Die globale Landwirtschaft produziert genug Nahrung für alle, doch die ist extrem ungleich verteilt.
Preisanstieg der Lebensmittel verschärft Hunger
Zwischen 2020 und 2022 sind die Preise für Lebensmittel drastisch gestiegen. Durch den Krieg in der Ukraine erreichten sie im März 2022 ihr Rekordniveau. Seitdem ist ein Abwärtstrend zu erkennen. Doch der kommt kaum bei den Menschen an, die unter den hohen Preisen am meisten leiden. Vor allem in ärmeren Ländern des globalen Südens ist die Lage dramatisch – und klimabedingte Ernteausfälle sowie Konflikte gefährden die Ernährungssicherheit für Millionen von Menschen zusätzlich.
Inhaltsverzeichnis
- Aktuell: Ukraine-Krieg verstärkt Hunger in Ostafrika
- Nahrungsmittel werden immer teurer
- Preiserhöhung, Lebensmittel, Hungersnot – wie hängt alles zusammen?
- Multiple Krisen: Fatal für ernährungsunsichere Länder
- Auswirkung auf Äthiopien, Simbabwe, Sierra Leone, Burkina Faso
- Auswirkungen im Globalen Norden
- Lebensmittelpreisanstieg: So unterstützt die Welthungerhilfe
- Forderung nach einer standortgerechten Landwirtschaft
Aktuell: Ukraine-Krieg verstärkt Hunger in Ostafrika
Sowohl die Ukraine als auch Russland sind Hauptlieferanten von Mais, Weizen und Sonnenblumenöl – sie werden auch als „Kornkammer Europas“ bezeichnet. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat zur Folge, dass weltweit die Preise für Agrarprodukte dramatisch in die Höhe geschossen sind, unter anderem, weil kriegsbedingt Felder nicht abgeerntet und nicht neu bestellt werden können.
Die Krise trifft die Ärmsten am schlimmsten: Einige Länder Ostafrikas, wie beispielsweise Somalia sind sehr stark auf direkte Importe von Getreide aus der Ukraine angewiesen. Insbesondere die Preise für die Hauptnahrungsmittel für Mais und Weizen sind durch den Krieg in Äthiopien, Kenia und Somalia, nun extrem angestiegen. Dies ist besonders dramatisch, denn in Ostafrika bedroht eine verheerende Dürre bereits das Leben vieler Menschen. Das Horn von Afrika befindet sich in einer der schlimmsten Dürreperioden aller Zeiten, nachdem drei aufeinanderfolgende Regenzeiten unterdurchschnittlichen Niederschlag gebracht haben.
14 Millionen Menschen haben nicht genug zu essen und müssen hungern.
Der FAO Food Price Index (FFPI) besteht aus fünf Warengruppen: Fleisch, Milchprodukte, Getreide, pflanzliche Öle und Zucker. Diese Rohstoffe sind ausgewählt worden, weil sie von hoher strategischer Bedeutung für die globale Ernährungssicherheit und für den globalen Handel sind. Der Nahrungsmittelpreisindex erfasst monatliche Veränderungen der internationalen Preise für die am meisten gehandelten Nahrungsmittel.
Nahrungsmittel bleiben teuer
Seit dem Höchststand des UN-Nahrungsmittelpreisindex (FFPI) im März 2022 sinkt das internationale Niveau für Nahrungsmittelpreise wieder. Nicht nur für Getreide sind die Preise gesunken, auch für pflanzliche Öle und Molkereiprodukte. Im Februar 2023 lag der UN-Nahrungsmittelpreisindex mit rund 130 Punkten unter dem durch den Ukraine-Krieg verursachten Rekordwert von fast 160 Punkten – aber immer noch deutlich über dem Wert von September 2020, als der FFPI bei knapp 100 Punkten stand.
Die Prognosen für die Getreideernten sind gut. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) sagt für das Jahr 2023 eine weltweite Weizenproduktion von 784 Millionen Tonnen voraus, was dem zweithöchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnungen entspräche. In Nordamerika haben Landwirt*innen als Reaktion auf die hohen Getreidepreise ihre Anbauflächen vergrößert und auch die Aussichten für Maisanpflanzungen in Brasilien sind günstig.
