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  • Klima & Ressourcen
  • 12/2023
  • Prof. Dr. Jan Siemens, Prof. Dr. Christina Siebe

Gesunde Böden für die nachhaltige Bewässerung mit Abwasser

Die Konkurrenz um Wasser erfordert den Einsatz von Abwasser in der Landwirtschaft. Funktionierende Böden sind dabei eine wenig beachtete Voraussetzung für gesunde Pflanzen und Menschen.

Intensiv durchwurzelter Boden im Valle Mezquital in Mexiko nach Bewässerung mit Abwasser. © Benjamin Heyde

Die wachsende Weltbevölkerung hält den Druck aufrecht, die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern, um den steigenden Bedarf an Nahrungsmitteln zu decken. Insbesondere die Stadtbevölkerung wächst schnell, während die ländlichen Gebiete entvölkert werden. Seit den 1960er Jahren hat die grüne Revolution dazu beigetragen, die Nahrungsmittelknappheit zu überwinden, indem der Einsatz von Düngemitteln erhöht, ertragreiche Pflanzensorten entwickelt und der Einsatz von Pestiziden zum Schutz der Pflanzen vor Unkraut und Schädlingen gefördert wurden. Darüber hinaus wurde vor allem in semiariden und trockenen Regionen die Bewässerung ausgeweitet. Allerdings konkurrieren die expandierenden Städte zunehmend mit der Landwirtschaft um Wasser, was die landwirtschaftliche Produktivität gefährdet. Die Wasserverfügbarkeit pro Kopf ist in den letzten zwei Jahrzehnten weltweit um 20 Prozent zurückgegangen, in Nordafrika und Westasien ist die Wasserknappheit sogar um bis zu 30 Prozent gestiegen [1]. Der Klimawandel stellt eine zusätzliche Herausforderung dar: Semiaride und aride Regionen sind die ersten, die unter zunehmender Wasserknappheit leiden.

Diese Wasserknappheit verstärkt die Notwendigkeit Wasserressourcen effektiver zu nutzen, indem behandeltes oder unbehandeltes Abwasser anstelle von Trinkwasser für die Aufrechterhaltung und Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion durch Bewässerung verwendet wird. Da die Landwirtschaft mehr als 70 Prozent der weltweiten Süßwasserressourcen verbraucht [1], wird die Nutzung von Abwasser und in Städten gesammeltem Regenwasser für die Bewässerung immer dringlicher.

Wiederverwendung von Abwasser zur Bewässerung: ein globaler Trend

Abwasserbewässerung wird in vielen Regionen der Welt praktiziert, entweder geplant oder ungeplant, z.B. indem mit verschmutztem Flusswasser bewässert wird. Neben der Steigerung der landwirtschaftlichen Produktivität hat die Bewässerung mit Abwasser viele weitere Vorteile. Die Verfügbarkeit von Trinkwasser wird optimiert, da die Konkurrenz zwischen Städten und Landwirtschaft um hochwertiges Wasser verringert und die Grundwasserneubildung erhöht wird. Die Kosten für die Abwasserbehandlung werden gesenkt, da das für die Bewässerung verwendete Wasser noch Nährstoffe und organische Stoffe enthalten sollte, während diese Stoffe aus dem in Oberflächengewässer eingeleiteten Wasser entfernt werden müssen, um Eutrophierung und Hypoxie zu vermeiden. Die Wiederverwendung von im Abwasser enthaltenen Nährstoffen zur Düngung und die Vermeidung der direkten Einleitung von Abwasser in Flüsse mindert die Eutrophierung von Oberflächengewässern und Küstengewässern. Darüber hinaus stabilisiert die Bewässerung mit Abwasser Landoberflächen, indem sie eine Vegetationsbedeckung über das ganze Jahr sicherstellt.

Diese Vorteile müssen jedoch gegen Risiken für die Gesundheit von Mensch und Umwelt abgewogen werden. Abwasser kann Krankheitserreger enthalten, die potenziell auf Mensch und Tier übertragbar sind, sowie Bakterien, die Antibiotikaresistenzgene tragen, die häufig auf mobilen genetischen Elementen verortet sind. Das Mikrobiom des Abwassers und sein Resistom hängen von der Anwesenheit von Krankenhäusern, Lebensmittel- oder Pharmaindustrie im Einzugsgebiet ab. Darüber hinaus können durch die Abwasserbewässerung Salze, toxische Metalle, Arzneimittelrückstände und andere Schadstoffe in Böden, Pflanzen und Grundwasser gelangen.

