In nur wenigen Minuten fressen die Heuschreckenschwärme Felder und Weideflächen kahl – mit dramatischen Folgen für die Bevölkerung.
Äthiopien - von Krisen überflutet
Erst die Dürre, dann Heuschrecken, jetzt Überschwemmungen: Äthiopien wurde auch jenseits Tigray-Konflikts in den letzten Monaten von zahlreichen Katastrophen heimgesucht. Die Widerstandskräfte der ländlichen Bevölkerung schwinden zunehmend, immer mehr Menschen müssen hungern. Welthungerhilfe-Landesdirektor Matthias Späth und seine Kolleg*innen berichten aus der Afar-Region.
Im September kam der Regen. Besonders in der Afar-Region ist dieser eigentlich bitter nötig. Wenn jedoch Starkregen auf einen staubtrockenen Boden trifft, kann dieser die Wassermassen nicht aufnehmen.
Hinzu kam die notgedrungene Öffnung eines Staudammes, der vor allem die Energieversorgung in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba gewährleistet. Dies führten zu verheerenden Überflutungen entlang des Awash-Rivers.
Nach Überschwemmungen sind Hunderttausende obdachlos
Auf unserer Reise durch Afar werden wir immer wieder Zeug*innen der katastrophalen Zerstörungen der Wassermassen. Wir passieren komplett zerstörte Dörfer, riesige, noch immer unter Wasser stehende Landstriche und mit Schwemmgut überfrachtete Straßen. Wir finden sogar ein angeschwemmtes totes Krokodil inmitten der Straße von Afambo nach Asayita.
In der Afar-Region leben hauptsächlich traditionelle Viehzüchter*innen, die bereits seit Jahren sehr unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden. Schon vor den Überschwemmungen und der Heuschreckenplage war die Ernährungssituation kritisch. In Teilen von Afar gibt es schon Anzeichen einer punktueller Hungersnot. Nun sind in der Region ca. 250.000 Menschen von der Flut betroffen, von denen ca. 145.000 Menschen aus ihren zerstörten Gemeinden evakuiert werden mussten.
Wir besuchten mehrere der provisorischen Camps, in denen die von den Überschwemmungen geflohenen Menschen untergekommen sind. Die auf Schulgeländen errichteten und überfüllten Camps beherbergen je zwischen 160 und 250 Haushalte (ca. 900 – 1500 Menschen pro Camp) – viele von ihnen wurden nachts von der Flut überrascht und mussten mit nichts mehr als den Kleidern, die sie am Körper trugen, flüchten. Die Zustände in den Camps, in denen die Welthungerhilfe die Menschen unterstützt, spotten jeder Beschreibung. Die Menschen sind beengt in sehr einfachen Behausungen untergebracht, die wenig Schutz vor der brütenden Hitze bieten. Die Lage ist dramatisch und sie wird wahrscheinlich die nächsten Monate anhalten.
Welthungerhilfe unterstützt Flutopfer mit Trinkwasser und Bargeld
Die Regierung konnte in Zusammenarbeit mit zuständigen Organisationen der Vereinten Nationen eine Erstversorgung mit Grundnahrungsmitteln sicherstellen, die mittlerweile aber weitgehend verzehrt sind. Uns konnte nicht konkret mitgeteilt werden, wann die nächsten Rationen zur Verteilung anstehen. Viele Familien sind gezwungen, ihre Nahrung aus kleinen Rationen minderwertigen Korns zu gewinnen. Es ist nicht genügend Trinkwasser für die Menschen vorhanden, Sanitäreinrichtungen sind nicht existent oder in einem katastrophalen Zustand. Auch findet kaum eine Anbindung an funktionierende Gesundheitsdienste statt. Die Welthungerhilfe und ihre Partnerorganisationen unterstützen die Menschen mit Trinkwasser, Bargeld und provisorischen Unterkünften.
Wir machen auch halt in der Afar-Provinz Teru, sie ist eine der von den Heuschreckenschwärmen am stärksten betroffenen Gebieten. In dieser schon zu normalen Zeiten stark unterversorgten Gegend wurden wir Zeug*innen einer komplett kahlen Landschaft und total zerstörter Weide- und Anbauflächen. Die Anstrengungen der Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation APDA fokussieren sich auf die Bereitstellung von Trinkwasser und Futter - sowie veterinärmedizinische Versorgung zur Rettung der verbliebenen Viehbestände, denn sie sind der wichtigste Proteinlieferant für die betroffenen Menschen. In einer Gesundheitsstation fanden wir einige dramatisch unterernährte Kleinkinder vor. Nach Aussagen des Stationsleiters nehmen starke Mangelernährung unter Kleinkindern, Schwangeren und stillenden Frauen, merklich zu – vor allem in Haushalten, die bereits vor der Heuschreckeninvasion ernährungsunsicher waren.
Corona-Hygienemaßnahmen sind schwer umsetzbar
Neben all den vielen Krisen, unter denen viele Menschen in Äthiopien zurzeit leiden, bleibt das Land auch nicht von der Coronavirus-Pandemie verschont. Doch viele Familien kämpfen täglich ums Überleben – da ist es nicht verwunderlich, wenn die Gefahr des Virus erst einmal ganz hinten auf der Liste steht. Gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen führen wir wichtige COVID-19-Aufklärungsarbeit durch. Dies ist aber besonders herausfordernd, denn in den provisorischen Flüchtlingscamps können die Hygienemaßnahmen, die notwendig sind, um die Ausbreitung von Sars-Cov-2 einzudämmen, aufgrund des Wassermangels, den fehlenden Sanitäreinrichtungen und der beengten Lebensverhältnisse kaum umgesetzt werden.
Wir müssen uns jetzt schon Gedanken darüber machen, wie wir die Menschen in ein Gebiet zurücksiedeln, in der die komplette Infrastruktur zerstört ist. Aber erst einmal ist es wichtig, ihr unmittelbares Überleben zu sichern. Etwa 60 bis 70 Prozent der Menschen in den provisorischen Geflüchtetencamps sind Kinder – Sie sind auf unsere Hilfe angewiesen.
Die Menschen in der Afar-Region brauchen Ihre Unterstützung – Bitte helfen Sie mit einer Spende!