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  • Klima & Ressourcen
  • 10/2022
  • Dr. rer. agr. Johannes Michael Hafner, Dr. Harry Konrad Hoffmann

Brennholz – die Leerstelle in der Debatte über Ernährungssicherheit

Verfügbarkeit und Zugang zu Brennholz sind ein wesentlicher, aber wenig beachteter Grundpfeiler der Ernährungssicherheit für fast 40 Prozent der Weltbevölkerung.

Verpackte Holzkohle in einem Ort in der DR Kongo. Die Produktion ist meist ein Nebenprodukt von Rodungen, aber für viele Landbewohner Teil ihrer Existenz. © Molly Bergen/WCS, WWF, WRI via Flickr

Energiesicherheit ist ein wesentlicher Grundstein funktionierender Gesellschaften. Im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine erreichten die Preise für fossile Energieträger Rekordstände. Ihr Anteil an den Haushaltsausgaben stieg und steigt kontinuierlich und schränkt das verfügbare Einkommen ein. Da fossile Energieressourcen wie Kohle, Erdöl und -gas begrenzt sind, ist es umso bedeutender, die Energiesysteme fundamental nachhaltiger und unabhängiger zu gestalten. Multilaterale Ansätze  für international verbindliche Vorschriften zielen darauf, negative Auswirkungen auf das Klimasystem zu minimieren. Im November 2022 findet die Weltklimakonferenz (Conference of Parties/COP 27) in Ägypten statt, um möglichst eine Einigung zur verbindlichen Reduktion von Treibhausgasemissionen herzustellen und den Übergang zu emissionsneutralen Volkswirtschaften voranzutreiben.

Seit mehr als einer Million Jahre nutzt die Menschheit Feuer, um Nahrung zuzubereiten und haltbar zu machen. Speisen zu kochen ist eine identitätsstiftende Säule unserer Gesellschaften (Victor, 2011) (1). Energie wird entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Lebensmitteln benötigt – vom Pflanzen über das Ernten, Lagern, Verkaufen und Konsumieren. Energiesicherheit und Ernährungssicherheit sind somit eng miteinander verbunden. Jedoch wird oft übersehen, dass ein sicherer und bezahlbarer Zugang zu Energie auch eine Grundvoraussetzung für Ernährungssicherheit ist.

Vor allem im globalen Süden sind sehr viele Menschen nahezu ausschließlich von Holzenergie abhängig; Brennholz (Feuerholz) spielt eine zentrale Rolle für die Ernährungssicherheit. Fast 40 Prozent der Weltbevölkerung (drei Milliarden Menschen) sind auf feste Biomasse (zumeist Brennholz und dessen Derivate) angewiesen, um ihren Bedarf an Kochenergie zu decken (IEA, 2016) (2). In einem jüngeren Bericht macht die Internationale Energieagentur (IEA) (3) deutlich, dass jährlich 130 Millionen Menschen von unsauberen Kochenergien (z.B. Holzenergie) zu sauberen Energieformen (z.B. Flüssiggas) wechseln müssten, um bis 2030 eine vollständige Abkehr zu erreichen.

Die andere Energiekrise

Die Brennholzdebatte entzündete sich öffentlich, als Mitte der 1970er Jahre die Preise fossiler Energieträger drastisch anstiegen. Sie fokussierte sich auf die Nachfrage nach Brennholz und mögliche Auswirkungen auf bestehende Waldressourcen sowie auf sozioökonomischen Wandel in Entwicklungsländern. Die erste einflussreiche Veröffentlichung, „The other energy crisis: Fuelwood“ (Eckholm 1975) stellte fest, dass die wahre Energiekrise für mehr als ein Drittel der Weltbevölkerung die Verfügbarkeit von Feuerholz zum Kochen darstellte.

