Desertifikation und Wüstenbildung
Acht Milliarden Menschen sind für ihre Ernährung auf landwirtschaftliche Erzeugnisse angewiesen – eine produktive Landwirtschaft ist für uns alle lebenswichtig. Der Erhalt der Bodenfruchtbarkeit ist daher ein zentrales Entwicklungsziel in allen Gebieten der Erde. In wasserarmen Regionen wird dies oft zur besonderen Herausforderung.
Schon in den klimatisch begünstigten Ländern Mitteleuropas ist die Fruchtbarkeit von Böden manchenorts bedroht. Umso schwieriger ist der Erhalt der biologischen Produktivität in Gebieten, die unter Wassermangel leiden. In Trockenregionen – ariden, semi-ariden und trocken sub-humiden Gebieten – kann Desertifikation zur Bedrohung der landwirtschaftlichen Leistungsfähigkeit werden. Für die Menschen in betroffenen Regionen ist das ein großes Problem. In extremen Fällen kann sich vormals landwirtschaftlich genutzter Boden sogar in Wüste verwandeln.
Was ist Desertifikation?
Desertifikation und Wüstenbildung werden oft gleichgesetzt, sind aber tatsächlich nicht dasselbe. Der Begriff „Wüstenbildung“ bezeichnet den Prozess, bei dem eine Wüste entstanden ist oder gerade neu entsteht. Die Entstehung von Wüsten ist zunächst einmal ein natürlicher Vorgang, der eng mit Klimaveränderungen verbunden ist. Die Sahara etwa war noch vor 7.000 Jahren eine grüne Savanne. Dann führten globale Klimaveränderungen zu immer geringeren Niederschlägen; schließlich bildete sich an Stelle des Grünlandes eine Wüste. Wüstenbildung ist das Ergebnis eines langen Prozesses der Desertifikation in ariden Regionen und ein extremer Spezialfall von Vorgängen, die in milderer Form in vielen Regionen der Welt zu finden sind, darunter auch in Teilen Europas.
Desertifikation ist Landdegradation in ariden, semi-ariden und trocken sub-humiden Gebieten, die aus vielen Faktoren resultiert, darunter Klimaschwankungen und menschliche Aktivitäten.
Definition der UN-Wüstenkonvention„Desertifikation“ ist ein zusammenfassender Begriff für Entwicklungen, bei denen fruchtbares Land biologische Produktivität verliert. In ariden Regionen kann das Land im Extremfall schließlich Merkmale einer Wüste annehmen. In der Regel führt Desertifikation aber nicht zur Entstehung von Wüste, sondern „nur“ zur Verringerung von Fruchtbarkeit. Dies betrifft auch Gebiete in Europa, wie z.B. einige Küstenregionen des Schwarzen Meeres und des Mittelmeers.
„Ausbreitung von Wüsten“: Wenn Desertifikation in der Nachbarschaft einer schon bestehenden Wüste auftritt, entsteht der dramatische Eindruck, als breitete die Wüste sich aus. So hat Desertifikation in Nordchina dazu geführt, dass Peking immer wieder einmal von heftigen Sandstürmen heimgesucht wird – es ist, als ob die Wüste Gobi sich immer näher an den Ballungsraum heranschöbe.
Eine klimatische Voraussetzung für Desertifikation ist Trockenheit. Wo Regenfälle ausbleiben, leidet die Vegetation. Trockenheit und die Übernutzung natürlicher Ressourcen durch den Menschen begünstigen die Bodendegradation. Dabei verschlechtert sich die Qualität des Bodens auf eine Weise, dass Pflanzen schwierigere Wachstumsbedingungen vorfinden. Die Vegetation verändert sich, was auch Auswirkungen auf das örtliche Klima haben kann. Derart vorgeschädigter Boden ist anfälliger für Bodenerosion. Bei reduziertem Pflanzenwuchs und Austrocknung können Wind und Wasser Erde leichter abtragen. So wird die Bodenschicht insgesamt immer dünner, und die Lebensbedingungen für Pflanzen verschlechtern sich weiter.
Die Reaktionen des Menschen können diese Entwicklungen verstärken: Bäuer*innen erzielen schlechtere Ernten und gehen unter Umständen zu intensiveren Nutzungsformen über, die mehr Probleme schaffen als lösen. Falsche Bewässerungsmethoden können z.B. zu Bodenversalzung führen. Nutztiere finden weniger Nahrung; wenn der Viehbestand die Tragfähigkeit der Weidegründe übersteigt, kann sich die verbliebene Vegetation schlechter regenerieren.
