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  • Klima & Ressourcen
  • 10/2023
  • Dr. Christian Bunn

Klimaanpassung für Kaffeeunternehmen: EU nimmt Industrie in die Pflicht

EU-Regeln über entwaldungsfreie Wertschöpfungsketten sollen auch Kaffeeanbau nachhaltiger machen. Doch Satellitenbeobachtung hat ihre Tücken. Kleinerzeuger könnten die Verlierer sein.

Kaffeebohnen kurz nach dem Rösten in einem Dorf in Indonesien. © Ulet Ifansasti/CIFOR

Die globale Erwärmung führt bereits zu einer Verschiebung der Klima- und Vegetationszonen auf der Erde und wird zweifellos im Laufe der kommenden Jahrzehnte zu weiteren Verschiebungen führen – in der Regel nach Norden, oder in die Höhe, aber manche Pflanzen werden auch bergab wandern, weil dort mehr Wasser vorhanden ist. Auch der Kaffeeanbau ist von einer Verschiebung betroffen; gutgemeinte EU-Unterstützung kann aber für Kaffeebauern auch Nachteile bringen.

Schon sehr früh in meinem Berufsleben wurde ich zu einem hochrangigen Treffen von Vertretern der Kaffeeindustrie eingeladen. Meine Aufgabe war es, die Ergebnisse einer unserer ersten Klimafolgenstudien für Kaffee zu präsentieren. Sie zeigten eindeutig einen Verlust an verfügbarer Fläche und hohe Risiken für alle Kaffeezonen in Guatemala. Ich erinnere mich noch gut daran, wie einer der ranghöchsten Vertreter im Saal antwortete: "Es wird immer jemanden geben, der Kaffee produziert. Der Klimawandel ist ein Problem für die Kleinbauern, aber nicht für die Industrie."

Das ist jetzt nicht mehr so. Die neue EU-Verordnung über entwaldungsfreie Wertschöpfungsketten (EUDR) kann die Anpassung an den Klimawandel zu einer Pflichtaufgabe auch für Kaffeeunternehmen machen. Der Titel der Verordnung macht deutlich, was sie bezweckt: zu verhindern, dass Kaffee aus abgeholzten Anbauflächen auf den europäischen Markt gelangt. Man kann jedoch auch sagen, dass sie die Anpassung an den Klimawandel auf Betriebsebene für Kaffeeunternehmen nicht nur schwieriger, sondern auch unvermeidlich macht.

Natürlich ist es in den Räumen eines Hamburger Unternehmensturms allzu leicht, Kaffee als bloße Zahl zu betrachten, die auf Knopfdruck durch andere Zahlen ersetzt werden kann. Ich bin aber auch auf das andere Extrem gestoßen, das den Klimawandel als Problem für die natürliche Umwelt betrachtet. Es wurde viel geforscht, um herauszufinden, wie sich das Klima auf die Arten auswirken wird, oder wie schnell sie sich durch evolutionäre Prozesse anpassen können. Globale Klimamodelle sind sich in der Regel einig über die Richtung der Veränderungen bei der Temperatur, sind aber sehr unsicher, was die Veränderungen bei den Niederschlägen angeht.

Die Arbeiten zeigen in der Regel, dass sich die Biome entweder in der Breite zu den Polen oder in der Höhe verschieben. Niederschlagsverschiebungen heben sich oft gegenseitig auf, wenn mehrere Modelle berücksichtigt werden. Ein Teil des Problems besteht darin, dass in den gemäßigten Zonen die Temperatur die wichtigste Entscheidungsvariable für die Landwirtschaft ist, während wir vergessen, dass die tropischen Gesellschaften ihr Jahr in Trocken- und Regenzeiten unterteilen.