Dennoch kann das hohe Produktionsniveau nur knapp mit dem weltweit gestiegenen Bedarf mithalten. Und: Die guten Ernteerträge kommen noch lange nicht überall an. In der Ukraine können auf den nutzbaren Flächen gute Erträge erzielt und viel exportiert werden, doch auch hier sorgt die fehlende Klarheit über die Fortführung der Schwarzmeer-Getreide-Initiative für Unsicherheit. Dazu gehört die Ukraine selbst aufgrund des Krieges aktuell zu den Ländern, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind. In anderen Regionen der Welt ist die Ursache vor allem die mangelnde Kaufkraft, die den immer noch sehr hohen Lebensmittelpreisen gegenübersteht.
Neben dem Krieg in der Ukraine gibt es weitere preistreibende Faktoren: klimabedingte Missernten, teure Düngemittel, hohe Energiepreise und Transportkosten sowie logistische Probleme. All diese Faktoren führen dazu, dass Länder mit niedrigem oder mittlerem Einkommen Schwierigkeiten haben, ihre Importmengen sicherstellen und bezahlen zu können. In vielen Ländern herrscht eine extreme Inflation von Lebensmittelpreisen. Immer mehr Menschen können sich Nahrungsmittel nicht mehr leisten und müssen die Anzahl oder Diversität der Mahlzeiten reduzieren. Ihre Ernährungssicherheit ist in Gefahr.
Die hohen Weltmarktpreise treffen also vor allem die Länder, die von Importen abhängig sind und schon vorher Schwierigkeiten hatten, ihre Bevölkerung ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Lage bleibt weiterhin sehr angespannt – allen voran in afrikanischen Ländern südlich der Sahara.
Preisanstieg von Lebensmitteln verursacht Hunger
Die Auswirkungen sind gravierend: Weltweit sind laut Welternährungsorganistion (FAO) 45 Länder auf externe Nahrungsmittelunterstützung angewiesen, 33 davon liegen in Afrika und neun in Asien. Weltweit hungern derzeit 733 Millionen Menschen, in manchen Regionen drohen Hungersnöte. Der hohe Preis von Lebensmitteln erschwert neben weiteren Faktoren, wie den Auswirkungen der Klimakrise, bewaffneten Konflikten und Kriegen sowie den Folgen Covid-Pandemie die Bemühungen zur Beendigung des Hungers immens.
Preiserhöhung, Lebensmittel, Hungersnot – wie hängt alles zusammen?
Agrar-Rohstoffe haben im ersten Jahr der Pandemie 2020 auf dem Weltmarkt insgesamt 31 Prozent mehr gekostet als ein Jahr zuvor (FAO), Ölsaaten wie Raps doppelt so viel. Und auch der Preis für Mais hat sich nahezu verdoppelt. Weizen und Soja sind ebenfalls deutlich teurer geworden. Ein Grund dafür waren zum Beispiel die Kosten der Lagerhaltung in Corona-Zeiten.
Zusätzlich können Handelsstreite, so auch in der Pandemie, zwischen Ländern dazu führen, dass Lieferungen gestoppt werden. Extremwetterereignisse führen dazu, dass es weniger Ernten gibt und die Preise daraufhin steigen. Einen großen Einfluss auf Preisanstiege haben zudem die zum Teil deutlich gestiegenen Energiepreise, zum Beispiel für Rohöl. Der Unterschied: In Industrieländern wirken sich die Preissteigerungen meist nur moderat aus: Die Menschen müssen nur circa 12 bis 30 Prozent ihres Einkommens für Lebensmittel aufwenden. Doch in Ländern des Globalen Südens sind es zwischen 50 und 100 Prozent. Werden Nahrungsmittel teurer, bedeutet das für viele Haushalte in ärmeren Ländern also, dass sie sich keine Nahrung mehr kaufen können und hungern müssen. Für andere wichtige Dinge wie Wohnen, Gesundheit oder Schulbildung der Kinder bleibt schlichtweg nichts mehr übrig.
Gleichzeitig benötigen Hilfsorganisationen bei steigenden Nahrungsmittelpreisen auch mehr finanzielle Mittel, um diese zu erwerben. Und wenn Landwirt*innen im Globalen Süden sich aufgrund steigender Preise Saatgut und Dünger nicht mehr leisten können, werden Anbau und Ernten schrumpfen – und damit Armut und Hunger wachsen. Ein Teufelskreis, den es jetzt unbedingt zu vermeiden gilt.