Im ungünstigen Fall kann so in betroffenen wasserarmen Regionen eine Abwärtsspirale entstehen, die über Bodendegradation, Vegetationsschädigung und problematische menschliche Reaktionen zu weiterer Bodendegradation führt.
Ursachen von Desertifikation
Wie kommt es zu Desertifikation? Die Ursachen sind teils natürlich, teils menschengemacht. Dabei ist oft nicht leicht zu erkennen, welche Faktoren überwiegen. Viele Jahre galt beispielsweise als ausgemacht, dass Desertifikation in der Sahel-Zone vor allem das Ergebnis von Überweidung und Entwaldung sei. Nach aktuellem Wissensstand spielen hier natürliche Klimazyklen wohl die wichtigere Rolle. Denn trotz anhaltender Weidenutzung sind weite Landstriche, die von Desertifikation betroffen waren, mittlerweile wieder grün: Eine Verschiebung der Niederschlagszone nach Norden hat der Region mehr Regen gebracht und zuvor beobachtete Desertifikationsprozesse rückgängig gemacht. So können menschengemachte und natürliche Faktoren einander ausgleichend entgegenwirken, einander aber auch verstärken – zum Guten oder zum Schlechten.
Wichtige Zahlen & Fakten
Trockengebiete (Gebiete in hyper-ariden, ariden, semi-ariden oder trocken subhumiden Klimaregionen) nehmen 46,2% der weltweiten Landoberfläche ein. Rund 3 Milliarden Menschen leben in Trockengebieten. Von diesen Gebieten unterliegen ungefähr 9,2% so starken Desertifikationsprozessen, dass die Produktivität der Vegetation seit den 1980er Jahren deutlich zurückgegangen ist. Etwa eine halbe Milliarde Menschen sind davon betroffen, vor allem in Afrika und im Nahen Osten.
Zahlen aus dem Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über Klimawandel und Landsysteme, 2019
Umwelteinflüsse: Die Rolle des Klimawandels als Ursache für Desertifikation
Bei Desertifikationsprozessen spielen Einflüsse der natürlichen Umwelt eine große Rolle. Allerdings ist diese selbst mittlerweile in immer stärkerem Maße vom Menschen geprägt. Vor allem die menschengemachte Erderwärmung beeinflusst das Klima zunehmend auf eine Weise, die Desertifikation begünstigt. Steigende Temperaturen führen zu Trockenheit und Dürre; Stürme und extreme Niederschläge haben Bodenerosion zur Folge. All das beeinträchtigt die Vegetation und kann dazu beitragen, dass der Klimawandel weiter beschleunigt wird:
Pflanzen spielen eine wichtige Rolle für die Regulation des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2), das wesentlich für die Erderwärmung verantwortlich ist. Bei der Photosynthese wandeln sie große Mengen des Gases in Sauerstoff und Zucker um – und über weitere Zwischenprozesse letztlich in Biomasse. Wenn abgestorbene Pflanzen zersetzt werden, bleibt ein Teil des Kohlendioxids in der durch die Verrottung entstehenden Bodenschicht, dem Humus, gebunden, der Rest wird wieder freigesetzt. Lebende Pflanzen und humusreiche Böden speichern also CO2. Geht Vegetation verloren und verschlechtern sich Böden, gelangt dieses CO2 wieder in die Atmosphäre, und es gibt außerdem weniger Pflanzen, die es erneut umwandeln könnten. So beschleunigt sich die Erderwärmung, und damit wiederum die Desertifikation.
Eine zweite Abwärtsspirale droht durch menschliches Verhalten: Wenn Menschen ihre Wirtschaftsformen nicht schnell genug an den Klimawandel anpassen, droht eine landwirtschaftliche Übernutzung der durch beginnende Desertifikation bereits geschwächten Ökosysteme. Dadurch werden Desertifikationsprozesse weiter verstärkt.
Landwirtschaftliche Risikofaktoren
Nicht nur als Verursacher des Klimawandels trägt der Mensch zur Desertifikation bei. Die Art und Weise, wie wir natürliche Ressourcen nutzen, hat unmittelbar Auswirkungen auf Böden und Vegetation.
