Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

  • Klima & Ressourcen
  • 10/2023
  • Astrid Prange de Oliveira

Wird der Amazonas wieder zum Modell für Klimaschutz – auch außerhalb Brasiliens?

Die Regierung Lula setzt beim Schutz der Regenwälder auf Kooperation im globalen Süden. Von den Industrieländern fordert sie weniger Ratschläge – dafür mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel.

Der Saum zwischen Agrarland und Waldgebiet. Luftaufnahme nahe Rio Branco im brasilianischen Bundesstaat Acre. © Kate Evans/CIFOR

Was  den Klimaschutz angeht, gilt in Brasília das Motto: „I do it my way“. Womöglich inspiriert von dem berühmten Motto Frank Sinatras, signalisiert Brasiliens Präsident Luiz Inácio Lula da Silva eines ganz sicher: Ich mache es auf meine Art. Klimaschutz made in Brazil 2023 bedeutet: Brasilien bestimmt, die Industrieländer zahlen.

„Der Reichtum der Industrieländer basiert auf einem Modell, das in hohem Maße klimaschädliche Gase ausstößt”, erklärte Lula bei seiner Rede vor der UN-Vollversammlung am 19. September. Diese Länder müssten nun ihre historischen Schulden begleichen.

Das neue Selbstbewusstsein kommt zu einem Zeitpunkt, in dem die Welt auf Brasilien blickt. Denn nach vier Jahren politischer Geisterfahrt unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro (2019-2022), will das Land erklärtermaßen seinen verlorenen Platz als Vorreiter beim Klimaschutz zurückerobern.

Amazonasfonds und Grüner Klimafonds

Aber wie will Brasilien das tun? Unter den Finanzierungsinstrumenten, die Schwellen- und Entwicklungsländern für die Anpassung an den Klimawandel und den Abbau von CO2 Emissionen zur Verfügung stehen, herrscht ein großes Wirrwarr. Doch zwei Instrumente stechen hervor.

Brasilien verfügt neben dem 2010 von 194 Mitgliedsstaaten der UNO-Klimarahmenkonvention ins Leben gerufenen Grünen Klimafonds noch über ein weiteres, wesentlich flexibleres Instrument: Den Amazonasfonds.

Der vor 15 Jahren am 1. August 2008 gegründeten Fonds wird finanziell von Norwegen (90 Prozent) und Deutschland (10 Prozent) gespeist. Die Gelder müssen nicht zurückgezahlt werden. Der Fonds verfügt aktuell über ein Kapital in Höhe von 1,2 Milliarden Dollar. Mit den neuen Zusagen von Deutschland, Großbritannien, Dänemark, Schweiz, USA und der EU könnten diese Mittel verdoppelt werden.

Erst handeln, dann auszahlen

Das Besondere am Amazonasfonds ist, dass erst die mit den Gebern vereinbarten Ziele erreicht sein müssen, bevor die Mittel fließen. Mit anderen Worten: Brasilien muss nachweisen, dass die Entwaldungsraten sinken, um Mittel abrufen zu können.

Die Viehwirtschaft ist ein bedeutender Treiber der Entwaldung im Amazonas. © Kate Evans/CIFOR

Die Methode wirkt: Zwischen 2008 und 2020 sank die Entwaldung im Amazonasraum laut dem brasilianischen Institut für Weltraumforschung (INPE) von rund 13.000 auf 4.500 Quadratkilometer im Jahr. Doch 2021 erreichte die Vernichtung des Regenwaldes wieder die 13.000 Quadratkilometermarke.

Seit dem Amtsantritt von Lula im Januar zeichnet sich erneut ein positiver Trend ab. Laut INPE ist die Entwaldung im brasilianischen Amazonas in den ersten acht Monaten dieses Jahres um 48 Prozent zurückgegangen. Dadurch wurde die Emission von 196 Millionen Tonnen Kohlendioxid in die Atmosphäre verhindert.

Unter brasilianischer Aufsicht

Ein weiteres wichtiges Merkmal des Amazonasfonds ist die nationale Autonomie. Wie die Mittel eingesetzt und politisch priorisiert werden, bestimmt das Land selbst, Projektanträge werden bei geringem Abstimmungsbedarf schnell genehmigt. „Der Fonds wird komplett von Brasilien verwaltet, von der Projektauswahl bis zur Mittelvergabe“, betont Nabil Moura Kadri von der brasilianischen Entwicklungsbank BNDES, die für die Verwaltung des Fonds zuständig ist.

„Die Geber gehören dem Organisationskomitee des Fonds nicht an", ergänzt er, "und dieses Komitee entscheidet über die Auswahl von Projekten.“ Die Bandbreite dieser Projekte ist groß und erstreckt sich über nachhaltige Landschaften für den Anbau von Gemüse für Schulspeisungen für Kinder an öffentlichen Schulen im brasilianischen Amazonas bis hin zur Ausweisung und Verwaltung von Naturschutzgebieten in der Region.

Dorfbewohner am Fluss Napo leben vom Holzschlag im Regenwald. © Tomas Munita/CIFOR

Mit dem Fonds werden auch Klimaschutzprojekte außerhalb Brasiliens unterstützt. Dazu gehört zum Beispiel die finanzielle und technische Unterstützung für eine gemeinsame Satellitenüberwachung des Regenwaldes in den acht Amazonas-Anrainerstaaten (Brasilien, Bolivien, Kolumbien, Ecuador, Peru, Venezuela, Guyana und Suriname) in Kooperation mit der Organisation für Kooperation im Amazonas OCTA.

