Factsheet: Hintergrundinformationen zur aktuellen Lage der Rohingya in Bangladesch.
Reisschalen retten Leben
Im größten Flüchtlingscamp der Welt ist das Feuerholz knapp: Die Hänge in Kutupalong sind komplett abgeholzt. Eine Katastrophe für die geflüchteten Rohingya, denn ohne Brennmaterial können sie auch kein Essen zubereiten. Mit neuen Öfen und Reisschalen-Pellets bekommen sie nun einen Ausweg aus der Not.
Glücklich kniet Rozeea vor einem aus Lehm gebauten Ofen. Gerade hat sie einen Topf mit Reis aufgesetzt. Die 25-Jährige ist eine von fast einer Million Rohingya, die vor der Gewalt in Myanmar geflohen sind. Sie lebt jetzt mit ihren vier Söhnen, ihren drei Töchtern, ihrem behinderten Mann und ihren kranken Eltern in Kutupalong, dem größten Flüchtlingscamp der Welt in Bangladesch. Seitdem eine lokale Partnerorganisation der Welthungerhilfe der Mutter einen sparsamen Ofen baute und sie mit Brennmaterial versorgt, weiß Rozeea zumindest, wie sie ihre Familie satt kriegen kann.
„Ich muss mich den ganzen Tag um meine Kinder, meinen Mann und meine Eltern kümmern. Darum kann ich nicht Feuerholz suchen gehen“, sagt die junge Muslima. Rozeea war deshalb gezwungen, ihren knapp bemessenen Reis gegen teures Feuerholz einzutauschen oder Laub, Müll, Plastiktüten, Teile ihrer windschiefen Bambushütte und zuletzt sogar ihre eigenen Kleider zu verbrennen. So konnte sie ihrer Familie zumindest einmal am Tag eine kleine Portion Reis kochen. Fand sie nichts Brennbares, mussten sie und ihre Familie hungrig schlafen gehen.
Ohne Brennmaterial kein Essen
Vor einem Jahr flohen innerhalb weniger Wochen Hunderttausende Rohingya nach Bangladesch. Nirgendwo hatte es je zuvor eine so große Flüchtlingswelle gegeben. Um sich provisorische Hütten zu bauen, rodeten die Geflohenen die zuvor dichtbewaldeten Hügel von Kutupalong. Auf der Suche nach Brennmaterial gruben sie auch die Wurzeln der gefällten Bäume aus. Die Folgen des Kahlschlags sind katastrophal. Seitdem der Monsun im Juni mit heftigen Regenfällen einsetzte, hält an den steilen Hängen nichts mehr den sandigen Boden fest, immer wieder kommt es zu Erdrutschen. Viele Flüchtlinge wurden so von Schlammlawinen verschüttet, einige starben, darunter mehrere Kinder. Und die schlimmsten Regenfälle stehen möglicherweise noch bevor.
Darum startete die Welthungerhilfe im Mai mit einer langjährigen Partnerorganisation aus Bangladesch ein Ofen- und Brennmaterial-Projekt. Mehr als 12.000 Menschen haben davon bereits profitiert, die Hälfte von ihnen sind Kinder. „Weil die Hänge rund um das Flüchtlingslager bereits komplett abgeholzt sind, mussten die Flüchtlinge auf der Suche nach Brennbarem immer weitere Strecken zurücklegen. Sie waren oft stundenlang unterwegs, nur um ein paar Stöckchen zu finden“, berichtet Margret Müller, die das Welthungerhilfe-Projekt im größten Flüchtlingscamp der Welt leitet.
Kochen mit Reisschalen-Pellets
Vergewaltigungen bei der Feuerholzsuche
Feuerholzsuche ist bei den Rohingya traditionell Mädchen- und Frauenarbeit – und das ist gefährlich. Da die Mütter und Töchter auch vor Sonnenaufgang und nach Einbruch der Dunkelheit unterwegs sind, kommt es immer wieder vor, dass sie bedroht, belästigt oder sogar vergewaltigt werden.
„Zudem führt die Konkurrenz um die letzten verbliebenen Bäume immer häufiger zu Konflikten mit der lokalen Bevölkerung“, berichtet Margret Müller. Deshalb versorgt die Welthungerhilfe mit ihrer lokalen Partnerorganisation jetzt 2.500 besonders bedürftige Familien im Flüchtlingscamp mit Pellets aus gepressten Reisschalen. So werden für Mensch und Natur gefährliche Rodungen verhindert und die Frauen und Mädchen von Kutupalong entlastet. Davon profitiert jetzt auch Rozeea. Die siebenfache Mutter erzählt: „Früher musste ich meine Kinder losschicken, damit sie irgendetwas Brennbares finden. Sie wurden oft von den Einheimischen geschlagen. Für eine Mutter gibt es nichts Schlimmeres, als die eigenen Kinder so einer Gefahr auszusetzen. Ich hatte so ein schlechtes Gewissen. Aber seitdem wir einen sparsamen Ofen haben und Pellets haben, geht es uns viel besser.“