Übernutzung von Wasser
Wenn Menschen große Mengen Wasser verbrauchen, sei es zur Bewässerung landwirtschaftlicher Kulturen oder zur Versorgung von Städten und Industrien, können die Folgen in niederschlagsarmen Regionen dramatisch sein. Das prominenteste Beispiel ist das Verschwinden des Aralsees in Mittelasien: Jahrzehntelange Ableitungen der Zuflüsse zu Zwecken der Bewässerung riesiger Baumwollanbaugebiete haben dazu geführt, dass an der Stelle eines der einst größten Seen der Erde und der angrenzenden Gebiete eine neue Salz- und Staubwüste entstanden ist.
Entwaldung
Entwaldung – mit dem Ziel der Holznutzung oder der Schaffung neuer Anbauflächen – kann in mehrerlei Hinsicht zu Desertifikation beitragen. Vor allem in Hanglagen sind Wälder mit ihren Wurzeln von großer Bedeutung für die Verhinderung von Bodenerosion. Baumkronen schützen den Boden vor Austrocknung und gewährleisten ein Mikroklima, das auch dem Wuchs anderer Pflanzen günstig ist. Großflächige Wälder beeinflussen das regionale Klima und binden darüber hinaus große Mengen an CO2. Wenn in trockenen Regionen Wälder verschwinden, ist daher oft Bodendegradation die Folge. Das ist umso gravierender, als Wälder nicht in wenigen Jahren nachwachsen können. Desertifikationsprozesse, die durch Entwaldung angestoßen werden, lassen sich daher nur schwer wieder rückgängig machen.
Monokulturen und Überdüngung
Großflächige Monokulturen führen zu Bodenverarmung, da immer die gleichen Nährstoffe entzogen werden. Sie erhöhen auch die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen. Deshalb werden oft im großen Maßstab Kunstdünger und Pestizide eingesetzt, was neue Probleme nach sich ziehen kann. Überdüngung kann in Trockenregionen zu Bodenversalzung führen, wodurch die Bodenfruchtbarkeit beeinträchtigt wird. Insgesamt sind daher Ökosysteme in Gebieten mit Monokulturen weniger stabil und damit anfälliger für extreme Klimaereignisse wie Dürren.
Übernutzung des Bodens
Wenn die landwirtschaftlichen Erträge als Folge von Trockenheit sinken, reagieren Bäuer*innen oft mit dem Übergang zu intensiveren Anbaumethoden. Das erscheint logisch, kann aber fatale Folgen haben, denn gerade Böden, die schon vorgeschädigt sind, reagieren besonders empfindlich und brauchen z.B. regelmäßige Pausen, um sich zu regenerieren. Verkürzte Brachen, Bodenverdichtung durch Maschineneinsatz, falsche Bewässerungstechniken, Pflügen erosionsgefährdeter Flächen – dies alles kann zu weiterer Bodendegradation führen.
Überweidung
Wird der Viehbestand bei beginnendem Vegetationsrückgang nicht verringert, kann Überweidung die Folge sein: Die gleiche Anzahl an Tieren muss sich aus einem geringeren Vegetationsangebot ernähren, wodurch die Pflanzendecke auf nicht nachhaltige Weise weiter reduziert wird. Überweidung galt lange Zeit als wichtigste Ursache für Desertifikation; heute weiß man, dass sie bei Anwendung traditioneller Weidemethoden mit wandernden Herden eher selten vorkommt.
Überbevölkerung?
Oft wurde angenommen, das Bevölkerungswachstum etwa in der Sahel-Zone sei eine Hauptursache für Desertifikation, weil immer mehr Menschen von immer weniger Ressourcen leben müssten. Diese Theorie hält näherer Betrachtung nicht stand, da Menschen aus ressourcenarmen Regionen schnell abwandern. Es sind die großen Städte in den fruchtbaren Zonen, die wachsen; weniger die Dörfer in den Gebieten, die stark unter Desertifikation leiden.
Gegenmaßnahmen – was tun gegen Desertifikation?
Desertifikationsprozesse lassen sich oft nicht ohne weiteres rückgängig machen. Fruchtbarer Boden bildet sich sehr langsam; Pionierpflanzen, also Pflanzen, die bei einer Neubegrünung auch mit den anfänglich schwierigen Bedingungen zurechtkommen, sind oft nur begrenzt landwirtschaftlich nutzbar. Umso wichtiger ist es, Desertifikation früh zu begrenzen – mit folgenden Maßnahmen:
Baumpflanzungen und Begrünungen
Aufforstung von Wäldern zielt auf die Wiederherstellung von Biotopen, die eine relativ hohe Resilienz gegen Desertifikation haben. Die Bezeichnung großer Aufforstungsprojekte in China und im Sahel als „Grüne Mauern“ verweist auf die Hoffnung, Wüste von menschlichen Lebensräumen fern halten zu können. Im Schatten von Bäumen können auch andere Pflanzen wieder gedeihen.
