Wo Erde natürliche Funktionen verliert: Umkehr der Degradation nicht in Sicht
Landflächen mit natürlichen Haushalten und Kreisläufen werden immer weniger. Die Menschheit schafft es nicht, nur so viel zu zerstören, wie sie wiederherstellen kann.
Zu den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) gehört auch das Ziel 15 „Leben an Land“. Es setzt sich u.a. für eine nachhaltige Nutzung von Böden und eine Umkehr von Landdegradation ein. Leider ist auch dieses Ziel bislang weit davon entfernt, erreicht zu werden. In ihrem Zwischenbericht 2023 zum Stand der Zielerreichung der SDGs stellen die Vereinten Nationen mit Blick auf Ziel 15 fest, dass die meisten Verbesserungen “bescheiden“ geblieben seien.
Zwischen 2015 und 2019, so der UN-Bericht, wurden jährlich mindestens 100 Millionen Hektar gutes und produktives Land degradiert. Es verlor an natürlicher Leistungsfähigkeit. Pro Jahr entspricht das etwa der dreifachen Fläche Deutschlands. Die Einschränkungen wirken sich auf die Nahrungs- und Wassersicherheit von rund 1,3 Milliarden Menschen aus, die direkt von der Landdegradation betroffen sind.
Der Begriff der Landdegradation ist weiter gefasst als die Bodenerosion oder die Bodendegradation und umfasst alle negativen Veränderungen in der Bereitstellung von Ökosystem-Dienstleistungen. Das sind vom Naturhaushalt erbrachte regulierende, bereitstellende, kulturelle und unterstützenden Systeme und Kreisläufe. Dazu zählen auch biologische und wasserbezogene Funktionen sowie auch landbezogene soziale und wirtschaftliche Dienstleistungen.
Zu den Ursachen der Degradation gehören das Städtewachstum, Entwaldung und Umwandlung von Grasland, das Bevölkerungswachstum, unangepasste landwirtschaftliche Praktiken sowie die steigende Nachfrage nach nachwachsenden Rohstoffen und Fleisch.
In Subsahara-Afrika, Süd- und Westasien, Lateinamerika und der Karibik ist die Degradation des Landes schneller vorangeschritten als im globalen Durchschnitt. Mit 26,3 Prozent war ihr Anteil (2019) in Ostasien am höchsten.
Nach Schätzungen der UN-Konvention zur Bekämpfung der Wüstenbildung (UNCCD) haben wir Menschen global etwa 70 Prozent des eisfreien Landes verändert – mit Auswirkungen auf über drei Milliarden Menschen – vor allem aufgrund intensiver Landwirtschaft. Die UNCCD prognostiziert einen Verlust von unvorstellbaren 32 Milliarden Tonnen Kohlenstoff aus den Böden zwischen 2015 und 2030. Wobei Kohlenstoff der Grundbaustein aller organischen Verbindungen ist.
Degradations-neutrale Welt
Um eine Degradations-neutrale Welt zu erreichen, müssen bei sich fortsetzenden gegenwärtigen Trends bis 2030 ganze 1,5 Milliarden Hektar Land wiederhergestellt werden – das 15-Fache der jährlich eingeschränkten Fläche. Denkbar wäre auch ein sofortiger Stopp jeglicher neuen Degradation und eine beschleunigte Umsetzung schon bestehender internationaler Verpflichtungen, um eine Milliarde Hektar wiederherzustellen. Damit könnte ebenso das Neutralitätsziel erreicht werden.
Dafür aber wären laut UNCCD drei parallele Schritte notwendig: nämlich die Erhaltung des noch existierenden guten und produktiven Landes, zweitens die Reduzierung der aktuellen Degradation durch nachhaltige Methoden der Landbewirtschaftung und drittens ein höheres Tempo in den Bemühungen, degradiertes Land wiederherzustellen und es in einen natürlichen oder produktiveren Zustand zurückzuführen.
Staats- und Regierungschefs hatten auf der Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung in Rio der Janeiro 2012 (Rio+20 Konferenz) zugesagt, eine „land degradation neutral world“ anzustreben. Dies beinhaltet auch eine Welt ohne Nettobodenverlust. „Unterm Strich“, so das Umweltbundesamt, „sollen sich also zukünftig Bodenverlust etwa durch Erosion, Versiegelung und andere Formen der Bodendegradation und Bodenwiederherstellung die Waage halten. Da Bodendegradation nicht gänzlich verhindert werden kann, muss sie zumindest minimiert und nicht vermeidbare Degradation durch Wiederherstellungs- und Sanierungsmaßnahmen ausgeglichen werden.“