Verspielte Chance im Klimawandel: Frauen führen im Klimaschutz ein Schattendasein
Dabei sind sie am stärksten gefährdet, schränken sich als Erste ein und sind flexibler bei der Umsetzung von Lösungen. Fünf vielversprechende Ansätze, um die Rolle der Frauen im Klimawandel aufzuwerten.

Wir können die zahlreichen internationalen Krisen, wie den Klimawandel, die anhaltenden Auswirkungen der COVID-Pandemie sowie die Lebensmittel- und Energiepreiskrise im Zusammenhang mit dem Krieg gegen die Ukraine nicht überwinden, ohne die Geschlechterperspektive in Resilienzmaßnahmen einzubeziehen. Dies gilt besonders für den Agrar- und Ernährungssektor, in dem Frauen eine herausragende Rolle spielen.
Gender und Klimawandel: Bis heute sind die meisten politischen Maßnahmen, Investitionen und Interventionen zur Bekämpfung des Klimawandels ‚geschlechtsblind‘. Dies kann dazu führen, dass sich die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern in den Ernährungssystemen verschärfen, indem beispielsweise die Arbeitsbelastung und Zeitarmut von Frauen wächst, sie weniger Zugang zu und Kontrolle über Einkommen und Vermögen bekommen und ihre Entscheidungsgewalt schwindet.
Frauen im Klimawandel: Sie werden systematisch diskriminiert
Gesellschaftliche Rollen und Erwartungen setzen Frauen und Männer verschiedenen Risiken und Gefährdungen aus. Frauen leiden dabei häufig unter systemischer Diskriminierung, begrenztem Zugang zu Ressourcen und ungleicher Beteiligung an Entscheidungsprozessen. Sie sind aufgrund dieser strukturellen Ungleichheiten noch anfälliger für die negativen Auswirkungen von Krisen, wie zum Beispiel dem Klimawandel.
Zugleich sind es Frauen, die sich in vielen Ländern in erster Linie um die Versorgung ihrer Haushalte mit Wasser, Nahrungsmitteln und Brennstoffen kümmern. Ihre Rolle als Hauptversorger ihrer Familien gewinnt im Falle einer Krise, wie zum Beispiel einer schweren Dürre, noch an Bedeutung. So müssen sie alternative Wasserquellen finden, Nahrungsmittelknappheiten bewältigen und sich insgesamt an die veränderten Umstände anpassen. Um ihre Widerstandsfähigkeit und Rechte zu stärken, ist es wichtig, Frauen mehr zu unterstützen und Frauen im Klimawandel eine bedeutendere Rolle zuzuschreiben.

In Krisenzeiten zehren Menschen in armen Ländern oft ihr Hab und Gut auf. Frauen essen als Erstes weniger und geben weniger aus, um ihren Familien zu helfen. Mädchen müssen dann oft die Schule verlassen und werden früh verheiratet. All dies wirkt sich oft langfristig und generationenübergreifend negativ aus. Deshalb ist es für die Bewältigung von Krisen wie dem Klimawandel so wichtig, in Haushalten, Gemeinden und in der Politik auch geschlechtsspezifische Perspektiven zu berücksichtigen. Intersektionale Analysen sind notwendig, um die am stärksten gefährdeten sozialen Gruppen, zu denen häufig Frauen gehören, zu identifizieren und besser zu schützen.
- Weltweit sind 43 Prozent der in der Landwirtschaft Beschäftigten Frauen.
- Hätten Bäuerinnen den gleichen Zugang zu produktiven Ressourcen wie Männer, könnten 100-150 Millionen Menschen vom Hunger befreit werden. Dies würde Sie auch widerstandsfähiger gegen die Klimakrise machen.
- Obwohl 164 Länder das Recht von Frauen auf Landbesitz und -nutzung anerkennen, sind diese Rechte nur in 52 dieser Länder verwirklicht.
- Nur acht Prozent der Entwicklungshilfe fließen in Projekte, die in erster Linie auf die Gleichstellung der Geschlechter ausgerichtet sind.
- Nur 1,7 Prozent der gesamten Klimafinanzierung erreicht Kleinproduzenten in Entwicklungsländern.
Quelle: IFAD
Frauen sind innovativ und befördern den positiven Wandel
Die Forschung hat gezeigt, dass Frauen nicht nur Opfer des Klimawandels sind, sondern wichtige Veränderungen im Kampf gegen den Klimawandel vorantreiben. In der Landwirtschaft halten zum Beispiel viele von ihnen Schafe, Ziegen und Milchkühe, die es den Familien ermöglichen, ihr Einkommen in Krisenzeiten zu diversifizieren. Frauen sind auch oft eher bereit, Anbauprodukte zu variieren und mit innovativen Techniken Lebensmittel zu lagern und zu verarbeiten, um damit inKrisenzeiten Schocks abfedern zu können. Über soziale Netzwerke sind Frauen auch häufig an informellen Saatgutsystemen beteiligt, die helfen, Saatgutengpässe zu überwinden.