Eine nachhaltige Nutzung von Abwasser zur Bewässerung in der Landwirtschaft muss daher die Risiken für die Gesundheit von Mensch und Umwelt auf ein akzeptables Maß reduzieren und gleichzeitig den Nutzen so hoch wie möglich halten. Bis heute wurden zahlreiche Leitlinien für die sichere Nutzung von Abwasser in der Landwirtschaft aufgestellt, die ständig weiterentwickelt werden [2], um ein gutes Gleichgewicht zwischen Risiken und Nutzen zu erreichen. Zu diesen Maßnahmen gehören die Wasseraufbereitung, Anbaubeschränkungen, Bewässerungsbeschränkungen wie Mindestzeiträume zwischen der letzten Bewässerung und der Ernte, Hygienepraktiken auf Lebensmittelmärkten und bei der Lebensmittelzubereitung, die Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung und viele andere. Die Rolle der Böden und ihrer Funktionen bei der Minimierung von Risiken und der Erzielung von Vorteilen wird jedoch weniger häufig berücksichtigt.

Die Bedeutung der Böden und ihrer Funktionen

Die Ausdehnung von Städten bringt nicht nur einen steigenden Wasserbedarf mit sich, sie findet auch häufig auf den fruchtbarsten Böden statt, beispielsweise in flachen Gebieten in der Nähe von Oberflächengewässern. Gegenwärtig sind weltweit 2,7 Prozent der terrestrischen Erdoberfläche urbanisiert. Dies scheint ein fast vernachlässigbar kleiner Anteil zu sein, aber regional ändern sich diese Zahlen: Im Becken von Mexiko beispielsweise wurden in den letzten 70 Jahren aufgrund des Wachstums von Mexiko Stadt mehr als 60 Prozent der fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen und 20 Prozent der Böden, die zur Grundwasserneubildung beitragen, versiegelt. Doch nur unversiegelte Böden können ihre wichtigen Funktionen erfüllen, wie

Bewässerung kann diese Funktionen des Bodens fördern. Erstens steigert die Zufuhr von Wasser und Nährstoffen, insbesondere von Stickstoff und Phosphor, die Ernteerträge oft um eine Größenordnung, während gleichzeitig die Eutrophierung von Oberflächengewässern, die CO2-Emissionen aus der Düngemittelproduktion und die Nutzung fossiler Phosphatlagerstätten verringert werden. Schätzungen zufolge könnten die im Abwasser enthaltenen Nährstoffe potenziell 13 Prozent des weltweiten landwirtschaftlichen Bedarfs an Stickstoff-, Phosphor- und Kaliumdüngern ausgleichen [3]. Darüber hinaus kann die Bewässerung auch den Anbau von Pflanzen mit hohem Nähr- und Marktwert ermöglichen, wie z.B. Frischeprodukte, was die Ernährung der Menschen in städtischen Ballungsräumen und das Einkommen der Landwirte in Stadtrandgebieten verbessern würde. Der Stickstoffeintrag in die Böden kann jedoch auch Emissionen des Treibhausgases Distickstoffoxid (N2O) verstärken.

Höhere Erträge bedeuten auch eine zunehmende Rückführung von Pflanzenresten in den Boden, die zusammen mit der mit dem Abwasser zugeführten organischen Substanz zu einer allmählichen Anreicherung von organischer Bodensubstanz ("Humus") in bewässerten Böden führen. Mit Abwasser bewässerte Böden können daher als Senke für atmosphärisches CO2 fungieren und zur Abschwächung der Treibhausgasemissionen und des globalen Klimawandels beitragen. Neben der Funktion als Kohlenstoffsenke verbessert die Anreicherung organischer Bodensubstanz die Wasserrückhaltung im Boden, die Struktur und die hydraulische Leitfähigkeit der Böden sowie ihre Funktion als Filter und Puffer für Schadstoffeinträge, wodurch der Transfer von Schadstoffen in Pflanzen und Grundwasser verringert wird. Beispielsweise können sandige Böden mit typischerweise geringer Wasserrückhalte-, Filter- und Pufferkapazität von dieser Erhöhung des Gehaltes an organischer Bodensubstanz profitieren.