Multiple Krisen: Fatal für ernährungsunsichere Länder
Das Famine Early Warning Systems Network (FEWSNET), die FAO und die Welthungerhilfe warnen vor weiteren Preisanstiegen auch von Grundnahrungsmitteln und der Verschärfung von Hungerkrisen insbesondere in Äthiopien, Südsudan, Jemen, Kenia und Somalia – aber auch in vielen weiteren Ländern. Die Kombination von Klimawandel, Konflikten, hohen Lebensmittelpreisen und mangelnder Investition in die Landwirtschaft der ernährungsunsicheren Länder können weitere Millionen Menschen in den Hunger treiben. Hinzu kommen die gestiegenen Kosten für die Energieversorgung, die zu weiteren Engpässen in der Produktion und auch im Transport führen können. Länder, die bereits von Klimakatastrophen und Konflikten heimgesucht werden, erleben mit höherer Wahrscheinlichkeit weitere Preisanstiege, da Wertschöpfungsketten dort leichter zusammenbrechen.
Damit besteht ein höheres Risiko, dass diese Preisanstiege Hunger und Konflikte weiter verstärken. Dr. Rafaël Schneider, stellvertretender Leiter der Politik-Abteilung der Welthungerhilfe, äußert sich über die Entwicklung: „Wir beobachten mit Sorge, dass die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide, Milchprodukte oder Speiseöl derzeit nur eine Richtung kennen: aufwärts. Alle Warnlampen blinken rot, denn anhaltend hohe Nahrungsmittelpreise bedeuten für arme Menschen schlichtweg, dass sie sich gesunde Nahrungsmittel kaum mehr leisten können und auf ganze Mahlzeiten verzichten müssen. Weltweit hungern schon heute etwa 783 Millionen Menschen“.
Klimaschutz als Existenzsicherung
Aber auch in Europa sind die Auswirkungen von Produktionsengpässen und klimabedingten Ernteausfällen immer deutlicher zu spüren. Dr. Rafaël Schneider, stellvertretender Leiter der Politik-Abteilung der Welthungerhilfe, sagt zu dieser Entwicklung: „Dass eine Gurke zwei Euro kostet, bedeutet auch in Deutschland für viele Menschen, sich diese nicht mehr leisten zu können. Die nächste Stufe ist dann, was wir in Afrika beobachten, dass viele Menschen eben nicht nur auf gesunde Nahrungsmittel wie Obst und Gemüse verzichten müssen, sondern sich die zunehmend teurer werdenden Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können.“
Elementar wichtig für eine nachhaltige Ernährungssicherheit im globalen Kontext ist also vor allem die Investition in den Klimaschutz und in die Anpassung an den Klimawandel, in die Landwirtschaft insbesondere in ernährungsunsicheren Regionen. Dazu gehören Fortbildung der Bäuer*innen, bessere Bewässerungs- und Pflugmethoden und angepasstes Saatgut, aber auch neue Technologien und je nach Region individuell an das Klima, Bodenbeschaffenheit und Wasserverfügbarkeit angepasste Ansätze. Die Unterstützung von Landwirt*innen in den von Hunger betroffenen Regionen ist in dieser Hinsicht eine Maßnahme, die sofort umgesetzt werden kann.
Anstieg der Lebensmittelpreise verschärft Hunger in Afrika
Auch wenn die Preiswarnungen der FAO überschaubar sind und die Weltgetreideernten im Jahr 2022 nur gering unter dem Niveau von 2021 lagen, ist die Lage in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen weiter dramatisch. Laut dem Global Information and Early Warning System on Food and Agriculture (GIEWS) sind die Ernteaussichten für Regionen, in denen bereits Hunger herrscht, bedrückend und der Importbedarf hoch.
So haben Konflikte beispielsweise in Ostafrika und Westafrika und schlechte Witterungsbedingungen zu weit verbreiteten Ernteschäden geführt. 2021 gab es in vielen Ländern Produktionsrückgänge. In einigen Regionen gab es massive Anstiege bei Lebensmittelpreisen. Zum Beispiel in Mosambik, wo bewaffnete Konflikte im Norden des Landes den Preisanstieg zusätzlich vorantrieben. Dort ist der Preis von Maniokmehl von März bis Mai 2021 um 45 Prozent gestiegen. Diese Anstiege haben sich gravierend auf Millionen von Familien ausgewirkt, deren Einkommen durch die Corona-Pandemie ohnehin bereits stark geschwächt wurde. In Teilen Ugandas sind die Lebensmittelpreise auf den Märkten auf das Doppelte oder sogar Dreifache gestiegen. Anhaltende Dürren haben zu Ernteausfällen geführt, die Menschen sind auf den Zukauf von Lebensmitteln angewiesen – doch viele können sich dies nicht leisten und leiden Hunger.
