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  • Agrar- & Ernährungspolitik
  • 08/2023
  • Claudia Ringler, Zain Muhammad Akbar

Bahnbrechend, aber kein Allheilmittel: erneuerbare Energien in der Bewässerung

Solare Pumpen statt fossiler Kraftstoffe verbessern den Zugang zur Bewässerungslandwirtschaft in abgelegenen ländlichen Gebieten. Aber sie verleiten auch zu hohem Grundwasserverbrauch.

Solarpanele im indischen Bundesstaat Haryana 2014. Seitdem ist der Preis gesunken. © Prashanth Vishwanathan / IWMI

Obwohl erneuerbare Energien bisher noch keine wichtige Rolle in der globalen Bewässerungslandwirtschaft spielen, wird diese bahnbrechende Technologie die Bewässerungslandwirtschaft verändern. Sie ist allerdings per se kein Allheilmittel, und wird die Wasserknappheit wahrscheinlich noch verschlimmern.

Die Bewässerungslandwirtschaft wird in einer sich schnell erwärmenden Welt für die Ernährungssicherheit und die Klimaresilienz immer wichtiger. Bewässerung unterstützt schon heute etwa 40 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion auf nur 20 Prozent der gesamten Ackerfläche. Sie hilft, die landwirtschaftliche Produktion trotz zunehmenden Klimawandels, einschließlich Dürren, weiter aufrechtzuerhalten.

Im Bewässerungssektor hat es in den vergangenen Jahrzehnten dramatische Veränderungen gegeben: Von den 1960er bis in die 90er Jahre herrschten hauptsächlich großflächige, durch Stauseen und Kanäle unterstützte Oberflächensysteme vor. Danach gab es eine radikale Umkehr, heute beruht das Wachstum im Bewässerungssektor vor allem  auf kleineren, grundwassergespeisten, direkt von Bauern finanzierten Systemen. Diese Anlagen werden entweder mit Hand, Diesel- oder Elektropumpen betrieben.

Rund 35–40 Prozent der gesamten globalen Bewässerunglandwirtschaft werden heute aus Grundwasser gespeist. Dies trägt wegen des Energieeinsatzes erheblich zu Treibhausgasemissionen (THG) bei. In Indien beispielsweise ist die Grundwasserbewässerung für schätzungsweise 8–11 Prozent der gesamten Emissionen verantwortlich.

Elektrisch betriebene Pumpen, die allgemein effizienter und kostengünstiger zu betreiben sind, gibt es in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen selten, da dort der Zugang zu Elektrizität in ländlichen Gebieten unzuverlässig ist. Zum Beispiel leben schätzungsweise rund 600 Millionen Menschen in Afrika südlich der Sahara weiterhin ohne Stromversorgung. Während im ländlichen Südasien die Elektrifizierung offiziell bei 98 Prozent liegt, gibt es vielerorts dennoch keinen Strom; viele arme Haushalte können sich oft keinen Anschluss leisten.    

Der fehlende Zugang zu Elektrizität oder anderen, erneuerbaren Energiequellen beeinträchtigt die Entwicklung von Bewässerungsinfrastruktur, Zentren der landwirtschaftlichen Verarbeitung und Kühlanlagen. Dies führt dazu, dass nährstoffreiche Nutzpflanzen wie Obst und Gemüse sowie tierische Nahrungsmittel wie Milch und Eier auf den Märkten und in den Haushalten weniger verfügbar sind. Gleichzeitig erschweren die hohen und schwankenden Kosten für Dieselkraftstoff im Zuge der wiederkehrenden Preiskrisen die Nutzung von Dieselpumpen für ärmere Landwirte.

Solar betriebene Pumpen als Lösung?

Eine mögliche Lösung für dieses Dilemma sind solare Bewässerungspumpen. Im Laufe des letzten Jahrzehnts sind die Kosten für Solarmodule drastisch gesunken, sodass wohlhabendere Landwirte ihre eigenen Solarbewässerungspumpen kaufen können. Solarbewässerungssysteme vermeiden den Verbrauch von schmutzigem Kraftstoff und verbessern den Zugang zur Bewässerung in abgelegeneren ländlichen Gebieten, in denen weder Strom noch Diesel verfügbar sind.