Die Lage von Frauen zu verbessern, ist auch wirtschaftlich sinnvoll. Die Forschung hat gezeigt, dass geschlechtsspezifisch angepasste klimagerechte Praktiken und Technologien zu Veränderungen bei der Arbeitsverteilung, der Kontrolle über Einkommen und Vermögen sowie bei der Wahl des Lebensunterhalts führen können, die sich auf die gesamte Gemeinschaft positiv auswirken können.

Allerdings können einige Maßnahmen, wie etwa die Kommerzialisierung der Landwirtschaft, unbeabsichtigt die Arbeitsbelastung von Frauen erhöhen oder ihre Beteiligung an Wertschöpfungsketten außerhalb des landwirtschaftlichen Betriebs einschränken. So ist es für Frauen schwierig, Kredite zu bekommen, mit denen sie hochwertigere Pflanzen anbauen könnten. Auch setzt die kommerzielle Produktion den Zugang zu Maschinen und Energie voraus, den Frauen meistens nicht haben. Dies sollte bei allen unterstützenden Maßnahmen sorgfältig berücksichtigt werden.
Frauen im Klimawandel: Geschlechtsspezifische Initiativen
Es gibt inzwischen zunehmend vielversprechende Ansätze und Initiativen gegen den Klimawandel, mit denen sich die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern verringern lassen.
- Geschlechtsspezifische Sozialschutzprogramme: Soziale Schutzprogramme wie Nahrungsmittel- und Geldtransfers, öffentliche Arbeiten und Beteiligung an Schulspeisungen können die wirtschaftliche Lage von Frauen verbessern, Vermögen und Ersparnisse erhöhen und sie damit in Krisenzeiten widerstandsfähiger machen. Ein Beispiel für ein solches Programm ist Bolsa Verde in Brasilien (2011-2018), das gleichzeitig die Lebensbedingungen der armen Landbevölkerung verbessert und die Entwaldung reduziert hat. Sozialschutzprogramme für Frauen tragen auch dazu bei, Gewalt in Paarbeziehungen zu verringern, sowie die Situation von Mädchen und die Ernährungslage zu verbessern.
- Kollektive Klimaschutzmaßnahmen durch Frauengruppen: Frauengruppen verbessern nachweislich den Zugang von Frauen zu Dienstleistungen, einschließlich zu Informationen und Krediten, sie bieten zudem eine wichtige Plattform für kollektives Handeln von Frauen. In mehreren Ländern Südasiens und Afrikas südlich der Sahara gibt es eine Reihe von Initiativen und Organisationen, die von Frauengruppen kollektiv geleitet werden. Sie könnten als Vorbild für weitere Programme und Interventionen zur Stärkung der Klimaresilienz dienen. Es gibt immer mehr Belege dafür, dass Frauengruppen die Resilienz erhöhen können, zum Beispiel durch ein stärkeres bürgerschaftliches Engagement in Indien und Kenia, eine bessere Katastrophenvorsorge in Bangladesch und eine stärkere Diversifizierung von Anbauprodukten in Nepal.
- Geschlechtsspezifische Verbreitung von Klimainformationen: Es ist entscheidend, dass Frauen in der Landwirtschaft Zugang zu Klimainformationen bekommen. Eine Studie über vier Länder in Subsahara-Afrika hat gezeigt, dass Bäuerinnen ihre landwirtschaftlichen Leistungen steigern, wenn sie Beratungsdienste in Anspruch nehmen können. Dies kann helfen, die negativen Auswirkungen von Wetterschwankungen und Klimaschocks auf landwirtschaftliche Einkommen zu verringern. Visuelle Lehrtechniken wie Videos einzusetzen, hat sich dabei als vielversprechend erwiesen. Sie funktionieren aber nur dort, wo die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern überwunden ist und Frauen und Mädchen Handys besitzen können und Zugang zum Internet haben.
