Dezentral und dreifach nützlich – das Potenzial von Agri-Photovoltaik in Afrika
Neue Projekte in Mali und Gambia wollen Solarstrom mit Ackerbau kombinieren – und so Ernährung, Energie- und Wasserwirtschaft zusammenführen. Herausforderungen - und mögliche Lösungen.
Afrika hat ein sehr großes Potenzial bei der Erzeugung erneuerbarer Energien, besonders durch Photovoltaik (PV). Aber bisher wird Sonnenenergie nur selten genutzt. Der afrikanische Kontinent steht allerdings vor großen Herausforderungen im Kontext des Wasser-Energie-Nahrung-Nexus (WEF). Innovative Lösungen sind gefragt, um den Output der Wertschöpfungsketten in der Landwirtschaft, Energieerzeugung, Wasserversorgung und der Wirtschaft im Allgemeinen zu maximieren. Die sogenannte Agri-Photovoltaik ist ein Ansatz, den man bei der Solarenergie seit etwa einem Jahrzehnt verfolgt. Sie könnte eine Antwort auf die Herausforderungen innerhalb des WEF-Nexus sein.
Die Agri-PV ermöglicht, ein Stück Land doppelt oder sogar dreifach zu nutzen, indem dort gleichzeitig landwirtschaftliche Produktion und Stromerzeugung stattfinden; zusätzlich kann potenziell Wassermanagement-Infrastruktur zum Einsatz kommen. Dazu werden Solarpaneele in Reihen auf erhöhten Ständern montiert und erzeugen erneuerbare Energie, während darunter oder dazwischen Nutzpflanzen angebaut werden. Die Paneele werfen Schatten und dienen auch als Schutz für die Pflanzen und den Boden, was potenziell den Ertrag und die Qualität der Ernte erhöht. Agri-PV trägt so zu jeder Komponente des WEF-Nexus bei und kann die Widerstandsfähigkeit der Landwirtschaft gegen den Klimawandel steigern.
Projekt-Hintergrund
Die Verwirklichung von Agri-PV-Forschungsprojekten in Deutschland, Frankreich, den USA und Japan sowie die dabei gewonnenen Daten haben die Aufmerksamkeit von Wissenschaftlern und Planern von erneuerbaren Energien auf andere Weltregionen gelenkt, in denen diese Technologien noch größeren Nutzen und Chancen bieten könnten. So wurde das Projekt „Agri-Photovoltaik in Mali und Gambia: Nachhaltige Stromerzeugung durch integrierte Nahrungs-, Energie- und Bewässerungssysteme“ (APV MaGa) gestartet. Ziel ist, das Potenzial von Agri-PV unter den heißen halb-ariden oder ariden Bedingungen Westafrikas zu erforschen.
APV-MaGa soll als Forschungs- und Entwicklungsprojekt die wirtschaftliche und technische Machbarkeit von Agri-PV in Mali und Gambia ermitteln. Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Forschungsrahmenprogramm „Forschung für Nachhaltige Entwicklung“ (FONA 3) gefördert. Sein Ziel ist eine Verbesserung der Produktivität sowie Effizienz und Nachhaltigkeit der Stromerzeugung. Auch soll durch Agri-PV-Systeme, die Nahrungsmittel, Wasser und Elektrizität erzeugen, die Widerstandsfähigkeit des Landwirtschaftssektors gegen den Klimawandel gesteigert werden. (1)
Zum aktuellen Zeitpunkt sind die Agri-PV-Anlagen noch in keinem der beiden Länder installiert. Ursprünglich sollten bis Ende 2022 eine Anlage mit einer Spitzenleistung von 200 Kilowatt (kWp) in Mali und vier kleinere Anlagen mit einer Leistung von bis zu 62,5 kWp in Gambia installiert werden. Die Frist wurde nun auf Ende 2023 bzw. das erste Quartal 2024 verschoben. Standort in Mali wird das Rural Polytechnic Institute of Training and Applied Research in Katibougou, in Gambia wurden die Universität von Gambia, eine kleine private Farm und zwei kommunale Farmbetriebe ausgewählt. Derartige Terminverschiebungen werden als eine der Herausforderungen bei der Errichtung solcher Anlagen in Mali und Gambia genannt.