Als sehr effektiv hat sich die traditionelle Halbmond-Methode erwiesen. Dabei werden halbmondförmige Vertiefungen gegraben, in denen sich in der Regenzeit Wasser sammelt, das nach und nach in den harten Boden einsickert. Die Erde lockert sich, sodass ein Baum gepflanzt und Gras eingesät werden kann. Die Halbmonde schützen auch vor Überschwemmungen durch an der Oberfläche reißend abfließendes Regenwasser.
Angepasste landwirtschaftliche Methoden und nachhaltiges Landmanagement
Stellschrauben im Bereich der Landwirtschaft sind Maßnahmen gegen Übernutzung, zum Schutz vor Erosion und Austrocknung sowie zur Verbesserung der Bodenqualität. So hilft etwa der Umstieg auf neue, an Trockenheit angepasste Nutzpflanzensorten dabei, Wasserresourcen zu schonen; auch Kunstdünger wird weniger benötigt, weshalb die Gefahr der Überdüngung sinkt. Der Ansatz der Agroforstwirtschaft nutzt Bäume als Schattenspender für andere Nutzpflanzen, statt sie zu roden – sie schützen sowohl gegen Austrocknung als auch gegen Erosion. Weitere Beispiele sind die Absicherung von Feldern gegen regenzeitliche Überflutungen oder ihre Abschirmung gegen den Wind – beide Maßnahmen verringern Erosion.
Eine wichtige Rolle für die Qualität von Böden spielt organisch gebundener Bodenkohlenstoff. Durch verschiedene Maßnahmen wie z.B. die Zufuhr einer Mischung aus Kompost und pflanzenbasierter Kohle kann der Kohlenstoffgehalt im Boden schnell gesteigert werden. Organischer Kohlenstoff bindet auch CO2 im Boden – nach den Ozeanen sind Böden der größte Kohlenstoffspeicher der Biosphäre. So trägt Bodenpflege auch zur Bekämpfung des Klimawandels bei.
Teilweise sind traditionelle landwirtschaftliche Methoden, die an die spezifischen Bedingungen einer Region angepasst waren, im Zuge einer zu eilfertigen Modernisierung in Vergessenheit geraten. Die Rückbesinnung auf traditionelles Landwirtschaftswissen kann zur Bekämpfung von Desertifikation beitragen.
Effizienteres Wassermanagement
Gleich ob in Landwirtschaft, Städten oder Industrie: Der Kampf gegen Wasserverschwendung und -verlust in jeder Form kann die Übernutzung von Wasser und das Absinken des Grundwasserspiegels begrenzen.
Berufsausbildungen und landwirtschaftliche Schulungen
Um angepasste landwirtschaftliche Methoden umsetzen zu können, müssen Menschen in landwirtschaftlichen Berufen oft weitergebildet werden. Berufsausbildungen kommen auch denjenigen zugute, die ressourcenarme Regionen verlassen, um etwa in großen Städten ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Städte und Landschaften, die intensiver nutzbar bleiben, müssen Menschen, die in ihren bedrohten Heimatregionen keine Zukunft mehr für sich sehen, eine Lebensperspektive bieten. Denn wenn Menschen, die das wollen, nicht die Chance haben, eine von Desertifikation geprägte Region zu verlassen, ist nicht nur unter Umständen ihre persönliche Lebensgrundlage bedroht – eine fortgesetzte Übernutzung der Ressourcen ist gleichsam vorprogrammiert.
Ziel ist letztlich die Entwicklung einer klimaresilienten Lebensform. Die Bekämpfung der Wüstenbildung ist Teil des Ziels 15 der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, zu denen sich 193 Staaten verpflichtet haben.
Projekte der Welthungerhilfe – unterstützen Sie unsere Arbeit
Die Welthungerhilfe betreibt zahlreiche Projekte in Trockenregionen, in deren Rahmen auch Maßnahmen zur Begrenzung von Desertifikation durchgeführt werden.
Beispiele:
Häufig gestellte Fragen zum Thema Desertifikation
Was ist der Unterschied zwischen Wüstenbildung und Desertifikation?