Welche Auswirkungen der Anstieg der Nahrungsmittelpreise auf die Menschen in verschiedenen Ländern hat, zeigen folgende Beispiele:
Keine Entwarnung in Sicht: In vielen Ländern ist die Hungersituation "ernst" oder sogar "sehr ernst".
Äthiopien
In Äthiopien sind die Lebensmittelpreise in den vergangen 13 Jahren bis zu 74% gestiegen. Die Ursachen sind vielfältig. Zum Beispiel spielt die Entwicklung an den Weltmärkten (großer Nachfragedruck in urbanen Gebieten und wirtschaftlich sich entwickelnden Ländern wie China, Indien etc.) eine große Rolle. Weltmarktregularien wie protektionistische Maßnahmen und Außenhandelsdefizite schwächen die nationale Währung und verursachen importierte Inflation.
Diese Entwicklungen haben sich in den vergangenen zwei letzten Jahren dramatisch verschärft. Zum Beispiel haben Missernten, fragile Lieferketten wegen Covid-19 sowie Krieg im Norden des Landes zu wirtschaftlichen Einbrüchen geführt. Die Prognose sieht nicht gut aus. Es ist mit einer Jahresinflationsrate von durchschnittlich über 35% zu rechnen, ebenso mit einer dauerhaften signifikanten Verteuerung auf dem Lebensmittelmarkt. Circa 25% der Bevölkerung muss mit weniger als 1 USD pro Tag auskommen und circa 80% mit weniger als 2 USD pro Tag.
In der äthiopischen Region Tigray hat der dortige Konflikt zur Vertreibung von fast zwei Millionen Menschen geführt. Der Handel, Zugang zu humanitärer Hilfe und die Lebensgrundlagen sind erheblich beeinträchtigt.
Simbabwe
In Simbabwe kommt vor allem Mais auf die Teller. Zum Nationalgericht Sadza, einem Brei aus Maismehl, wird meist Gemüse oder (wenn man es sich leisten kann) Fleisch serviert. Der Preis für ein Kilo Maismehl ist im Dezember 2021 auf den städtischen Märkten um 30% gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bohnen und Speiseöl sind noch teurer geworden – und dass, obwohl Simbabwe 2021 eine gute Ernte eingefahren hat. Doch die Erträge haben nicht ausgereicht, um die leeren Lager nach zwei Dürrejahren wieder aufzufüllen. Auch gestiegene Benzin- und Transportpreise verteuern die Nahrungsmittel. Im Durchschnitt geben Haushalte in Simbabwe 55% ihres Einkommens für Nahrungsmittel aus.
Auf der anderen Seite fehlen Erwerbsmöglichkeiten: Während der Lockdowns in der Corona-Pandemie haben viele Unternehmen in den Städten die Produktion heruntergefahren oder Pleite gemacht. Auch Tagelöhner*innen im informellen Sektor haben während Lockdowns ihre Einkommensmöglichkeiten verloren. Wegen der schlechten wirtschaftlichen Lage gibt es wenig neue Jobs. Die Folge: immer mehr Familien verzichten auf abwechslungs- und nährstoffreiche Ernährung. Etwa jede siebte Familie gibt 2021 an, ihr Verhalten zu verändern, weil sie nicht genug zu essen haben, die häufigste Antwort ist, günstigere und ungesündere Nahrungsmittel zu kaufen. Dann gibt es Sadza pur, ohne Beilage oder Gemüse. Macht satt, ist aber nicht gesund.
Burkina Faso
In Burkina Faso sind steigende Nahrungsmittelpreise ein großes Thema. Vor allem Gewalt und Terrorgruppen im Norden/Osten sind Verursacher von Preissteigerungen. Nach der Regenzeit ab Oktober gab es vermehrt Angriffe. Nahrungsmittel wurden zerstört durch das Abbrennen von Feldern und Lagern oder das Schlachten von Vieh.
Steigende Nahrungsmittelpreise treffen die Ärmsten am schlimmsten. Helfen Sie ihnen mit Ihrer Spende.