Welche Nutzpflanzen im Rahmen der Agri-PV-Systeme angebaut werden sollen, wurde einerseits nach früheren Forschungsresultaten entschieden, wie die Pflanzen auf die Verschattung durch Solarpaneele reagierten. Andererseits ging es darum, ob es Nutzpflanzen mit hohem wirtschaftlichen Ertrag gibt, die zuvor dort nicht in größerem Umfang angebaut wurden – wie etwa Erdbeeren oder Brokkoli. Drittens wollte man aber an den Pflanzen festhalten, die an den Universitäten und in den Gemeinden bereits breit genutzt wurden, darunter Zwiebeln, Tomaten, Kartoffeln, Okra und Gartenbohnen. Man wollte in die eingeführten agrikulturellen Praktiken nicht eingreifen und somit auch besser einschätzen können, ob und wie diese durch die Einführung von Agri-PV verändert werden.
Herausforderungen und Chancen für Agri-PV in Mali und Gambia
In beiden Projektländern zeigen sich Herausforderungen in jedem Teilbereich des WEF-Nexus.
Wasser: Annähernd 84 Prozent des Ackerlandes in Mali ist durch Wassermangel in der Nutzung eingeschränkt.(2) In Gambia ist aufgrund der Topographie der Einfluss des Atlantiks deutlich spürbar. Der Fluss Gambia unterliegt deutlichen jahreszeitlichen Schwankungen, auch sein Salzgehalt beeinflusst die Landnutzung, Produktivität und Erwerbstätigkeit. Weil weniger Süßwasser aus den Nebenflüssen in den Gambia-Fluss strömt, dringt salziges Meerwasser immer weiter in den breiten Mündungstrichter und in die Waldgebiete und Agrarflächen entlang seines Laufs vor. In beiden Ländern erneuert sich das Grundwasser nicht ausreichend, um den Wasserstand in Brunnen und Bohrlöchern aufrechtzuerhalten. Veränderungen bei den Niederschlägen und Temperaturen behindern in beiden Ländern zunehmend die landwirtschaftliche Produktivität.
Energie: Ungenügende Versorgung mit Energie ist in Mali ein großes Problem. Die meisten Haushalte in ländlichen Gebieten sind auf Kerosin und Batterien angewiesen, was nicht nur teuer, sondern auch unzuverlässig ist.(3) In Gambia haben 55 Prozent der Gesamtbevölkerung keinen Zugang zu elektrischem Strom, nur zehn Prozent verfügen über Kochstellen, die keinen Rauch erzeugen. Zur Stromerzeugung sind beide Länder fast ausschließlich von fossilen Energien abhängig. Daher ist die Entwicklung neuer lokaler und erneuerbarer Energiequellen wichtig, um die wirtschaftlichen Zielvorgaben zu erreichen.(4)
Ernährung: Die Landwirtschaft steht wegen des Klimawandels vor stetig wachsenden Problemen. Wasserknappheit, Wetterextreme und die weltweit steigende Temperaturen erfordern neue Maßnahmen, um Pflanzen und den Boden vor negativen Umwelteinflüssen zu schützen.
Potenzielle agrarökonomische Vorteile
In Anbetracht des Beitrags der Agro-Photovoltaik zu jeder einzelnen Komponente des Energie-Wasser-Nahrungsmittel-Nexus sind die Vorteile vielfältig, das Potenzial ist insbesondere in den heißen semi-ariden und ariden Klimazonen in Mali und Gambia groß.
Wasser: Grundsätzlich kann Agri-PV das Mikroklima unterhalb der Paneele beeinflussen und die Luft- und Bodentemperatur senken. Somit verdunstet weniger Feuchtigkeit, und die Pflanzen müssen weniger bewässert werden. Nach vorsichtigen Schätzungen kann man zwischen 10 und 30 Prozent Bewässerung einsparen.(5) Darüber hinaus lässt sich das auf die Agri-PV-Anlagen fallende Regenwasser sammeln. Dies wird bereits in einem Pilotprojekt in Algerien erprobt.(6) In wasserarmen Gebieten Malis und insbesondere Gambias könnten so bedeutende Regenmengen für die Bewässerung gewonnen und die Abhängigkeit von Grundwasser oder anderen externen Wasservorkommen reduziert werden. Die durch die Agri-PV erzeugte Elektrizität kann in Bewässerungssysteme wie Tröpfchenbewässerung eingespeist werden und so die Erträge unter den Paneelen steigern. Damit würden die Kosten für Bewässerung deutlich sinken, und man könnte Flächen landwirtschaftlich nutzen, die andernfalls gar nicht kultiviert werden könnten.