„Wüstenbildung“ bezeichnet den meist natürlichen Vorgang der Entstehung einer Wüste in einer aridenRegion. „Desertifikation“ steht für den fortschreitenden Verlust fruchtbaren Bodens in Trockengebieten (d.h. in ariden, semi-ariden oder trocken subhumiden Regionen). Am Ende von Desertifikation kann tatsächlich eine Wüste entstanden sein; dies ist aber nur der äußerste Fall. Ändert sich menschliches Verhalten oder verbessert sich die klimatische Ausgangssituation, können Desertifikationsprozesse begrenzt oder sogar umgekehrt werden.
Was ist der Unterschied zwischen Desertifikation und Bodendegradation?
Bodendegradation ist eine Sammelbezeichnung für Prozesse, die zur Verringerung der Bodenfruchtbarkeit führen. Das können physikalische Vorgänge wie Versiegelung oder Austrocknung sein, chemische Prozesse wie Versalzung oder Versauerung, biologische Prozesse wie eine Bestandsveränderung bei den Bodenorganismen oder Erosionsprozesse, bei denen Bodenmaterial verloren geht. Bodendegradation in der ein oder anderen Form kann mit Ausnahme der eisbedeckten Polargebiete in allen Klimaregionen auftreten.
Der Begriff Desertifikation bezeichnet einen komplexen Wirkungszusammenhang zwischen Boden, Vegetation, Klima und menschlichem Handeln, der unter bestimmten Umständen in Trockenregionen (d.h. in ariden, semi-ariden oder trocken subhumiden Gebieten) auftreten kann.
Anders gesagt: Zu Desertifikation gehört immer auch Bodendegradation; aber bei weitem nicht alle Fälle von Bodendegradation sind Teil eines Desertifikationsprozesses.
Was bedeuten Begriffe wie „arid“, „semi-arid“, „trocken subhumid“?
Es gibt verschiedene Verfahren zur Klassifizierung von Trockengebieten. Das UN-Umweltprogramm (UNEP) verwendet dazu einen Ariditätsindex, bei dem der jährliche Niederschlag in ein Verhältnis zur Verdunstung gesetzt wird. Je niedriger die Indexzahl ist, desto trockener ist die Region. Mit Hilfe dieses Indexes unterscheidet das UNEP vier Grade von Trockenheit:
trocken subhumid: Index 0,5 – 0,65; z.B. in Südfrankreich, aber auch in Brandenburg
semi-arid: 0,2 – 0,5; z.B. in weiten Gebieten Spaniens und Süditaliens
arid: 0,05 – 0,2; z.B. am Nord- und Südrand der Sahara oder in weiten Gebieten des australischen Outback
hyper-arid: < 0,05; z.B. in der eigentlichen Sahara oder in der Arabischen Wüste
Desertifikation wird vor allem beobachtet unter trocken subhumiden, semi-ariden und ariden Klimabedingungen. In ariden Regionen kann sie in extremen Fällen zur Wüstenbildung führen. Unter hyper-ariden Bedingungen ist dieser Prozess oft schon abgeschlossen; wenn Desertifikation hier auftritt, dann meist in Oasen oder Bewässerungsgebieten.
Ist Desertifikation immer von Menschen verursacht?
Das ist eine Definitionsfrage. Manche Experten unterscheiden die Begriffe „Desertifikation– Bodenzerstörung aus menschengemachten Ursachen“ und „Desertion– Bodenzerstörung aus natürlichen Ursachen“. Feststeht, dass meistens sowohl menschliche als auch natürliche Faktoren eine Rolle spielen.
Was sind die Folgen von Desertifikation für die Menschen?
Desertifikation verringert landwirtschaftliche Erträge und trägt zu höheren Nahrungsmittelpreisen bei; dadurch kann sich die Ernährungssituation von Menschen verschlechtern. In extremen Fällen zwingt sie Menschen dazu, ihre Siedlungsgebiete zu verlassen, und steigert die Wahrscheinlichkeit von Konflikten um Land, Wasser und andere Ressourcen. Wenn Vegetation und fruchtbarer Boden reduziert werden, wird CO2 freigesetzt, was den Klimawandel beschleunigt.
Gibt es auch in Europa Desertifikation?
Ja. In einigen von Wasserknappheit betroffenen Gebieten der europäischen Mittelmeer- und Schwarzmeeranrainerstaaten beobachten Wissenschaftler*innen charakteristische Prozesse von Bodenerosion, Versalzung und Verlust biologischer Vielfalt.
Was sind die ersten Anzeichen von Desertifikation?