- Geschlechtsspezifische Klimafinanzierung und -politik: Die Forschung hat untersucht, wie die Klimafinanzierung geschlechtergerechter gestaltet und wie Genderfragen besser in die Klimapolitik und -investitionen einfließen können. In der Diskussion über globale Finanzierungsfragen dagegen bleibt die Geschlechterfrage außen vor, etwa wenn es um Kohlenstoffgutschriften oder Kohlenstoff- und Biodiversitätskompensationen geht. Auch im kürzlich angekündigten Klimafonds für Verluste und Schäden fehlen konkrete geschlechtsspezifische Zuweisungen. In politischen Entscheidungsprozessen haben Frauen kaum Stimme und Einfluss. Der Privatsektor neigt – ohne starke staatliche Eingriffe – dazu, geschlechtsspezifische und Gleichstellungsbelange ganz zu ignorieren.
- Schädliche Geschlechternormen in Frage stellen: Um die Ursachen geschlechtsspezifischer Ungleichheiten zu bekämpfen, ist es außerdem wichtig, nachteilige Geschlechternormen zu hinterfragen. Um solche Einstellungen zu verändern, kann es helfen, ein kritisches Bewusstsein zu schaffen, etwa durch Zusammenarbeit von Frauengruppen mit angesehenen lokalen Führungspersönlichkeiten und das Einbeziehen von Männern als Partner in die Förderung der Gleichstellung. Der Frauenanteil in Entscheidungspositionen sollte erhöht oder zumindest angemessen bedacht werden.
Aufbau wirksamer Informations- und Beratungssysteme
In Krisenzeiten wie heute wird der Bedarf an zuverlässigen und umfassenden Beratungs- und Informationssystemen immer dringlicher. Vor allem, wenn es um Katastrophen, Hilfe und Schutz geht. Die Informations- und Kommunikationstechnologie hat sich als kosteneffizientes Mittel erwiesen, um wichtige Informationen auch über große Instanzen hinweg zu liefern. Ungleichheiten bestehen aber weiter, wie beim Zugang zu Telefon und Internet, beim Besitz von Handys und Computern und dem Grad der Alphabetisierung. Hier besteht keine Gendergerechtigkeit.

Jüngste Erkenntnisse aus Indien zeigen zum Beispiel, dass benachteiligte Kastengruppen viel seltener Zugang zu Computern und Telefonen haben. Landwirtschaftliche Feldschulen, die sich speziell an Frauen richten, haben sich als erfolgversprechend erwiesen, diese Probleme abzubauen. Beraterinnen können helfen, die Kluft zwischen den Geschlechtern zu überwinden und die Landwirtinnen gezielt zu unterstützen. Auch gruppenbasierte Beratungsansätze haben sich bei der Verbreitung von Informationen und Wissen bewährt.
Organisationen wie SEWA, PRADAN und FECOFUN haben erfolgreiche Modelle entwickelt und erprobt, die in der Landwirtschaft angewandt werden können. Besonders vielversprechend ist der Einsatz von Gemeindearbeitern, um Informationen und Dienstleistungen in ländlichen Gebieten zu verbreiten. Im Gesundheitssektor hat dieser Ansatz funktioniert und ist auch für die Landwirtschaft und Viehzucht vielversprechend. Die Gemeindemitarbeiter müssen allerdings umfassend geschult und ausreichend bezahlt werden.
Dauerhafte Lösungen für bessere Klimaresilienz von Frauen
Wir möchten abschließend betonen, dass es wichtig ist, die Geschlechterperspektive in Forschung und Entwicklung einzubeziehen, da Frauen häufig andere Bedürfnisse und Präferenzen in Bezug auf Klimainnovationen haben als Männer. Beratungs- und Informationsdienste, die sowohl auf männliche als auch auf weibliche Landwirte zugeschnitten sind, können Lücken im Bewusstsein und in der Akzeptanz von klimafreundlichen Praktiken schließen. Gender und Klimawandel spielen eine wichtige Rolle, um die digitale Kluft zwischen den Geschlechtern zu überwinden. Dies gilt besonders in Regionen wie Subsahara-Afrika und Südasien, wo der begrenzte Internet-Zugang Frauen benachteiligt.
Was weiter hilft, die Klimaresilienz von Frauen zu verbessern: Finanzdienstleistungen an ihre Bedürfnisse anzupassen, ihnen den Zugang zu Ressourcen zu erleichtern sowie Basisorganisationen von Frauen in Klima-Investitionsfonds einzubeziehen. Auch muss es Geschlechtergleichstellung in Ernährungssystemen geben und Mittel für das Monitoring eingesetzt werden. Es ist dringend erforderlich, Frauen datengestützte Informationen zugänglich zu machen und sie an Entscheidungsprozessen zu beteiligen, um wirksam das Klima zu schützen. Dies alles mit dem Ziel, das Leben von Frauen und Mädchen spürbar zu verbessern, insbesondere in den Brennpunkten, die unter Naturkatastrophen durch den Klimawandel und Geschlechterungleichheit leiden.


