ständern zur Aufbewahrung von Geschirr und anderen Utensilien, die zuvor auf dem Boden lagen, wo Tiere sie verunreinigten – immer mehr der Hygienemaßnahmen fließen in den Alltag der Menschen ein und zeigen Wirkung. „Wir überprüfen in regelmäßigen Abständen, ob die Fortschritte, die wir in den Dörfern gemacht haben, anhalten“, sagt Projektleiter Stephen Elilu. Für die Region Karamoja tun sie das: Rund zehnmal so viele Menschen nutzen nun Möglichkeiten, ihre Hände im eigenen Haushalt zu waschen. Der Anteil der Schüler*innen, die Wasser- und Sanitäreinrichtungen in der Schule benutzen, stieg gar von null auf fast 100 Prozent. Die Möglichkeit zur Nutzung sanitärer Anlagen stieg in der gesamten Region von 25 auf gut 60 Prozent. Das Dorf Kanakomol feierte sogar die Zertifizierung „Open Defecation Free“.

Mann steht an einer erhöhten Ablage für Geschirr
Erhöhte Ablagen verhindern, dass auf dem Boden abgestelltes Geschirr von Tieren verunreinigt wird, und tragen so zur Verbesserung der Hygiene bei. © Welthungerhilfe

Der Zugang zu Trinkwasser ist neben Hygiene und Sanitärversorgung die dritte große Säule von WASH. Lange nutzten die Menschen in Karamoja überwiegend unsichere Wasserstellen. Im Rahmen des Projekts wurden nun Sammelanlagen für Regenwasser errichtet, Bohrlöcher saniert und Schulen auf ein solarbetriebenes Wassersystem umgerüstet. Im gesamten Gebiet verbessern Auffangtanks und Rinnen den Zugang zu sicherem Wasser. Neue Bohrlöcher innerhalb der Siedlungen verringern die Gefahr, dass Frauen beim Wasserholen überfallen werden, und für das Vieh wurden separate Wasserstellen eingerichtet. In jedem Dorf kümmert sich ein Wassernutzer*innen-Ausschuss um Verwaltung und Instandhaltung der Anlage.

93 % der Führungspositionen in den Wasserausschüssen der Region sind Frauen

Zu Beginn war es alles andere als einfach, die Menschen davon zu überzeugen, ihre nie in Frage gestellten Gewohnheiten im Hinblick auf Hygiene zu verändern. „Schon immer haben wir Wasser aus flachen Brunnen und Lagunen geschöpft und mit den Tieren geteilt“, sagt Angellina Lomonyang. Sie lebt in Kidepo im Distrikt Moroto. „Seitdem ich dieses Programm kenne, habe ich viele Dinge gelernt, die mir und meiner Familie ein gesundes Leben ermöglichen“, sagt Angellina.

Für mich ist WASH ein Programm, das den Weg für andere Projekte geebnet hat. Wir sehen Veränderungen auch bei ganz anderen Themen wie Kinderschutz, Stärkung der Rolle der Frau und vielem mehr.

Angellina Lomonyang Kidepo, Distrikt Moroto

Sie hat eine Theatergruppe gegründet und gibt ihr Wissen nun spielerisch weiter. Die Aufführungen bewirken, dass viele Menschen ihre Wahrnehmung und Einstellung zur WASH-Entwicklung ändern. Inzwischen ist Angellina Vorsitzende ihrer Gemeinde. „Für mich ist WASH ein Programm, das den Weg für andere Projekte geebnet hat“, sagt sie. „Wir sehen Veränderungen auch bei ganz anderen Themen wie Kinderschutz, Stärkung der Rolle der Frau und vielem mehr.“ 93 Prozent der Führungspositionen in den Wasserausschüssen der Region nehmen inzwischen Frauen ein.

"Auch Menschen mit Behinderungen nehmen nun aktiv am Leben teil"

Betty Lomuria, die als eine der ersten in Kanakomol eine Komposttoilette baute, erzählt: „Für mein Kind ist es ein Segen. Auch Menschen mit Behinderungen nehmen nun aktiv am Leben teil. Die Stigmatisierung ist zurückgegangen.“ Immer wieder zeigen die WASH-Projekte der Welthungerhilfe, dass deren direkte Auswirkungen einen Kreislauf in Gang setzen: „Vier meiner Kinder gehen noch zur Schule“, sagt Simon Longole, dessen Familie von einem Brunnenbau profitiert. „Sie müssen nun kein Wasser mehr holen und sind in der Schule viel besser geworden. Auch wir haben viel mehr Zeit für unsere Arbeit.“ Das wiederum bedeutet mehr Einkommen und damit auch mehr Geld für eine bessere Gesundheitsversorgung.

Für viele, die ihre Erfahrung mit uns teilen, hat die Reise gerade erst begonnen. Sie sehen sich noch nicht am Ziel angekommen, aber sie erkennen schon jetzt entscheidende Veränderungen in ihren Gemeinden, für deren Weiterentwicklung sie sich aktiv einsetzen werden. „Die Welthungerhilfe konzentriert sich in Karamoja auf noch nicht erreichte Ziele und die Empfehlungen der Evaluierung. Dazu gehört beispielsweise, die lokale Regierung noch stärker einzubinden, damit strukturelle Probleme angegangen werden können und die Nachhaltigkeit gewährleistet bleibt“, erklärt Projektleiter Stephen Elilu.

Millionen Menschen in Ländern leiden unter den Auswirkungen einer starken Dürre.

Auswirkungen der Klimakrise sind auch in Karamoja zu spüren

Im vergangenen Jahr war die Lage in Karamoja dramatisch: kaum Regen, schlechte Ernten, Mangelernährung. Die Lebensmittelvorräte sind aufgebraucht, auf dem Markt sind die Preise bis auf das Dreifache gestiegen. Es wird von 900 Hungertoten berichtet, doch wahrscheinlich ist die Zahl sehr viel höher. „Manchmal essen wir fünf Tage lang nichts und trinken nur Wasser“, erzählt ein Dorfältester in Karamoja. Die Welthungerhilfe verteilte hier Lebensmittelpakete als Soforthilfe.

Hunger ist eine schlechte Voraussetzung für Gesundheit und Entwicklung. Umso wichtiger, dass das WASH-Projekt bereits viele positive und nachhaltige Veränderungen angestoßen hat. Oder, wie Angellina aus Kidepo sagt: „Hygiene und sanitäre Einrichtungen haben mein Leben verändert. Wenn wir unsere Vorfahren, die vor langer Zeit verstorben sind, zurückholen könnten – sie würden nicht glauben, welche Veränderungen in unserem Dorf stattgefunden haben.“

Karin Grunewald ist freie Journalistin in Köln.

Dieser Text wurde zuerst im Welthungerhilfe-Magazin veröffentlicht (Ausgabe 01/2023).

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