Das auffallendste Anzeichen, das auf Desertifikation hinweisen kann, ist wohl der Verlust von Artenvielfalt: Pflanzen, die bisher typisch für eine Region waren, werden selten; anspruchslose Arten setzen sich immer mehr durch. Auch Bodenerosion wird irgendwann sichtbar, etwa in Gestalt von kahlen Stellen oder Rinnen an Hängen. Andere Merkmale, wie ein sinkender Grundwasserspiegel oder Bodenversalzung, sind weniger offensichtlich. Symptom einer Absenkung des Grundwassers kann es sein, wenn Brunnen trockenfallen oder Bäche weniger Wasser führen. Bodenversalzung zeigt sich in schlechteren Ernten; manchmal ist das Salz auch an der Erdoberfläche sichtbar.
Ist der Kampf gegen Desertifikation jemals zu gewinnen?
Wüsten sind natürliche Phänomene - die riesigen Wüstengebiete der Erde in fruchtbares Land zu verwandeln, übersteigt die Kraft des Menschen. Insofern Desertifikation aber menschengemacht ist, können wir sie durchaus begrenzen. Wir wissen, wie wir uns verhalten müssen, um Bodendegradation zu verhindern. Wir müssen dieses Wissen aber auch in die Tat umsetzen.
Wird der Klimawandel dazu führen, dass es immer mehr Wüste gibt?
Dass der Klimawandel in vielen Regionen das Risiko für Desertifikation erhöht, gilt als sicher. Erhöhte Temperaturen in ohnehin schon heißen und trockenen Regionen verschlechtern die Bedingungen für Pflanzenwachstum. Andererseits können veränderte Niederschlagsverteilungen im Einzelfall auch dazu führen, dass in einigen bisher sehr trockenen Regionen mehr Regen fällt. Ob Desertifikation gebietsweise so weit fortschreitet, dass sich neue Wüsten bilden, ist kaum vorherzusagen. Nicht zuletzt hängt dies von menschlichem Verhalten ab.
Kann man eine Wüste wieder in fruchtbares Land verwandeln?
Theoretisch ist das möglich. In der Praxis funktioniert das nur für überschaubare Räume und ist sehr langwierig. Begrünung und Bewässerung können ganz allmählich wieder einen Lebensraum für Vegetation schaffen, der sich selbst erhält. Dabei entsteht aber zunächst kein landwirtschaftlich intensiv nutzbarer Raum: Die Wiederbesiedlung eines Wüstengebiets ist nur durch Pionierpflanzen möglich, die für bäuerliches Wirtschaften lediglich eingeschränkten Wert haben. Bis fruchtbarer Humus neu entstanden ist, können Jahrzehnte oder Jahrhunderte vergehen.
Können „Grüne Mauern“ tatsächlich die Wüste aufhalten?
Sie können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Desertifikation und damit auch die Ausbreitung von Wüsten zu stoppen, wenn sie in ein umfassendes Konzept eingebettet sind, das auch weitere Maßnahmen umfasst.
„Grüne Mauern“ – neugepflanzte Vegetationsgürtel am Rand von Wüstengebieten – helfen bei der Reduzierung von Bodenerosion und der Verbesserung der Wasserrückhaltefähigkeit des Bodens. Sie schaffen Biomasse, die die Bildung von Humus ermöglicht. Das Projekt „The Great Green Wall“ südlich der Sahara will zu diesem Zweck eine 15 km breite Bepflanzungszone quer über den afrikanischen Kontinent schaffen.
Nachhaltig funktionieren können grüne Mauern aber nur, wenn gleichzeitig menschengemachte Ursachen der Desertifikation bekämpft werden; etwa durch angepasste landwirtschaftliche Nutzung oder bessere Wasserbewirtschaftung.
Gibt es internationale Vereinbarungen zur Bekämpfung von Desertifikation und Wüstenbildung?
Ja. 1994 wurde in Paris die UN-Wüstenkonvention unterzeichnet („Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Bekämpfung der Wüstenbildung in den von Dürre und/oder Wüstenbildung schwer betroffenen Ländern, insbesondere in Afrika“ – englische Abkürzung UNCCD). Darin ist vorgesehen, dass die Staaten jeweils sogenannte Nationale Aktionsprogramme entwickeln, bei deren Umsetzung sie eng miteinander und mit internationalen Organisationen zusammenarbeiten sollen. Es gibt regelmäßige Gipfeltreffen und ein Sekretariat, das in Bonn sitzt.