Tatsache ist, dass Kaffee eine Pflanze ist, die von Menschen in Gesellschaften produziert wird. Um die Auswirkungen des Klimawandels zu verstehen, müssen wir eine Systembetrachtung anstellen, anstatt uns nur auf Pflanzen-, Erzeuger- oder Handelsmodelle zu konzentrieren. Kaffee wird aus den beiden Sorten Robusta und Arabica hergestellt. Arabica ist die wohlschmeckende Sorte, die die Tasse köstlich macht, Robusta ihr produktives Geschwisterchen. Die Plantagen bleiben 20 bis 50 Jahre lang produktiv, so dass jeder Baum, der heute in den Boden gepflanzt wird, die volle Last der globalen Erwärmung tragen wird.

Beide Arten reagieren sehr empfindlich auf den Klimawandel, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Arabica stammt aus dem äthiopischen Hochland und benötigt ein kühles Klima. Mit der globalen Erwärmung wird die Arabica-Produktion an die Berghänge gedrängt, bis kein Land mehr übrigbleibt. Robusta kann viel höhere Temperaturen vertragen, braucht aber für eine volle Produktivität reichlich Niederschlag. Der steigende Energiegehalt der Atmosphäre führt zu extremeren Wasserkreisläufen und weniger verlässlichen Regenfällen, was die Robusta-Produktion für die Landwirte zunehmend riskanter macht.

Die gute Nachricht für die Kaffeebauern ist, dass die weltweite Nachfrage nach Kaffee in jedem Jahrzehnt um 20 Prozent steigt. Schätzungen zufolge wird mit Kaffee im Einzelhandel ein jährlicher Umsatz von 200 Mrd. Dollar umgesetzt, der unzählige Arbeitsplätze sichert. Im Norden sind Kaffeehäuser fester Bestandteil der Realwirtschaft, und höhere Qualitätsanforderungen stützen die Preise. Die Kaffeekonsumenten sind zunehmend bereit, ein wenig mehr für ihren Kaffee zu bezahlen, wenn die Bohne dadurch nachhaltiger wird.

Abholzung in Honduras

Aber der Markt ist hart, viele Kaffeebauern leiden unter Unterernährung, fehlendem Zugang zu medizinischer Versorgung und Bildungsmöglichkeiten. Die Wirklichkeit der Kaffeeproduktion weicht oft von den romantischen Behauptungen der Werber ab: Mechanisierte Mega-Plantagen in Brasilien, übermäßig ausgebeutetes Grundwasser in Vietnam oder Abholzung in Honduras sind alltäglich, aber selten auf dem Fernsehbildschirm zu sehen. Jüngsten Untersuchungen zufolge ist der Kaffeehandel aus Honduras nach Palmöl aus Indonesien die zweitgrößte Quelle für importierte, zurechenbare Abholzung in Deutschland.

Als Reaktion darauf sieht die bahnbrechende EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte (EUDR) vor, dass jedes Produkt, das von einer Fläche stammt, auf der in jüngster Zeit abgeholzt wurde, nicht auf den europäischen Markt gelangen darf. Die EUDR trat am 29. Juni 2023 in Kraft. 18 Monate später müssen alle Unternehmen, die Kaffee, Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kautschuk in der EU verkaufen, über glaubwürdige Lösungen zur Rückverfolgung dieser Waren, zur geografischen Lokalisierung ihrer Produktions- oder Beschaffungsgebiete und zur Durchführung strenger Entwaldungsanalysen verfügen.

Unter dem Gesichtspunkt der Emissionsreduzierung ist das Argument eindeutig richtig. Die Abholzung ist die größte Quelle für Treibhausgasemissionen im Kaffeesektor. Leider kann die Verordnung aber auch unbeabsichtigte Folgen für die Anpassung haben. Erstens macht die obligatorische Überwachung der Einhaltung der EUDR mit Satellitensystemen die Beschaffung bei Erzeugern mit hohem Schattenwurf für Unternehmen riskant. Dieses Marktsignal könnte davon abhalten, eine vielfältige und dichte Beschattung als wichtige Anpassungsmaßnahme für Kaffee zu wählen. Zweitens wird auch der Markteintritt neuer Erzeuger für EU-Importeure riskanter, was sie in einem wachsenden Kaffeemarkt an bestehende Erzeuger bindet – und die Notwendigkeit schafft, diese rentabel zu halten.