Angesichts der Tatsache, dass die Kapitalinvestitionskosten für solarbetriebene Bewässerungspumpen im Vergleich zu Diesel- oder Elektropumpen viel höher sind, ist ihre Verbreitung bisher gering. Solarpanele zum Pumpen von Wasser für einen Hektar aus 15 bis 20 Metern Tiefe können leicht 15 000 US-Dollar kosten. Selbst in Indien, das über mehrere Subventionsprogramme für Solarpumpen verfügt – die bis zu 90 Prozent der Kosten der Pumpen übernehmen – wurden von insgesamt etwa 30 Millionen in der Bewässerung eingesetzten Pumpen nur 0,5 Millionen durch solarbetriebene Pumpen ersetzt. Zudem können die Landwirte dort aufgrund höherer Subventionen für größere Pumpen häufig nur überdimensionierte Anlagen erwerben, die mehr Wasser pumpen, als für die maximale Bewässerung benötigt wird.

Nutzung von Grundwasser steigt – und der Wasserspiegel sinkt

Allerdings hat die zunehmende Grundwasserabhängigkeit in der Bewässerungslandwirtschaft zu einer Absenkung der Grundwasserspiegel geführt. In immer mehr Ländern werden Grundwasservorkommen übernutzt, indem den wasserführenden Schichten mehr Wasser entzogen als zugeführt wird. 

Darüber hinaus verstärkt die zunehmende Grundwasserbewässerung angesichts der hohen Investitionskosten – im Vergleich zum Zugriff auf Oberflächenbewässerung – die sozialen Ungleichheiten.

Reichere Landwirte können sich eher motorisierte Pumpen leisten und wenn der Grundwasserspiegel sinkt, noch tiefere Brunnen bohren, die auch schon mal den Trinkwasserzugang erschweren. Die Herausforderungen der Grundwasserabsenkung und -degradation werden durch Solarpumpen noch verschärft: Ohne laufende (Diesel-)Kosten können Landwirte so viel Grundwasser pumpen, wie sie benötigen, was die Grundwasserabsenkung noch beschleunigt. 

Solarpumpen in Punjab/Pakistan

In Punjab, Pakistans wichtigster Agrarregion, sind die Chancen und Risiken einer solargestützten Bewässerung deutlich zu sehen. Um die Nutzung von Solarpumpen anzukurbeln, startete die Provinzregierung dort im Jahr 2012 ein Subventionsprogramm. Um zugleich die Gefahr sinkender Grundwasserspiegel zu reduzieren, müssen die Bauern zusätzlich zur Solarpumpe auch noch ein Tröpfchenbewässerungssystem installieren. 

Aus Gesprächen mit Bauern im Mai 2023 während eines Workshops zum Thema Solarbewässerung an der Khwaja Fareed Universität, aufgezeichnet von der NEXUS Gains Initiative, wurde schnell klar, dass das subventionierte System, das mit verschiedenen Zusatzgebühren und Steuern verbunden ist, für die Bauern teurer ist, als eine Solarpumpe auf dem freien Markt. Drei Viertel der Teilnehmer waren der Ansicht, dass nur Großbauern die Nutznießer des staatlichen Subventionsprogramms seien. Zudem eignet sich die Tröpfchenbewässerung nur für wenige Pflanzensorten und hat hohe Wartungskosten.  

Das Programm hat aber bei Obst- und Gemüseanbauern Anklang gefunden, die zuvor noch keinen Zugang zur Bewässerung hatten sowie bei Bauern mit sandigen Böden. Aber auch ohne Subventionen investieren Landwirte in Punjab zunehmend in Solarpumpensysteme. Der Hauptgrund dafür sind die steigenden Energie- und anderen landwirtschaftlichen Produktionskosten, wie eine Umfrage des International Water Management Instituts unter 300 Bauern ergab, die sich solche Systeme gekauft hatten. Die Umfrage erfolgte in Verbindung mit dem von der Swiss Agency for Development and Cooperation unterstützten Solar Irrigation for Agricultural Resilience (SoLAR) Projekt. 

