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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 08/2023
  • Gurbuz Gonul

Erneuerbare Energien: Treiber der Transformation von Existenzen in der Landwirtschaft

Ein dezentrales Angebot bietet Chancen für eine gerechtere Energieversorgung und bessere Ernährungssicherheit. Es bedarf jedoch internationaler politischer Anstrengungen, um den Anschub zu finanzieren.

Eine Farmerin zeigt das Ergebnis eines Projekts für solarbetriebene Bewässerung in Simbabwe. © David Brazier / IWMI

Energie ist ein zentraler Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und sozioökonomische Fortschritte. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die Verbesserung von Lebensbedingungen und Existenzgrundlagen. Die Landwirtschaft, die ein wichtiger Sektor für das Wirtschaftswachstum und die Ernährungssicherheit ist, trägt etwa vier Prozent zum globalen Bruttoinlandsprodukt bei. Sie ist Nutznießer des Energieeinsatzes, da etwa 2,5 Milliarden Menschen an verschiedenen Schaltstellen der landwirtschaftlichen Wertschöpfungsketten irgendeine Form von Energieträgern verwenden.

Steigender Verbrauch

Der Energieverbrauch für die Produktion, den Vertrieb und den Verbrauch von Lebensmitteln ist zwischen 2000 und 2018 um mehr als 20 Prozent gestiegen. Dieser Anstieg wurde vor allem durch die Mechanisierung in Asien in Form von Bewässerungspumpen, landwirtschaftlichen Maschinen, Verarbeitungsanlagen und Betriebsmitteln wie Düngemitteln verursacht. Der Energieverbrauch in Afrika, wo etwa 15 Prozent der Weltbevölkerung leben und wo der Nahrungsmittelbedarf wächst, ist weitgehend konstant geblieben und macht nur etwa vier Prozent des weltweiten Energieverbrauchs in Agrar- und Ernährungssystemen aus.

Vom weltweiten Energieverbrauch machen Ernährungssysteme etwa 30 Prozent aus, wobei der größte Teil davon in den Nacherntephasen anfällt, die weitgehend mit fossilen Brennstoffen betrieben werden. Energie wird dabei nicht nur in der Primärerzeugung für Bewässerung und Ernte benötigt, sondern auch für Verarbeitung, Lagerung, Transport und Vertrieb. Der Energiebedarf in flankierenden Sektoren wie der Düngemittelherstellung, agrochemischen Verfahren und der Produktion von landwirtschaftlichen Geräten und Maschinen ist hierbei noch nicht berücksichtigt.

Etwa 38 Prozent dieser Energie wird allerdings durch den Verlust von Lebensmitteln an der einen oder anderen Stelle der Wertschöpfungskette verschwendet. Daten zeigen, dass etwa 14 Prozent der weltweit produzierten Lebensmittel zwischen Ernte und Einzelhandel verloren gehen. Daher muss der Einsatz von Energie für Lagerung, Verarbeitung und Transport auf nachhaltige, effiziente und kostengünstige Weise erhöht werden.

Um den wachsenden Energiebedarf in der Agrar- und Ernährungswirtschaft nachhaltig und klimaschonend zu decken, bieten sich Technologien für erneuerbare Energien an. Mit erneuerbaren Energien lassen sich die Treibhausgasemissionen des Sektors reduzieren, die etwa 12,35 % der gesamten weltweiten Emissionen ausmachen.

Energiewende für Kleinbauern

Der gegenwärtig vorherrschende Einsatz fossiler Energieträger im Agrar- und Ernährungssektor ist nicht nachhaltig, während gleichzeitig Millionen von Landwirten und landwirtschaftlichen Betrieben gar keinen Zugang zu zuverlässiger, erschwinglicher und sauberer Energie haben. Die steigenden Preise für fossile Brennstoffe erweisen sich ebenfalls als eine wachsende Belastung, da sie die Kosten für Produktion, Verarbeitung und den Transport in die Höhe treiben – was sich wiederum unmittelbar in höheren Kosten für die Verbraucher niederschlägt.

Demgegenüber zeigt die IRENA-Analyse, dass die Preise für erneuerbare Energien kontinuierlich im Sinken begriffen sind. So fielen die Kosten für die Stromerzeugung aus Photovoltaik und Onshore-Windkraft im Jahr 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent respektive um 15 Prozent. Dies ist ein starkes Argument für die vermehrte Einführung von Technologien für erneuerbare Energien im Agrar- und Ernährungssektor.

Kleinerzeuger tragen dabei maßgeblich zur weltweiten Nahrungsmittelversorgung bei, da rund 1,5 Milliarden Menschen ihren Lebensunterhalt mit einer Landfläche von maximal zehn Hektar bestreiten. Viele dieser Landwirte leben in einigen der ärmsten Regionen wie den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, und die meisten von ihnen haben keinen Zugang zur Stromversorgung.