Jenseits von Lateinamerika werden auch Schutzmaßnahmen für Regenwälder am Mekong-Strom, in Kongo-Brazzaville und der Demokratischen Republik Kongo sowie auf Borneo finanziert. „Eine Süd-Süd-Kooperation ist möglich und erwünscht“, erklärt Administrator Moura.

Die neue Rolle Brasiliens umriss Lula auf der UN-Generalversammlung: „Wir wollen auf der Konferenz in Dubai eine gemeinsame Vision zum Schutz der Regenwälder im Amazonasbecken, im Kongo und am Mekong erreichen, die unseren Bedürfnissen entspricht – ohne jegliche Bevormundung.“

Ölförderung im Amazonasbecken?

Genau verfolgt wird die Entwicklung vom brasilianischen Klimaobservatorium (Observatório do Clima), einem Dachverband, in dem sich rund 90 Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen haben. „Der Amazonasfonds ist für Brasilien das wichtigste Instrument, um internationale Zuwendungen zu akquirieren“, betont dessen Direktor Marcio Astrini.  

Mit Erleichterung beobachtet Astrini, dass der Fonds nach über vier Jahren Zwangspause unter Ex-Präsident Jair Bolsonaro wieder seine Arbeit aufgenommen hat. Die Finanzierung von Klimaschutzprojekten läuft wieder an. Die brasilianischen Behörden haben ihre Kontrollen bei der Abholzung verstärkt.

Politisch hinterlegt ist diese Wende durch die Wiederaufnahme des Plans zur Prävention und Kontrolle von Abholzungen im Amazonas, genannt Ppcdam. Dazu gehört auch die Aufstockung der Mittel für Umweltbehörde Ibama , die unter Bolsonaro  zurückgefahren worden war. Sie konnte ihre Kontrollen seit Jahresbeginn um 200 Prozent erhöhen.

Baumschule im brasilianischen Bundesstaat Acre. Die Regierung fördert die Aufforstung. © Kate Evans/CIFOR

Dennoch sieht Astrini im Bereich Umweltschutz nicht nur positive Signale. So hätten sich beim Gipfeltreffen der Amazonasanrainerstaaten Ende August in Belém weder Präsident Lula noch Umweltministerin Marina Silva eindeutig gegen die Förderung von Erdölvorkommen im Amazonasbecken ausgesprochen. „Es ist völlig absurd, im Amazonasbecken einen Rohstoff abzubauen, der den Regenwald zerstört“, sagt er.

Brasiliens Umweltministerin reagierte in einem Interview mit der Deutschen Welle auf die Kritik. „Ja, es ist ein Widerspruch“, räumt sie ein. „Doch diesen Widerspruch gibt es nicht nur in Brasilien, sondern weltweit.“ Bisher habe es kein Land geschafft, so die Umweltministerin, die fossilen Brennstoffe komplett durch erneuerbare Energien zu ersetzen. Noch könne die Welt nicht zu 100 Prozent auf fossile Brennstoffe verzichten. Widerstand gegen eine Ölförderung gibt es auch im Land selbst. Aber die Regierung behält sich die Entscheidung vor.

Billionen für fossile Energien

Weltweit werden fossile Energien tatsächlich weiter wesentlich stärker gefördert als erneuerbare Quellen. Nach Angaben des Internationalen Währungsfonds (IWF) beliefen sich die Subventionen dafür im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von 7 Billionen Dollar.    

Dagegen wirken die geplanten jährlich 100 Milliarden Dollar für den Grünen Klimafonds (Green Climate Fund – GCF) geradezu bescheiden. Nach Angaben des Bundesentwicklungsministeriums (BMZ) sind in den Fonds, der Zuschüsse, Kredite, Garantien und Eigenkapital für nationale und internationale Programme zur Verfügung stellt, bisher 19 Milliarden Dollar eingezahlt worden. Die jüngste Aufstockungsrunde im Oktober in Bonn hat  weitere 9,32 Milliarden Dollar erbracht.

Die Struktur des 2009 ins Leben gerufenen Fonds unterscheidet sich von traditionellen Finanzorganisationen wie der Weltbank und dem IWF dadurch, dass die Leitungsgremien paritätisch von Vertretern aus Industrie- und Entwicklungs- und Schwellenländern besetzt sind Entwicklungshilfe- und Klimaschutzorganisationen kritisieren allerdings, dass die Bearbeitung von Projektanträgen langwierig und kompliziert sei.

„Die Mechanismen müssten verbessert werden, daran habe ich keine Zweifel“, erklärte auch Ministerin Silva im DW-Interview. Doch selbst wenn die  geplante Finanzierung in diesem Jahr erstmals 100 Milliarden Dollar erreichen sollte, sei dies noch zu wenig, macht die Politikerin deutlich. „Die Investitionen, um die Erderwärmung zu begrenzen, sind unzureichend. Die Verpflichtungen werden einfach nicht eingehalten.“

Brasilien will auf der bevorstehenden Klimakonferenz zeigen, dass – und wie es auch anders geht. „Wir wollen in Dubai erfolgreiche Wiederaufforstungsprojekte und eine ökologische und produktive Nutzung von Regenwäldern vorführen“, kündigt Amazonasfonds-Chef Nabil Moura an. „Wir betreuen mittlerweile 102 Projekte.“

Astrid Prange de Oliveria
Astrid Prange de Oliveira Deutsche Welle

Das könnte Sie auch interessieren