Somit schlagen die EUDR und ihre Befürworter eine zu einfache Lösung vor, um die Einhaltung der Null-Abholzung zu überwachen: Für jeden Kaffee, der auf den europäischen Markt gebracht werden soll, muss die Parzelle dokumentiert werden, auf der er produziert wurde. Die Wechselwirkung zwischen Satellitenbeobachtung und Kaffeeökologie erfordert aber einen tieferen Blick: Denn Kaffee wird in einem breiten Spektrum von Produktionssystemen erzeugt.

Oft wird der "gute Kaffee" als "Waldkaffee", "Schattenkaffee" oder "reiner Hochlandkaffee" beworben. Das „nicht ganz so gute Zeug" wird wahrscheinlich in niedriger Höhe angebaut – ohne Schattenbäume. Die Menschen, die solche Bestände bewirtschaften, können in der Nähe des Waldes leben und ein Einkommen erzielen, ohne ihn zu zerstören. Die überwiegende Mehrheit des Kaffees wird jedoch in Hochleistungssystemen unter voller Sonne angebaut. Allein Brasilien liefert über 30 Prozent des weltweiten Kaffees, oft in großen mechanisierten Betrieben. Auf Satellitenbildern lassen sich solche Plantagen unter voller Sonne leicht von Wäldern unterscheiden, während die Parzellen von Kleinbauern nur schwer zu erkennen sind.

Im Hochland von Nicaragua wird Kaffee im Schatten des Waldes angebaut. © ICRAF

Zur Veranschaulichung des Problems werden zwei Extreme der Kaffeeproduktion betrachtet: Auf der einen Seite organisieren indigene Produzenten im zentralamerikanischen Hochland aufgrund ihrer abgelegenen Lage informelle Handelswege zu zentralen Sammelstellen. Ihr Kaffee wächst in biodiversen Systemen mit alten, einheimischen Schattenbäumen – es ist der „gute Stoff“. Doch die Importeure können nur schwer nachweisen, woher der Kaffee stammt. Selbst wenn die Koordinaten für die Kaffeestände angegeben werden können, erkennen die Satelliten den Wald. Für diesen Kaffee besteht ein hohes Risiko, dass er in der EU zurückgewiesen wird. Kaffee von einer brasilianischen Plantage hingegen – in der prallen Sonne, mit viel Dünger, bewässert und maschinell geerntet - wird die Anforderungen problemlos erfüllen und damit die allgemeine Absicht der EUDR, eine nachhaltige Produktion zu fördern, auf die Probe stellen.

Kaffeegebiete bereits trockner und heißer

Als wir vor Jahren mit unserer Arbeit begannen, fielen wir auch auf den Gedanken herein, dass der Klimawandel ein Thema für die ferne Zukunft sei. Doch schon heute sind Kleinbauern auf der ganzen Welt vom Klimawandel betroffen. In Honduras sichert hochwertiger Arabica-Kaffee den Lebensunterhalt von 110.000 Familien und bietet einer Million Landarbeitern eine gelegentliche Beschäftigung. Die Anfälligkeit der Arabica-Pflanze bedroht also die ländliche Wirtschaft und die Stabilität dieses Landes.

Die Kaffeeproduzenten berichten, dass sie bereits eine Veränderung des Klimas und eine Zunahme widriger klimatischer Ereignisse wie Stürme, unregelmäßige Niederschläge, zunehmende Temperaturschwankungen, Trockenheit, hohe Temperaturen und starke Winde wahrnehmen. Diese Trends verändern bereits Schädlinge und Krankheiten und verursachen Bodenerosion und unregelmäßige Blütezeiten. Die Datenanalyse des Zentrums für Tropische Landwirtschaft (CIAT) bestätigte diese Wahrnehmungen und zeigte, dass die Kaffeegebiete in Honduras in den letzten drei Jahrzehnten bereits trockener und heißer geworden sind. Die Jahrestemperaturen sind landesweit gestiegen, die potenzielle Evapotranspiration hat zugenommen, und die Niederschlagsverteilung ist variabler geworden.