Der zunehmende Eintrag von Pflanzenresten und die Anreicherung von organischer Substanz fördern auch die Lebensraumfunktion der Böden, die biologische Aktivität, die wiederum den Abbau und die Entgiftung organischer Schadstoffe unterstützt. Im Sinne der Funktion von Böden als biologische Filter kann eine aktive mikrobielle Gemeinschaft im Boden auch die mit dem Abwasser zugeführten Bakterien verdrängen und so eliminieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Böden und ihre Funktionen für die nachhaltige Wiederverwendung von Abwasser für die Bewässerung von wesentlicher Bedeutung sind. Wie also können diese Funktionen erhalten, geschützt oder sogar verbessert werden?

Schutz und Verbesserung der Bodenfunktionen in Abwasserbewässerungssystemen

Obwohl Böden erstaunliche Filter und Puffer für chemische und biologische Schadstoffe sind, ist ihre Filter- und Pufferkapazität begrenzt und hängt eng mit ihren Eigenschaften zusammen. Daher ist es für eine nachhaltige Abwasserbewässerung von größter Bedeutung, eine "Überfrachtung" der Böden mit Schadstoffen zu vermeiden, die ihre Filter- und Pufferkapazität übersteigt. Die Trennung von Abwasserströmen für eine gezielte Behandlung und Wiederverwendung bereits an ihrer Quelle ermöglicht eine einfachere Kontrolle der in die abwasserbewässerten Böden eingebrachten Schadstoffmengen, so dass die Belastung innerhalb sicherer Grenzen bleibt. Dazu gehört die getrennte Sammlung und Behandlung von Abwässern aus Krankenhäusern, Industrie, Haushalten, Straßen und Dächern.

Die Trennung von Abwasserströmen ist in bestehenden Kanalisationssystemen nur schwer zu erreichen. Die Trennung solcher Ströme sollte jedoch das Ziel für neu geplante Wasserinfrastrukturen zur Erreichung des Nachhaltigkeitsziels 6 "Sauberes Wasser und sanitäre Einrichtung" sein. Diese Trennung würde dann wesentlich zur Erreichung der Nachhaltigkeitsziele 2 "Kein Hunger", 11 "Nachhaltige Städte und Gemeinden" und 12 "Nachhaltiger Konsum und Produktion" beitragen.

Doch selbst Abwasserströme mit geringen Schadstoffkonzentrationen wie häusliche Abwässer sind in der Regel mit löslichen Salzen und Detergenzien angereichert. Die Anreicherung dieser Verbindungen in bewässerten Böden kann Pflanzen schädigen und die Struktur und das Porensystem des Bodens beeinträchtigen, die für sein Funktionieren unerlässlich sind. Glücklicherweise gibt es bereits fundierte Erfahrung zur Überwachung des Salzgehalts im Bewässerungswasser und im Boden durch einfache Messungen.

Zur Vermeidung der Salzanreicherung in Böden dient die Zugabe ausreichender Wassermengen, um eine ausreichende Bodendrainage zu gewährleisten. Die Anreicherung von Salzen in bewässerten Böden kann auch dadurch verhindert werden, dass die Zugabe übermäßiger Salzmengen bei der Abwasseraufbereitung begrenzt wird. Alternativ kann dass Wasser in offenen Teichen nur für kurze Zeiträume gespeichert werden, um eine erhöhte Salzkonzentration durch Verdunstung zu vermeiden.

Die Anreicherung von Salzen führt in der Regel zu einer Alkalisierung von Böden, die den Anbau von Pflanzen und die Bodenlebewesen beeinträchtigt. Andererseits können mit Abwasser bewässerte Böden auch versauern, z.B. als Folge des Eintrags großer Mengen von Ammonium oder Harnstoff. Je nach Grad der Versauerung werden toxische Metalle wie Cadmium oder Blei in den Böden mobilisiert, sodass sie in der Folge in Pflanzen und das Grundwasser gelangen. Die Versauerung beeinträchtigt auch Bodenbakterien, die für die Aufrechterhaltung des Nährstoffkreislaufs und den Abbau organischer Schadstoffe verantwortlich sind. Daher sind die Überwachung des pH-Werts des Bodens und seine Anpassung, z.B. durch Zugabe von Kalk zur Kompensation der Versauerung, von entscheidender Bedeutung für die Erhaltung und Förderung der Bodenfunktionen in Abwasserbewässerungssystemen.