Solarbetriebene Rohrleitungen werden in der pakistanischen Provinz Punjab für die Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen eingesetzt. © IWMI/Pakistan

Workshopteilnehmer nannten eine Reihe von Gründen, die den Kauf von Solarpumpen beeinträchtigen. Diese schließen minderwertige Solarmodule und zugehörige Ausrüstung, mangelnde Standardisierung der Pumpen, sowie die hohen Anfangskosten von Solarpumpen mit ein. Zudem bieten Banken und andere Finanzierungsinstitute keine Finanzprodukte für den Kauf von Solarpumpen an, sondern stellen weiterhin hauptsächlich Kredite für kostengünstigere Düngemittel und Saatgut bereit. 

Die Teilnehmer sahen zudem auch die Gefahr für den Grundwasserspiegel. Mehr als 80 Prozent  sagten, dass der Grundwasserspiegel in den letzten zehn Jahren gesunken sei, und 72 Prozent gingen davon aus, dass Solarpumpen (im Vergleich zu Dieselpumpen) den Grundwasserspiegel weiter verschlechtern würden.

Wie lässt sich Solarenergie in der Bewässerung besser verankern?

Um erneuerbare Energien voranzutreiben müssen Lösungen gefunden werden, die gleichzeitig soziale, wirtschaftliche und ökologische Zielvorgaben erfüllen. Das CGIAR NEXUS Gains Programm konzentriert sich darauf, erneuerbare Energietechnologien ärmeren Landwirtinnen und Landwirten in Südasien und Afrika südlich der Sahara zugänglich zu machen.

Dazu arbeitet die Initiative an verschiedenen Themen:

Zunächst ist es wichtig, bessere Informationen über erneuerbare Wasserressourcen bereitzustellen sowie Daten zur optimalen Dimensionierung ländlicher, erneuerbarer Energiesysteme zu erheben. Falsch dimensionierte Systeme kosten entweder zuviel, oder sie produzieren zu wenig Energie. Die Dimensionierung kann mit der Standardisierung von Geräten für erneuerbare Energien einhergehen. 

Der zweite Schritt ist die Stärkung des politischen und finanziellen Umfelds für erneuerbare Energiesysteme. Es müssen Geschäfts- und Finanzmodelle entwickelt werden, die für arme Landwirte attraktiv sind. Dazu gehört, die Landwirte und vor allem auch die Landwirtinnen über verfügbare Finanzierungsmöglichkeiten und den Zugang zu Finanzierungsquellen für erneuerbare Energiesysteme umfassend zu informieren.

Drittens wird es notwendig sein, Investitionen in ländliche erneuerbare Energiesysteme, die eine produktive Nutzung unterstützen, zu verstärken. Damit können die Systemkosten wieder erstattet werden, auch ohne Subventionsprogramme, die nur reiche Bauern erreichen.

Zudem ist es notwendig, lokale Institutionen beim besseren Grundwassermanagement zu unterstützen, damit ländliche Kommunen ihr Grundwasser selbst verwalten können. 

IFPRI und NEXUS Gains arbeiten auch zu diesem schwierigen Thema, mit einem u.a. von der Bundesregierung unterstützten Projekt in Indien. Es zielt darauf ab, das lokale Wissen und Verständnis von Grundwassersystemen zu verbessern und die kollektive Bewirtschaftung von Grundwasserressourcen zu unterstützen.

Als letzter, übergeordneter Schritt, müssen Regierungen und andere Investoren ihre isolierten Denkweisen überwinden. Interventionen im Energie, Wasser- und Nahrungsmittelsektor dürfen nicht isoliert und voneinander getrennt betrachtet werden. Es ist sicherzustellen, dass Investitionen in erneuerbare Energien sowohl die Versorgung mit Wasser und Energie sowie die Nahrungsmittelsicherung (idealerweise gleichzeitig) verbessern, ohne die Umwelt zu beeinträchtigen. Erst dann lassen sich die Vorteile von Bewässerungsanlagen mit erneuerbaren Energiequellen voll und nachhaltig verwirklichen.

Claudia Ringler International Food Policy Research Institute, Washington DC, und Co-lead NEXUS Gains Initiative
Zain Muhammad Akbar International Water Management Institute, Pakistan and NEXUS Gains researcher on renewable energy systems

Lesematerial:

Xie, H., C. Ringler and A. Mondal. 2021. Solar or Diesel: A Comparison of Costs for Groundwater-Fed Irrigation in Sub-Saharan Africa Under Two Energy Solutions. Earth’s Future 9(4): e2020EF001611

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