Kaffeeanbau im Agroforstbetrieb in der DR Kongo. © Axel Fassio/CIFOR-ICRAF

Klimamodelle zeigen, dass die Temperaturen in Honduras in den kommenden Jahrzehnten weiter ansteigen werden. Um eine vorausschauende Anpassung zu unterstützen, haben wir einen kaffeespezifischen Gradienten der Klimaauswirkungen entwickelt. Der Gradient unterscheidet drei Stufen der Anpassungsbemühungen: An Standorten mit schrittweiser Anpassung wird das Klima höchstwahrscheinlich geeignet bleiben, und die Anpassung kann durch eine Änderung der Anbaumethoden erreicht werden. In Gebieten, in denen erhebliche Belastungen zu erwarten sind, werden eine systemische Änderung der Praktiken, aber auch eine Änderung der Risikomanagement-Strategie und angemessene Rahmenbedingungen durch Gesetzesanpassungen empfohlen. Eine transformative Anpassung wird dort empfohlen, wo das Klima die Kaffeeproduktion wahrscheinlich unmöglich machen wird.

Erzeuger tragen Kosten der Umstellung

Dank der EUDR beginnt die Idee der transformativen Anpassung, auch bekannt als "weg vom Kaffee, hin zu widerstandsfähigeren Pflanzen", die Branche zu erschrecken. In den letzten Jahrzehnten wurde neuer Kaffee von bestehenden Betrieben angebaut, die ihre Produktion steigerten, ohne die Fläche zu vergrößern. Die Abholzung der Wälder wurde in Mittelamerika zum Problem, wo Erzeuger versuchten, hohe Preise zu erzielen, die in der Regel mit den großen Höhenlagen verbunden sind. Sie legten ihre Parzellen weiter oben am Hang an.

Neue Erzeuger in die Lieferkette aufzunehmen, verursacht den Importeuren zusätzliche Kosten: Jeder muss sowohl in guten landwirtschaftlichen Praktiken geschult werden sowie in den administrativen Abläufen zur Einhaltung der Verordnung, und er muss mit Satellitenüberwachungssystemen abgeglichen werden.

Zu einer wirksamen Anpassung können Initiativen des Privatsektors beitragen, idealerweise mit unterstützenden öffentlichen Maßnahmen. Derzeit müssen jedoch die Erzeuger in der Regel den Großteil der Kosten für die Umstellung auf klimafreundliche Produktionssysteme tragen, ohne voll von den Vorteilen zu profitieren. Die Regierungen können den Privatsektor unterstützen, indem sie wirksame Vorschriften erlassen, private Standards anerkennen, die Transparenz der Lieferkette fördern, die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften für Kleinproduzenten übernehmen und Mechanismen zur Vermeidung von Trittbrettfahrern schaffen.

Um die Akzeptanz zu erhöhen, müssen die Nachhaltigkeitsanforderungen für die Erzeuger wirtschaftlich und technisch machbar sein. Initiativen in der Lieferkette können unbeabsichtigte soziale Folgen haben, indem sie die Positionen mächtiger Akteure festigen und Kleinbauern und indigene Gruppen vom Marktzugang ausschließen, wenn die Nichteinhaltung von Standards kriminalisiert wird. Der Klimawandel kann ärmere Erzeuger weiter marginalisieren, da Landwirte mit gutem Zugang zu Kapital und Technologie eher in der Lage sind, aufkommende Klimarisiken zu bewältigen.

Dr. Christian Bunn International Center for Tropical Agriculture (CIAT), Cali, Kolumbien
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