Wälder spielen eine wichtige Rolle für die Menschheit und das Leben auf der Erde – eben auch als Brennholzlieferant. Derzeit sind rund 31 Prozent der globalen Landfläche von Wald bedeckt. Die Entwaldung ist eng mit der industriellen Revolution und der menschlichen Expansion im 20. Jahrhundert verbunden. Seit 1990 verlor die Welt 420 Millionen Hektar an Waldfläche, was etwa der Fläche der heutigen Europäischen Union entspricht. In den 1990er Jahren wurden jährlich rund 16 Millionen Hektar abgeholzt. Zwischen 2015 und 2020 waren es nach Schätzungen der FAO weltweit immer noch zehn Millionen Hektar pro Jahr – etwa die Fläche von Island. Rund die Hälfte dieser Entwaldung wird durch nachwachsende Wälder kompensiert.

So gehen jährlich rund fünf Millionen Hektar Waldfläche verloren, davon 95 Prozent in den Tropen. Die Gründe variieren je nach Land und Region: es sind landwirtschaftliche Expansion (z.B. zur Produktion von Monokulturen wie Sojabohnen und Palmöl), kommerzielle Nutzung von Forstprodukten (z.B. Holz, Papier und Zellstoff), oder Urbanisierung sowie Waldbrände.

Je mehr Wald gerodet wird, desto knapper wird Feuerholz – auch für die Ernährung. © Molly Bergen/WCS, WWF, WRI via Flickr

Abholzung führt zu Brennholzknappheit

Als Konsequenz dieser kontinuierlichen Abholzung wird in verschiedenen Regionen der Welt Brennholz immer knapper. Vor allem in Ländern des Globalen Südens, wo Feuerholz die Grundlage für das Zubereiten von Mahlzeiten ist, besteht eine direkte Verbindung zwischen Brennholz und Ernährungssicherheit. Global betrifft dies etwa drei Milliarden Menschen, vor allem Kleinbauern in ländlichen Regionen.

In Entwicklungsländern sind die Hauptnahrungsmittel oftmals reich an Kohlenhydraten, wie Getreide, Bohnen und Knollen. Ihr zentraler Vorteil: Sie können über einen langen Zeitraum gelagert werden. Ungenießbar oder gar unverdaulich sind sie jedoch, wenn sie nicht gekocht werden. Neben der Zubereitung von Nahrung wird Brennholz auch verwendet, um verderbliche Lebensmittel durch Räuchern und Trocknen haltbar zu machen. Es ist nötig, um Wasser durch Erhitzen und Kochen zum Trinken und zur Lebensmittelverarbeitung zu nutzen.

Ernährungssicherheit wurde in einer der ersten offiziellen Definitionen auf dem Welternährungsgipfel von 1996 festgelegt als eine Situation, in der „alle Menschen jederzeit physischen, sozialen und wirtschaftlichen Zugang zu ausreichender, sicherer und nährstoffreicher Nahrung haben, und Ernährungsbedürfnisse und -präferenzen für ein aktives und gesundes Leben sicherstellen“ können (FAO, 1996) (4). Sie basiert auf den vier Hauptkomponenten Verfügbarkeit, Zugang, Nutzung und Stabilität. Ernährungssicherheit gerät folglich in Gefahr, wenn es keinen sicheren Zugang zu Kochenergie gibt. Dieser Nutzungsaspekt ist und bleibt eine der größten Herausforderungen für die globale Entwicklung.

Verfügbarkeit ist zentral

Die direkte Verbindung zwischen Brennholz und Ernährungssicherheit ist in Entwicklungsländern vor allem für Kleinbauernfamilien in ländlichen Regionen von zentraler Bedeutung:

Brennholz und Ernährungsqualität: Wird Brennholz knapp, wirkt sich das auf Kochpraktiken und Ernährungsgewohnheiten von Haushalten aus. Wenn unzureichend Energie zum Kochen vorhanden ist, werden Mahlzeiten ausgelassen und/oder man weicht auf Lebensmittel aus, die weniger Brennholz benötigen. So wird auf brennstoffintensive Nahrungsmittel zugunsten von schnell zu kochenden Gerichten (z.B. Maisbrei) verzichtet. Die Folgen sind einseitige Ernährungspraktiken und eine unausgewogene Nährstoffaufnahme. So beeinflusst die Verfügbarkeit von Brennholz entscheidend die Art, Menge und Qualität der verzehrten Lebensmittel sowie ihre Verdaulichkeit.