Energie: In ländlichen Gebieten ohne Anschluss an das Elektrizitätsnetz kann Agri-PV Zugang zu elektrischem Strom schaffen und so eine stabile Energieversorgung sichern. Die Solarenergie kann direkt auf den Farmen genutzt werden; dadurch können Kosten für anderweitige Energieerzeugung, etwa durch Dieselgeneratoren, gesenkt werden. Oder sie kann anderen Betrieben zur Verfügung gestellt werden und so Erwerbsmöglichkeiten erweitern. Die Energie kann von Erzeugern produktiv genutzt werden: zum Hochpumpen von Wasser, zum Betreiben kleinerer, Arbeit sparender Maschinen, bei der Geflügelzucht, Futtergewinnung, für Häckselschneider, aber auch für wertverbessernde Tätigkeiten wie das Mahlen, Dreschen, Schleifen von Reis, Trocknen, Verpacken und die kühle Lagerung verderblicher Waren. Somit bietet Agri-PV die Chance, Energieknappheit zu überwinden und die Anpassung ländlicher Gemeinden an den Klimawandel zu erleichtern. Außerdem stärkt sie inklusive agrarische Wertschöpfungsketten, von denen sowohl Landwirte wie auch Energieproduzenten profitieren.
Landwirtschaft: a) Pflanzen vor Hitzestress schützen. In Gebieten mit hohen Temperaturen sorgt der Schatten unter den Solarmodulen tagsüber für Abkühlung, nachts bleiben dort die Temperaturen konstant oder sind höher. In beiden Ländern ist Hitzestress häufig ein Problem. Nutzpflanzen könnten dort vom Schatten von PV-Anlagen profitieren, die Mengen und Qualität der Ernte könnten sich verbessern.
b) Verdörren vermeiden: In den trockenen Monaten des Jahres mit starker Sonneneinstrahlung und unzureichender Versorgung mit Wasser können Pflanzen verdörren, weil die Blätter und Früchte zu stark der Sonne ausgesetzt sind. Dadurch können die Mengen und Qualität der Ernte leiden.
c) Flächen effektiv nutzen, Produktivität steigern: Die mehrfache Nutzung von Landflächen kann deren Effizienz je nach Art der angebauten Pflanzen um bis zu 84 Prozent steigern.(7) Dies ist also ein ressourcenschonender Weg, die Produktivität von Flächen zu steigern.(8,9) Nutzpflanzen, die unter Solarpaneelen wachsen, breiten zum Einfangen von Sonnenlicht ihre Blätter weiter aus als Pflanzen, die voller Sonnenstrahlung ausgesetzt sind. Das kann die Qualität und die Produktivität verbessern. Die PV-Module bieten auch physischen Schutz vor den Elementen, etwa vor Starkregen oder Hagel.
Herausforderungen und mögliche politische Konsequenzen
Auch wenn der Zugang der Bevölkerung zu Energie dringend verbessert werden muss und erneuerbare Energien dabei eine bedeutende Rolle spielen können, bleiben viele bestehende und potenzielle Herausforderungen für den Einsatz der Erneuerbaren und für Agri-PV im besonderen. Das APV-MaGa-Projekt wird als Forschungsvorhaben mehrheitlich mit öffentlichen und zu einem kleineren Teil mit privaten Mitteln finanziert. Daher stellen sich andere Herausforderungen als bei rein privat finanzierten Projekten. Allerdings lassen sich mehrere Erfahrungen und Problemlagen, mit denen dieses Projekt bislang während seiner Umsetzung konfrontiert war, auch auf Projekte mit erneuerbaren Energien außerhalb eines Forschungsrahmens übertragen.
Projektspezifische Herausforderungen: Die Verzögerung bei der Umsetzung des Projekts ist auf mehrere unvorhergesehene Schwierigkeiten zurückzuführen, vor allem wegen des ehrgeizigen Ziels, in jedem Land 50 Prozent der Geldmittel für die Pilotanlagen von lokalen Unternehmen aus dem privaten Sektor einzuwerben. Dann musste eine Zweckgesellschaft (SPV) gegründet werden, die die Infrastruktur und angeschlossene Betriebsteile betreiben und warten soll, u.a. zur Berechnung von Kosten für die Lagerung von Ernteerträgen im Kühlhaus der Gemeinde, sowie weitere Verwaltungsfragen.