Menschen sind aus ihren Dörfern geflohen und in die Städte geflüchtet. Da die Vertriebenen überwiegend Produzent*innen sind und der Anbau sowie die Ernte von Lebensmitteln drastisch sinkt, fehlen die Nahrungsmittel. Vor allem frisches Gemüse. Sowohl in den Dörfern als auch in den Städten. Dort steigen wiederum die Preise, zum Beispiel von Reis und Hirse.
Die Corona-Pandemie hat darüber hinaus zu Preiserhöhungen sowie zu einer geringeren Verfügbarkeit von Düngemitteln beigetragen. Die Nachfrage durch mehr Menschen steigt, aber gleichzeitig gibt es weniger Einkommensmöglichkeiten. Händler nutzen Versorgungsdruck aus. Importe aus Benin, Niger oder Mali nehmen ab wegen der Sicherheitslage.
Viele Menschen hungern. Eine zusätzliche Dürre im Norden hat die Lage zusätzlich verschlimmert. Laut FAO werden in der Hochsaison zwischen Juni und August 2022 voraussichtlich 2,6 Millionen Menschen von schwerer Ernährungsunsicherheit betroffen sein.
Sierra Leone
In den letzten vier Jahren ist der Preis für Reis um 75 % gestiegen. Da es sich um ein Grundnahrungsmittel handelt, sind die Auswirkungen auf die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit der Menschen enorm. Die durch Corona, in den letzten zwei Jahren verhängten Beschränkungen, haben den Handel und die Einfuhr von Nahrungsmitteln stark eingeschränkt, was zu einem drastischen Preisanstieg geführt hat.
Auf den benachbarten Märkten in Guinea und Liberia sind die gleichen Preisschwankungen zu beobachten, sodass sich das Problem auf den gesamten westafrikanischen Raum ausweitet. Die Ernährungssicherheit hat abgenommen, und die Haushalte spüren die hohe Inflation der Lebensmittelpreise. Der Rückgang der Ernährungssicherheit scheint in den städtischen Gebieten am stärksten zu sein, wo auch der Verbrauch am stärksten zurückgegangen ist und die Haushalte nicht auf selbst erzeugte Lebensmittel zurückgreifen können.
Im Juli 2020 meldete fast ein Viertel der Haushalte, dass sie aufgrund eines Preisanstiegs oder eines Rückgangs des Haushaltseinkommens keinen Reis – das wichtigste Grundnahrungsmittel – kaufen konnten. In manchen Regionen geben die Menschen 70% ihres Einkommens für Nahrung aus.
Steigende Preise führen nicht nur zu Armut, sondern direkt in den Hunger: Familien verzichten auf Mahlzeiten und kaufen billigeres und weniger gesundes Essen. Kinderarbeit nimmt zu, wenn Eltern ihre Kinder zum Geldverdienen statt in die Schule schicken müssen.
Dr. Rafaël Schneider, stellvertretender Leiter der Politik-Abteilung der WelthungerhilfeWeitere globale Faktoren, die zu einer Nahrungsmittelpreiskrise und damit zu Hunger führen können:
- Steigende Energiekosten
- Klimaeffekte und Missernten
- Steigende Transportkosten, Transportausfälle
- Steigende Düngemittelpreise (steigende Agrarproduktionskosten insgesamt, da Energiekosten, Arbeitskosten, Agrarchemie etc. steigen
- Politisches Säbelrasseln
- Einige Länder (z.B. Russland, Mali) beschränken ihre Agrarexporte (weiterer Preistreiber, der 2008/9 bereits fatal war)
Auswirkungen der steigenden Nahrungsmittelpreise im Globalen Norden
Die multiple Krisensituation aus Klimawandel, Krieg und hohen Nahrungsmittelpreisen muss sehr ernst genommen werden, um eine weitere Verschlimmerung der Lage zu vermeiden. Neben der Ausweitung des Getreideanbaus, wie es zum Beispiel in Nordamerika bereits passiert, sind vor allem an den Klimawandel angepasste Strategien für die Landwirtschaft wichtig.
Da die Düngemittelpreise enorm gestiegen sind, bauen Farmer*innen zum Beispiel in den USA vermehrt Soja statt Mais und Weizen an. In vielen Kaffeeanbauregionen führt hingegen der Klimawandel zu verminderten Ernten, was zusammen mit den gestiegenen Transportkosten die Kaffeepreise in die Höhe schießen lässt. Zusammen mit der Unsicherheit über zukünftige Getreidelieferungen aus der Ukraine muss auch in Zukunft mit weiteren Preissteigerungen und der Verknappung einiger Nahrungsmittel gerechnet werden.