Brennholz und Entwaldung: Wissenschaftler diskutieren höchst kontrovers, inwieweit das Sammeln von Brennholz in Entwicklungsländern zur Entwaldung beiträgt. Wird Brennholz in Wäldern nicht nachhaltig geerntet, wirkt sich das in jedem Fall negativ auf den CO2-Fußabdruck aus. Die globale Erderwärmung könnte verstärkt werden, was mit erhöhten globalen Oberflächentemperaturen und sich ändernden Niederschlagsmustern verbunden ist. Letztere stellen wiederum eine große Bedrohung für die Ernährungssicherheit und die Lebensgrundlagen in Entwicklungsländern dar.

Zum Teil ist die Knappheit an Kochenergie bereits so weit fortgeschritten, dass Verbraucher sogar in bereits vollständig entwaldete Gebiete zurückkehren, um die Wurzeln noch nutzen zu können, was die Regenerationsfähigkeit des Waldes vollends zerstört (Baro 2002) (5).

Brennholz und Lebensunterhalt: Brennholzmangel führt dazu, dass Arbeitszeit auf das Sammeln von Brennholz verwendet wird, anstatt sie in produktive Aktivität zur Sicherung von Lebensunterhalt und Einkommen (z.B. in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion) zu investieren. In ländlichen Gebieten in Subsahara-Afrika nimmt eine Holzsammlung geschätzt etwa 6–8 Stunden in Anspruch und erfordert lange Wege (Munien und Ahmed, 2012). Je nach Region erfolgt das Sammeln mehrmals pro Woche, und oft zu Fuß; häufig wird Brennholz auf dem Kopf getragen.

Knappheit belastet vor allem Frauen und Kinder, welche hauptsächlich für das Sammeln zuständig sind. Auch das Kochen am offenen Feuer beeinträchtigt die Gesundheit von Frauen und oftmals anwesenden Kindern. Für das Jahr 2020 wurde geschätzt, dass weltweit bis zu 3,2 Millionen Menschen an den Folgen von Rauchbelastung während des Kochens gestorben sind (WHO, 2022).

Ein fertiger Ofen der Firma Gomastove in Goma. Die holzsparenden Geräte gehen auf ein Projekt von WWF in der DR Kongo zurück. © Molly Bergen/WCS, WWF, WRI via Flickr

Brennholz und landwirtschaftliche Produktivität: Wo Brennholz knapp ist, werden häufig verbleibende Bäume auf dem Ackerland gefällt. Auf diesen Agrarflächen verringert diese Praktik unter anderem die Bodenfruchtbarkeit durch weniger Gründüngung und die Wassertragfähigkeit der Böden. Das führt wiederum zu einer höheren Vulnerabilität gegenüber extremen Wetterereignissen. Brennholzknappheit ist daher auch über diesen Bezug mit verringerter landwirtschaftlicher Produktivität und letztendlich sinkender Ernährungssicherheit verbunden.

Wo Waldflächen in Ackerland umgewandelt werden, um verfügbare Flächen für die Agrarproduktion zu schaffen, ist die Holzkohleproduktion meist ein Nebenprodukt von Rodungen. Dies mag zumindest kurzfristig zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion vernünftig sein – zumal wachsende Bevölkerungen im globalen Süden der Regelfall sind. Doch sind negative Auswirkungen auf das Ökosystem und die Biodiversität unvermeidbar. Langfristig ist eine verringerte landwirtschaftliche Produktivität zu erwarten.

Umstellung nicht in Sicht

Wie gezeigt, ist die Brennholzsicherheit ein wesentlicher, wenn auch wenig beachteter Grundpfeiler der Ernährungssicherheit. Eine Umstellung von holzbasierten Kochsystemen auf andere Energieformen ist in Ländern des globalen Südens zeitnah nicht in Sicht. Ein erster Schritt sollte daher die Wertschöpfungsketten von Brennholz verbessern. Menschen und Haushalte, die mit Brennholzunsicherheit konfrontiert sind, reagieren bereits auf akute Brennholzknappheit – jedoch nicht unbedingt zugunsten ihrer Lebensqualität. So können nicht-nachhaltige und nachhaltige Anpassungsstrategien unterschieden werden:

Nicht-nachhaltig sind

Nachhaltige Anpassungsstrategien sind

In einer kleinen Fabrik werden die Böden für die Öfen von GomaStove gebrannt. © Molly Bergen/WCS, WWF, WRI via Flickr

Wie beitragen zur Brennholz- und Ernährungssicherheit?