Technische und Kostenfragen: Auch wenn Photovoltaik als Technologie als etabliert gelten kann, funktionieren Beschaffung sowie Betrieb und Management der Systeme nicht reibungslos. Eine der größten Hürden für die Akzeptanz und die großflächige Verbreitung von Agri-PV in Mali wie in Gambia ist der erhöhte Kapitaleinsatz (CAPEX) für den größeren Materialaufwand bei der Aufständerung, besonders bei mehr als kopfhohen Anlagen. Oft steigen die Kosten durch Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Baumaterial und Komponenten, in der Logistik, dem Transport oder der Sicherheit. Die Aussicht auf den absehbar höheren Kapitalaufwand schreckt Investitionen ab und behindert die Akzeptanz und Entwicklung.(10)
Politik: Laut dem Interessensverband Power Africa gibt es für den Energiesektor in Mali drei Engpässe.(11) So arbeiten die Stromversorger oft unzuverlässig, die Stabilität des Netzes ist nicht gegeben und die politischen Entscheidungen erscheinen schwer vorhersehbar und oft willkürlich. Die Ungewissheiten im Management des Energiesektors wird durch die große Zahl der daran Beteiligten verstärkt.(12) Viele Ministerien, Abteilungen und andere Akteure verlangen Mitsprache, was zu einer Vielzahl von Gesetzen und Regulierungen führt, die dann schwer umzusetzen sind und zudem schlecht zwischen all diesen Institutionen kommuniziert werden. Viele der Probleme bestehen in ähnlicher Form auch in Gambia.
Lösungsansätze
Um den Einsatz von Photovoltaik voranzubringen und Investitionen in die Technologie in beiden Ländern attraktiver zu machen, sollte man über die gleichen Strategien und regulatorischen Veränderungen nachdenken, die in den Vorreiterländern der Agri-PV funktioniert haben: Japan, die USA, China, Frankreich, Italien und Deutschland. So könnten Vorschriften das Verfahren und die Bedingungen festlegen, zu denen landwirtschaftliche Flächen in Agri-PV-Flächen umgewidmet werden können, etwa, dass bestimmte Erträge weiter erbracht werden müssen. Außerdem sollten die landwirtschaftlichen Subventionen für Flächen mit Agri-PV weiter gewährt werden, und schließlich sollte eine Einspeisevergütung für Solarenergie und womöglich eine zusätzliche Vergütung für Agri-PV festgelegt werden, die eine vernünftige Rendite der Investitionen in einem bestimmten Zeitrahmen garantiert.
Agri-PV hat in Mali und in Gambia Potenzial, aber man muss sich bestimmter Hürden bewusst sein und sie zu überwinden suchen. Der höhere Kapitaleinsatz und die Probleme bei der Aufstellung und Wartung gehören dazu, aber auch die Unsicherheit über die Reaktion der angebauten Pflanzen auf die Verschattung, denn nicht alle reagieren positiv auf die Veränderungen des Mikroklimas. Trotz dieser Hürden kommt der Agri-PV in beiden Ländern wie auf dem gesamten Kontinent eine Rolle beim Übergang zu erneuerbaren Energien zu. Sie sollte ein Teil der vielfältigen Strategien und Technologien in einem Portfolio erneuerbarer Energien sein.
Fußnoten:
[1] https://www.bmbf-client.de/en/projects/apv-maga
[3] African Development Bank Group (2015) Renewable Energy in Africa: Mali Country Profile. www.afdb.org/fileadmin/uploads/afdb/Documents/Generic-Documents/Profil_ER_Mal_Web_light.pdf (Accessed on the 08.07.2023)
[4] www.iea.org/countries/gambia
[5] Agrivoltaics: Opportunities for Agriculture and the Energy Transition (fraunhofer.de)
[6] https://www.watermed-project.eu/
[7] Fraunhofer ISE, “Agrivoltaics: Opportunities for Agriculture and the Energy Transition,” 2020.
[8] Elamri Y, Cheviron B, Lopez J-M, Dejean C, Belaud G, “Water budget and crop mod-elling for agrivoltaic systems: application to irrigated lettuces,” Agricultural Water Management, No. 208, 2018, pp. 440–453. https://www.sciencedirect.com/science/article/abs/pii/S0378377418309545.
[9] B. Valle, T. Simonneau, F. Sourd, P. Pechier, P. Hamard, T. Frisson et al., “Increasing the total productivity of a land by combining mobile photovoltaic panels and food crops,” Applied Energy, Vol. 206, 2017, pp. 1495–1507. doi:10.1016/j.apen-ergy.2017.09.113.
[10] Cheo AE, Adelhardt N, Krieger T, et al. Agrivoltaics across the Water-Energy-Food-Nexus in Africa: Opportunities and Challenges for Rural Communities in Mali. Research Square; 2022. DOI: 10.21203/rs.3.rs-1503422/v1
[11] Power Africa. (2018) Mali Factsheet. Retrieved from: https://www.usaid.gov/powerafrica/mali.
[12] Diarra, D.-C.; Akuffo, F. O. (2002): Solar photovoltaic in Mali: potential and constraints. In: Energy Conversion & Management (43), S. 151–163.