NGOs kritisieren vorgesehene Kürzungen im Etat des Entwicklungsministeriums und in den ODA-relevanten Ausgaben des Auswärtigen Amtes.
Tiefe Einschnitte in Entwicklungszusammenarbeit
Die Bundesregierung hat den Entwurf des Haushalts für 2024 verkündet. Es ist bitter, dass ausgerechnet für die Bereiche humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit wesentlich weniger Mittel geplant sind, als in den Vorjahren – und das, obwohl sich Hunger und Armut in den letzten Jahren verschärft haben.
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung muss laut dem am Mittwoch, den 5. Juli, veröffentlichten Kabinettsentwurf mit 600 Millionen Euro weniger als in 2023 auskommen. Die Kürzungen beim Auswärtigen Amt fallen noch schärfer aus – 1,3 Milliarden Euro weniger – und gehen fast komplett auf Kosten der Mittel für humanitäre Hilfe und Krisenprävention.
Das heißt: Die Mittel für humanitäre Hilfe werden gegenüber dem Vorjahr um knapp 40% reduziert. Diese tiefen Einschnitte in Entwicklungszusammenarbeit und humanitärer Hilfe kommen zu einem Zeitpunkt, an dem die Zahl der akut von Hunger betroffenen Menschen zum vierten Jahr in Folge steigt.
Krise ist für viele auf der Welt noch lange nicht vorbei
Aus dem Bundesfinanzministerium heißt es, der Bundeshaushalt müsse zur Normalität zurückkehren – die Krise ist aber für viele Menschen auf der Welt noch lange nicht vorbei. Tatsächlich war business-as-usual nie ausreichend, um die globalen Nachhaltigkeitsziele in absehbarer Zukunft zu erreichen. Laut Prognosen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der VN (FAO) werden 2030 weiterhin 670 Millionen Menschen an Hunger leiden.
Das VN-Ziel, 0,7% der Wirtschaftsleistung in globale Entwicklung zu finanzieren, wurde von Deutschland für ein halbes Jahrhundert verfehlt. Zwar kann die globale Entwicklung nicht allein durch öffentliche Mittel erreicht werden, ohne diese Mittel aber ist es undenkbar – gerade wo sich die fiskalpolitischen Spielräume in vielen Länder des globalen Südens drastisch verringern. Die aktuelle Finanzplanung geht daher an der Realität vorbei. Hier ist eine Kehrtwende geboten.
Deutschland belegte zuletzt Platz zwei unter den Gebern der offiziellen Efiskntwicklungszusammenarbeit (Official Development Assistance, ODA), allerdings gibt es einige Länder, die proportional zu ihrer Wirtschaftsleistung mehr ODA leisten. Im laufenden Jahr macht die ODA ca. 5% des Bundeshaushalts aus und bewegt sich voraussichtlich wieder um ca. 0,7% des Bruttonationaleinkommens. Das sollte eigentlich kein zu hoher Preis für die Verwirklichung der Menschenrechte und eine zukunftsfähige Welt sein.
Dafür ist die Signalwirkung auf der internationalen Bühne groß. Wenn die Bundesregierung der Finanzierung der globalen Nachhaltigkeitsziele aufgrund von innenpolitischen Auseinandersetzungen niedrigere Priorität einräumt, könnten die Regierungen anderer ODA-Geberländer folgen. Und die Regierungen der Länder des Globalen Südens, die die Agenda 2030 mitunterschrieben haben, dürften das Vertrauen in die Beständigkeit der OECD-Länder verlieren. Wenn die Bundesregierung auf die Stärkung der regelbasierten internationalen Ordnung setzt, dürfen die Prozesse auf höchstem Niveau der Vereinten Nationen nicht unterminiert werden.
Wenn die Politik in Deutschland und anderen Ländern des globalen Nordens den Rest der Welt, insbesondere die am wenigsten entwickelten Länder, aus dem Blick verliert, wird die globale Ungleichheit unvermeidbar wachsen. Es ist also eine politische Entscheidung für eine Welt, die zusammen- oder auseinanderdriftet.
Dabei können die größten Herausforderungen der Gegenwart nur gemeinsam durch die internationale Staatengemeinschaft gemeistert werden. Allem voran die Klimakrise, die massive Investitionen in Klimaschutz und Klimaanpassung benötigt, sowohl im Globalen Norden als auch im Globalen Süden.
Über 85% des deutschen Beitrags zur internationalen Klimafinanzierung stammt aus dem BMZ-Etat. Hier ist eine bedeutende und rasche Steigerung unabdingbar, die mit den aktuellen Haushaltsplänen nicht zu vereinbaren ist. Auch der nächsten Pandemie und dem damit möglicherweise verbundenen wirtschaftlichen Tief kann nur in internationaler Zusammenarbeit entgegengewirkt werden.
Kürzungen konterkarieren politische Bestrebungen auf internationaler Bühne
Konflikte & Krisen führen dazu, dass öffentlichen Haushalte in vielen Ländern unter Druck geraten. Mit ihnen auch die öffentliche Entwicklungsfinanzierung.
Der Bedarf an humanitärer Hilfe steigt seit Jahren aufgrund von multiplen Krisen, aber leider wächst die Finanzierung von Nothilfemaßnahmen international nicht in vergleichbarem Maße an. Das sogenannte Funding Gap betrug im letzten Jahr 33% – das heißt, von 339 Millionen Menschen, die laut dem UN-Nothilfebüro auf lebensrettende Maßnahmen angewiesen waren, konnten nur 230 Millionen versorgt werden. Insgesamt wurden nur 58% der globalen Finanzierungsaufrufe gedeckt.
Gerade jetzt ist es wichtig, dass mehr und neue Geberländer für die internationale humanitäre Hilfe gewonnen werden, und dafür braucht es eine klare Führungsrolle Deutschlands. Den eigenen Beitrag auf das Minimum zu beschränken, konterkariert politische Bestrebungen in dieser Richtung.
Große Fortschritte bei Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind möglich, müssen aber mit Entschlossenheit angegangen werden. Eine zukunftsorientierte Politik muss der globalen Entwicklung und den Menschenrechten einen angemessenen Stellenwert einräumen und die Finanzierung für diese Bereiche dementsprechend sichern.