Wegen ihrer Bedeutung für die Bodenfunktionen muss die organische Substanz im Boden erhalten werden. Ein Rückgang des Gehaltes an organischer Bodensubstanz bedeutet nicht nur eine Nettoemission des Treibhausgases CO2, sondern auch eine potenzielle Freisetzung von Schadstoffen, die in der Vergangenheit immobilisiert und in den Böden angereichert wurden. Unerlässlich sind daher die Überwachung des Gehaltes organischer Bodensubstanz mit einfachen Methoden wie dem Glühverlust und die entgegenwirkende vermehrte Rückführung von Ernterückständen in den Boden oder die Zugabe von organischen Düngemitteln, um die Filterung und Pufferung von Schadstoffen und die Bindung von atmosphärischem CO2 in den Böden sicherzustellen.

Stärkung der Rolle von Böden im Wasser-(Energie)-Nahrungssicherheits-Nexus

Die Wiederverwendung von Abwasser oder verschmutztem Oberflächenwasser für die Bewässerung in der städtischen und stadtnahen Landwirtschaft ist bereits weit verbreitet und wird als Folge des Bevölkerungswachstums, des Städtewachstums und des Klimawandels wahrscheinlich weiter zunehmen. Die Überwachung und Bewirtschaftung des Bodens ist dabei eine wichtige, aber weniger beachtete, Säule der Nutzung von Abwasser

Böden und ihre Funktionen müssen als wertvolle Ressource in die Betrachtung des Wasser-(Energie)-Nahrungssicherheits-Nexus für eine nachhaltige Entwicklung einbezogen werden. Gesunde Böden sind die Grundlage für gesunde Pflanzen und für gesunde Menschen [4].

 

Prof. Dr. Jan Siemens Justus-Liebig-Universität Giessen
Prof. Dr. Christina Siebe Universidad Nacional Autónoma de México

Ko-Autoren: Ines Mulder und Benjamin Heyde, Institut für Bodenkunde und Bodenerhaltung, Justus-Liebig-Universität Giessen; Elisabeth Grohmann und Leila Soufi, Fachbereich Life Sciences und Technologie, Berliner Hochschule für Technik; Sara Gallego und Kornelia Smalla, Institut für Epidemiologie und Pathogendiagnostik, Julius Kühn-Institut für Kulturpflanzen, Quedlinburg; und Blanca Prado, Instituto de Geología, Universidad Nacional Autónoma de México.

Dieser Artikel entstand mit Unterstützung der Universidad Nacional Autónoma de México und der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Projekte „Respuesta de las interacciones entre contaminantes, nutrientes y microorganismos al tratamiento del agua en los suelos del Valle del Mezquital y su efecto en la dispersión de multidrogoresistencia” (Projekt Nummer PAPIIT-DGAPA AG101221)“ und der Forschungsgruppe FOR 5095 „Interaktionen von Schadstoffen, Antibiotikaresistenz und Pathogenen in einem sich ändernden Abwasserbewässerungssystem“ (Projektnummer 431531292, https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/431531292).

Literatur:

[1] Food and Agricultural Organization of the United Nations. 2020. The State of Food and Agriculture 2020. Overcoming water challenges in agriculture. Rome. https://doi.org/10.4060/cb1447en

[2] World Health Organization & United Nations Environment Program, 2006. WHO guidelines for the safe use of wastewater, excreta and greywater – Volume 2. ISBN 92 4 154683 2; https://www.who.int/publications/i/item/9241546832

[3] Quadir M, P Drechsel, BJ Jiménez Cisneros, Y Kim, A Pramanik, P Mehta, O Olyniyan, 2020. Global and regional potential of wastewater as a water, nutrient and energy source. Natural Resources Forum 444, 40-51. https://doi.org/10.1111/1477-8947.12187

[4] Hirt H, 2020. Healthy soils for healthy plants for healthy humans. Embo Reports 21, e51069. doi.org/10.15252/embr.202051069

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