Solar- und Windfarm auf der kapverdischen Insel Brava. Grüner Strom wird in Ernährungssystemen eine wachsende Rolle spielen, da diese 30 Prozent der weltweiten Energie verbrauchen. © IRENA via Flickr / courtesy of Associated Energy Developers

Dezentrale Lösungen für erneuerbare Energien (DRE) können eine Schlüsselfunktion bei der Bereitstellung moderner Energie in Gebieten ohne zuverlässigen und erschwinglichen Zugang zu Netzen einnehmen. Durch den modularen Aufbau von dezentralen erneuerbaren Energiequellen können Anbieter auf lokal verfügbare Ressourcen zurückgreifen, Energiedienstleistungen maßschneidern und sie in verschiedenen Wertschöpfungsketten der Agrar- und Ernährungswirtschaft anbieten. Solche Lösungen würden zu höheren landwirtschaftlichen Erträgen, höheren Einkommen, geringeren Nachernteverlusten, mehr Widerstandsfähigkeit gegenüber dem Klimawandel und zu geringeren Emissionen führen.

Jedoch ist die Verbreitung von erneuerbaren Energien in den Gebieten, die sie am meisten bräuchten, weltweit noch äußerst gering. Als größte Hindernisse haben sich erwiesen:

Für Kleinbauern werden erneuerbare Energielösungen nur dann erschwinglich, wenn geeignete Finanzprodukte mit bezahlbaren Zinssätzen und längeren Zahlungsfristen verfügbar und zugänglich sind.

Gezielt Anschübe geben

Wenn jedoch Mechanismen für erschwingliche Finanzierungen und für die Risikominderung gezielter eingesetzt werden, kann es zu einem Systemwandel in der Agrar- und Ernährungswirtschaft kommen, der wiederum entlang der Wertschöpfungsketten Impulse geben kann, um neue Märkte für die unterschiedlichsten Akteure zu schaffen.

Daher bedarf es eines umfassenden Ansatzes, der geeignete Finanzmittel mobilisiert, um dezentrale Lösungen erschwinglicher zu machen, die Entstehung und Entwicklung lokaler Unternehmen zu unterstützen und vor Ort Kapazitäten aufzubauen und zu stärken. Die Internationale Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) und die Regierung der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben die Notwendigkeit eines solchen Ansatzes erkannt und eine Initiative mit dem Namen "Empowering Lives and Livelihoods: Renewables for Climate Action" ins Leben gerufen.

Ziel ist es, 1 Mrd. Dollar zusammenzubekommen, um den Einsatz dezentraler erneuerbarer Energielösungen zur Stärkung der Wertschöpfungsketten in der Agrar- und Ernährungswirtschaft zu fördern. Die Initiative wird offiziell am Rande der 28. Klimakonferenz der Vereinten Nationen (COP28) in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) vorgestellt.

Indische Bewässerungslandwirtschaft: Frauen auf einem Zwiebelfeld im Bundesstaat Tamil Nadu. © Hamish John Appleby / IWMI

Vor dem Hintergrund einer Analyse von IRENA und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO), die zeigt, dass Frauen in den meisten Entwicklungsländern bis zu 80 Prozent der Nahrungsmittel produzieren, es für sie jedoch zunehmend schwieriger wird, an Ressourcen wie Wasser, Land, Kredite und produktivitätssteigernde Betriebsmittel und Dienstleistungen heranzukommen, wird die Initiative zugleich, insbesondere für Frauen, die Chancengleichheit fördern. Erneuerbare Energielösungen und integrierte Ernährungs- und Energiesysteme können direkt sowohl die Energie- als auch die Ernährungssicherheit verbessern und dabei zur Schaffung von Arbeitsplätzen, zur Gleichstellung der Geschlechter und zur Klimaresilienz beitragen.

Mit ihrer gemeinsamen Aktion wollen IRENA und die VAE den Einsatz erneuerbarer Energien in der Agrar- und Ernährungswirtschaft fördern, damit Existenzgrundlagen verbessert, die wirtschaftliche Tätigkeit angekurbelt, die Armut verringert und die Qualität sozialer Dienstleistungen wie der Gesundheitsversorgung verbessert werden können.

Um dies zu erreichen, ist eine stärkere Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Interessengruppen unabdingbar: Es gilt daher, Synergieeffekte zu erzielen und Doppelarbeit zu vermeiden, und zwar in enger Abstimmung mit den Regierungen und Gemeinden, um die besten Lösungen für die unterschiedlichen Bedürfnisse und standortbezogene Rahmenbedingungen zu finden. Zu diesem Zweck haben IRENA und die VAE im Vorfeld der COP28 begonnen, mit Regierungen, Stiftungen, Fonds, Philanthropen und dem privaten Sektor gemeinsame Vorbereitungen zu treffen.

Gurbuz Gonul International Renewable Energy Agency, IRENA

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