Was wird aus der G7-Idee eines Klimaclubs: exklusiver Kreis – oder offene Runde?
Club, Allianz, oder Bündnis – Deutschland möchte in der G7 unter einem Dach den Weg zur Klimaneutralität gestalten: zum Abbau von CO2, dem Umbau von Industrien – und möglichst mit Schwellenländern. Wie soll das funktionieren?
Wegweisenden Beschlüssen verleiht die Ampelkoalition gerne eine zusätzliche Dynamik durch klangvolle Beinamen. So wurde die Energiepreispreise als „Doppelwumms“ verkündet. Von dem Vorschlag des Bundeskanzlers, im Kreis der Industrieländer einen Klimaclub zu etablieren, ist seit dem Gipfeltreffen von Elmau indes wenig zu hören. Olaf Scholz hat viel politisches Kapital investiert, aber viel „Wumms“ kann das Kanzleramt noch nicht vermelden. Dabei soll der Club eine „zündende“ Funktion haben, um den Weg zum Erreichen der Pariser Klimaziele durch mehr „Taten“ zu beschleunigen.
Die G7 zeichnen für mehr als ein Drittel der globalen CO2-Emissionen verantwortlich. „Ohne substanzielle Emissionsreduktionen in dieser Staatengruppe, die auch eine wichtige Vorbildfunktion einnehmen könnte, ist das 1,5-Grad-Ziel des Abkommens nicht zu erreichen“ kommentierte die Konrad Adenauer Stiftung. Allerdings haben „die G7 sich bezüglich der Ausgestaltung des Klimaclubs auf sehr wenig verständigt und in der Abschlusserklärung wenig Konkretes geeint“, befand enttäuscht die Umweltorganisation Greenpeace Ende Juni.
Die Staats- und Regierungschefs stimmten der Gründung eines Klimaclubs zunächst nur grundsätzlich zu. Ob es gelingt, den unfertigen Rohbau bis Ende der deutschen G7-Präsidentschaft im Dezember mit gemeinsamen Zielen und Formen der Zusammenarbeit zu füllen, ist offen. Die Archtitekten haben drei Säulen entworfen: Zum einen sollen Mitglieder ihre Ziele zum Abbau klimaschädlicher Emissionen angleichen. Zum anderen geht es um den Umbau energieintensiver Industriezweige – und schließlich sollen auch Entwicklungs- und Schwellenländer eingebunden werde. Die "Terms of Reference", oder Spielregeln, sollen bis Ende des Jahres stehen.
Am Anfang der Überlegungen zu dem Club steht die Sorge, dass die energieintensive deutsche oder europäische Wirtschaft international an Wettbewerbsfähigkeit verliert, wenn sie in zunehmendem Maße erhebliche CO2-Preise zahlt. Zu ihrem Schutz hat die EU einen so genannten Grenzausgleich, eine Art schützenden Außenzoll vereinbart, den preisgünstigere Unternehmen aus Drittstaaten auf EU-Märkten leisten müssten. Wenn nun die USA oder Kanada – in dem Club – vergleichbare Standards und Regeln akzeptieren, seien es CO2-Preise oder andere Anreize zur Dekarbonisierung, dann würden sie von diesem Zoll befreit.
Klimaclub mit drei Säulen
1) So gehört zur ersten Säule, die Ambitionen und Politiken der Clubmitglieder auf einen Stand zu bringen. Schiebt man also z.B. eine einheitliche CO2-Bilanzierung an (etwa zur Messung des Fußabdrucks von Produkten)? Was sind vergleichbare (und messbare) politische Instrumente, die Anreize für klimaschonende Investitionen der Wirtschaft schaffen können? Sie werden in Industriezweigen wie Stahl und Aluminium ebenso gebraucht, wie im Fahrzeug- und Maschinenbau oder der Metallverarbeitung, sowie potenziell auch in umzubauenden Zweigen wie Chemie und Landwirtschaft.
So soll im Club mit vergleichbaren strukturellen Mitteln auch vergleichbare Wettbewerbsbedingungen geschaffen werden („level playing field“) – während Produkte aus Drittländern (z.B. Stahl aus Indien oder China), die klimapolitsch weniger ehrgeizig sind, durch einen Außenschutz verteuert würden. Die Gipfelerklärung spricht von „CO2-Bepreisung“ oder anderen „Ansätzen zur CO2-Minderung und Reduzierung der Kohlendioxidintensität“ und lässt damit ahnen, dass die G7 von gemeinsamen lenkenden Systemen wie einem Zertifikatehandel weit entfernt sind – insbesondere die USA und Japan.
Der folgende japanische G7-Vorsitz gilt als wenig ambitioniert, das Projekt zu übernehmen, sagt Aylin Shawkat vom Thinktank Agora Industrie. Soll die deutsche Idee Erfolg haben, müsste das Konstrukt bis Ende des Jahres auf eigenen Füßen stehen. Das Prestigeprojekt des Kanzlers bräuchte dafür jedoch konkretere Zusagen der G7-Partner – für die möglicherweise die Klimakonferenz in Ägypten (COP27) die Bühne wäre.
2) Das gilt auch für die zweite Säule, über die beschleunigt Industriezweige dekarbonisiert werden sollen. „Clubmitglieder“ sollen Vorteile daraus ziehen, dass bestimmte Sektoren Allianzen schmieden, in denen sie etwa vereinbaren, wie viele Emissionen einem Stahlprodukt in seinem Leben erlaubt werden, um „grün“ zu sein. Gemeinsame Methoden und Kennzeichnungssysteme, oder Grenzwerte von CO2-Abdrücken von Produkten sollen helfen, Leitmärkte für grüne/klimaneutrale Industriegüter zu schaffen: Damit schneller mehr klimaneutral hergestellt werden kann (Skaleneffekte).
3) Die dritte Säule schließlich scheint noch ganz am Anfang. Ein Klimaclub soll Entwicklungs- und vor allem industrialisierte Schwellenländer dabei unterstützen, einen klimafreundlichen Entwicklungspfad zu nehmen. Neben China richtet sich der Blick dabei auf Großemittenten von heute, wie Indien, und von morgen, wie Südafrika, Indonesien oder Vietnam. Der Club will offen sein für alle, die ambitionierte Klimaziele verfolgen, ohne Eintrittsbarrieren.
Noch ist jedoch unklar, wie der gewünschte Transfer von Technik und Technologie und dessen Finanzierung organisiert werden können. In den wenigsten aufstrebenden Volkswirtschaften stehen etwa schon Verwaltungen bereit, die komplizierte Systeme der CO2-Bepreisung steuern können. Immerhin gibt es schon den Namen für den "Outreach": Die Just Energy Transition Partnerships (JETPs) sollen ambitionierte Länder beim Ausstieg aus fossiler Energie unterstützen. Mit Südafrika hat man so eine Partnerschaft begonnen. Es fehlen aber noch Strukturen. Ohne die Einbindung dieser Länder müsste ein Klimaclub sich aber den Vorwurf des klimapolitischen Protektionismus gefallen lassen.