In vergangenen Jahrzenten wurden energieeffiziente holzbasierte Kochsysteme in verschiedenen Regionen der Welt eingeführt ­– jedoch ohne langfristigen Erfolg. Die Gründe, warum sie sich bis heute nicht durchsetzen konnten, sind zahlreich: So orientieren sich Kochöfen nicht am Bedarf der Nutzer, sondern an technischen Vorgaben (z.B. CO2 -Emissionen). Je nach Design sind solche Kochherde nur für bestimmte Topfgrößen verwendbar. Zudem werden beim Bau, Vertrieb und Instandhaltung energieeffizienter Kochherde lokale Wertschöpfungsketten vernachlässigt. Verkauft werden sie oft mittels Subventionsprogrammen, und sind somit alleinstehend nicht wirtschaftlich.

Staaten, in denen große Bevölkerungsteile auf Brennholz angewiesen sind, sollten mittel- und langfristig diese Abhängigkeit verringern. Nachhaltige Lösungen zur Deckung des Energiebedarfs beim Kochen aus alternativen Energiequellen (z.B. solarbasierte Anlagen) könnten einen Beitrag zur Ernährungssicherheit leisten. Auch bei der Einführung alternativer Kochsysteme (z.B. solarbasiert) dürfen Nachteile nicht ausgeblendet werden, da sonst eine nachhaltige Annahme aufs Spiel gesetzt wird. Aktuell werden schätzungsweise mehr als vier Millionen Solarkochsysteme weltweit verwendet. Kritik richtet sich vor allem auf hohe Anschaffungskosten, die begrenzte Größe verwendbarer Töpfe, sonnenabhängige Unzuverlässigkeit und auf geschmackliche Nachteile der Mahlzeiten.  

Gesetze und Richtlinien, die die Nutzung von Brennholz einschränken sollen, sind nicht zielführend, wenn die abhängige Bevölkerung keine Alternativen hat. Bestehende Wertschöpfungsketten für Brennholz müssen gestärkt und nachhaltig gestaltet werden.

Schließlich können Verbraucher im globalen Norden zur Brennholz- und Ernährungssicherheit beitragen, indem sie darauf achten, Umweltzerstörung zu vermeiden. Der Konsum von nachhaltigen Waren und Dienstleistungen kann direkt zum Schutz von holzbasierten Ressourcen beitragen. Internationale Standards und Zertifizierungen wie vom „Forest Stewardship Council“ (FSC), dem Label für recycelte Inhaltsstoffe oder der Blaue Engel geben international anerkannte Orientierung für nachhaltige Wertschöpfungsketten.

Relevant ist dies gerade bei Holzkohle: So hat der WWF für 2020 errechnet, dass allein pro Jahr bis zu sechs Millionen Kubikmeter potenziell illegales Holz in Form von Grillkohle in die EU gelangen. Das entspricht etwa neun Prozent des jährlichen Holzeinschlags in Deutschland.

Fußnoten:

1) Victor, B., Sustaining Culture with Sustainable Stoves: The Role of Tradition in Providing Clean-Burning Stoves to Developing Countries. Consilience 2011,  (5).

2) IEA 2016 World Energy Outlook 2016: Executive Summary (Paris: International Energy Agency)

3) IEA, Africa Energy Outlook 2022, World Energy Outlook Special Report.

4) FAO, Declaration on world food security, World Food Summit, Food and Agriculture Organisation, Rome, 1996.

5) Baro, M., (2002) “Food Insecurity and Livelihood Systems in Northwest Haiti”, Journal of Political Ecology 9(1), 1-34. doi: https://doi.org/10.2458/v9i1.21633

Dr. rer. agr. Johannes Michael Hafner Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF)
Dr. Harry Konrad Hoffmann TMG Research gGmbH

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