Den Auswirkungen des Klimawandels auf globaler Ebene entgegenzuwirken ist hier ein elementarer Ansatz, um die ausreichende Produktion sowohl von Getreide- und Grundnahrungsmitteln als auch weiterer Lebensmittel sicher zu stellen: „Der globale Norden muss seinen Klimaausstoß reduzieren. Außerdem benötigt es vor allem in den Regionen, wo es viele Missernten gibt, die Umsetzung von Anpassungsstrategien. Das heißt, die Landwirtschaft muss so gestaltet werden, dass sie resilienter gegen Klimaschocks ist.“, sagt Dr. Rafaël Schneider.
Teurere Lebensmittel, mehr Hunger & höhere Kosten für Hilfe
Vor allem die Ernteaussichten für Hungerregionen in Afrika und Asien sind weiterhin düster, so Schneider. „Die betroffenen Länder müssen rasch soziale Sicherungsmaßnahmen vorbereiten, um die Versorgung der Menschen zu gewährleisten. Mittelfristig müssen sie mehr in ihre Landwirtschaft investieren, denn jetzt rächt sich, dass nach den letzten Krisen zu wenig geschehen ist”, fordert Schneider. Länder wie Deutschland seien gefordert ihre Unterstützung für Hungerbekämpfung und ländliche Entwicklung auszubauen. Kurzfristige Exportstopps für Agrarprodukte sollten vermieden werden.
Lebensmittelpreisanstieg: So unterstützt die Welthungerhilfe
Um Armut und Hunger auf der Welt sowie die Auswirkungen und Folgen für die Menschen zu bekämpfen, müssen die Ernährungssysteme nachhaltig und armutsreduzierend gestaltet und Katastrophen besser vorgebeugt werden. Besonders notwendig sind schnelle Maßnahmen vor Ort wie zum Beispiel das Anlegen strategisch wichtiger Reserven von Nahrungsmitteln, die Verfügbarkeit von angepasstem Saatgut zu sichern, die Förderung von innovativen Anbaumethoden aufrecht zu erhalten, ein umfassendes Risikomanagement voranzutreiben oder Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel zu fördern.
Forderungen der Welthungerhilfe für die Umsetzung einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft, die mögliche Hungersnöte durch den Preisanstieg von Lebensmitteln verhindern können:
Kurzfristig:
- Exportstopps vermeiden - bei drohenden Missernten in Hungerregionen ist es wichtig, dass der Agrarweltmarkt stabil bleibt und Unterversorgungen ausgleichen kann.
- In Krisenregionen muss auch bei steigenden Nahrungsmittelpreisen eine angemessene Versorgung mit Lebensmitteln sichergestellt werden. Betroffene Staaten sollten sich auf stark steigende Preise vorbereiten und soziale Sicherungsmaßnahmen (z.B. Bargeldhilfen) vorbereiten.
- Geberländer müssen ihre Leistungen an die Nahrungsmittelpreissteigerungen anpassen.
Mittelfristig
- Regierungen sollten eine politische Agenda für die landwirtschaftliche Beratung entwickeln und umsetzen, die sich auf die Ernährungssicherheit und die Schaffung von Einkommen für die arme Landbevölkerung konzentriert.
- Die Landwirtschaft sollte die hohe Priorität, die ihr von den nationalen Regierungen und den internationalen Entwicklungsorganisationen eingeräumt wird, beibehalten und weiter ausbauen, ihre Mittel sollten entsprechend aufgestockt werden.
- Die Förderung einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft ist ein zentraler Bestandteil des Ernährungssystems und ein wichtiges Instrument zur Verwirklichung des Menschenrechts auf Nahrung.
- Die Länder des Globalen Südens müssen eine integrierte, transparente und partizipative Regionalpolitik umsetzen, die sich insbesondere auf den Agrarsektor und seine Vor- und Rückverflechtungen konzentriert.
- Aktivitäten und Initiativen, die über die Landwirtschaft hinaus neue Arbeitsplätze schaffen, sollten besonders gestärkt werden.
- Berufliche Aus- und Weiterbildung, insbesondere für Jugendliche und Frauen, sind dringend erforderlich, ebenso der Transfer von Know-how und angepassten Technologien.