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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 06/2023
  • Alessandro Gili, Francesco d’Ambrosio Lettieri

Wie Global Gateway Europas Entwicklungspolitik verändert

Über Investitionen von 300 Mrd. Euro in Digitalisierung, Energie, Verkehr und Gesundheit stärkt die EU die Bande zu Entwicklungs- und Nachbarländern – es ist der erste europäische Infrastrukturplan mit globalem Zuschnitt.

Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt 2021 die Global Gateway-Initiative vor – das erste global angelegte Infrastrukturprojekt der EU. © European Union, 2021

Die Europäische Union (EU) erhöht das Tempo bei der Umsetzung des internationalen Infrastrukturentwicklungsplans Global Gateway. Die Initiative zielt darauf ab, Europa und den Rest der Welt besser zu vernetzen; insbesondere die Konnektivität mit Entwicklungsländern und anderen Ländern der Europäischen Nachbarschaftspolitik (ENP) soll verbessert werden. Der Plan ist Teil einer umfassenderen Strategie, die Autonomie der EU in ihren wirtschaftlichen und politischen Beziehungen mit dem Rest der Welt zu gewährleisten. Dies gilt für die Bereiche Industrie, Verteidigung, Luft- und Raumfahrt, Rohstoffbeschaffung und Infrastruktur.

Das Gateway (deutsch: Portal, Schnittstelle) wurde im Dezember 2021 ins Leben gerufen und ist der erste europäische Infrastrukturplan mit globalem Zuschnitt. Zuvor fehlte es an einer wirklich umfassenden Strategie, und es klaffte eine Lücke zwischen den eigenen Schlüsselinteressen der Union und den Ressourcen, die sie zur Bewältigung ihrer wichtigsten strategischen Schwachstellen benötigt. Das Gateway gibt den Aktivitäten der EU im Bereich der externen Infrastrukturinvestitionen nun Struktur und Kohärenz. Gleichzeitig schafft es die Möglichkeit, stärkere Partnerschaften in strategischen Regionen der Welt, wie dem afrikanischen Kontinent, aufzubauen.

Europas Antwort auf geopolitische Herausforderungen und Risiken

Mit dem Global Gateway schenkt Europa der Infrastruktur, der Vernetzung und den geopolitischen Risiken, die sich aus Projekten anderer Mächte wie Chinas Neuer Seidenstrasse (Belt and Road Initiative, BRI) ergeben, größere Aufmerksamkeit. Um welche enorme Herausforderung es geht, macht eine einzige Zahl deutlich: Peking hat mit seiner 2013 lancierten Neuen Seidenstrassen-Initiative weltweit rund 885 Milliarden Dollar in Infrastrukturprojekte investiert.

Nachdem die EU anfangs noch zögerlich war, hat sie inzwischen ihre Position geändert und ist in Infrastrukturfragen, einem der wichtigsten globalen Bereiche für den grünen Transformationsprozess, deutlich aktiver geworden. Die EU legt dabei Wert auf die Finanzierung von Vernetzungsprojekten mit strengen nachhaltigen Umweltstandards, mit transparenten Vergabeverfahren unter Berücksichtigung der sozialen Bedingungen in den Empfängerländern, sowie der Achtung der grundlegenden Menschenrechte und der Rechtsstaatlichkeit.

Nachhaltigkeit ist dabei das Schlüsselelement geworden, das europäische von chinesischen Projekten unterscheidet. Während sich die europäischen Initiativen unmittelbar darauf konzentrieren, die Treibhausgasemissionen zu reduzieren, haben die chinesischen Projekte, zum Beispiel, die Finanzierung von Kohlekraftwerken im Rahmen der BRI erst im September 2021 eingestellt. Sie werden zudem auch in Zukunft weiterhin andere Projekte mit fossilen Brennstoffen unterstützen.

Mit dem Global Gateway will die EU bis 2027 bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren. Es ist der Versuch Europas, die globale Infrastrukturlücke, die auf insgesamt rund 15 Billionen Dollar geschätzt wird,  schließen zu helfen und ein Investitionsmodell anzubieten, das als Alternative zu Pekings BRI dient. Digitalisierung, Klima und Energie, Verkehr, Gesundheit, Forschung und Bildung sind die Schlüsselbereiche der europäischen Strategie. Die EU wird ihre Partnerschaften auf eine Reihe von Grundprinzipien für Investitionen stützen, darunter:

Dieser letzte Punkt ist für die EU-Strategie von entscheidender Bedeutung, da die europäische Finanzierung darauf abzielt, private Investitionen zu mobilisieren und einen Multiplikatoreffekt für die eingesetzten Mittel zu schaffen.

Der EU-unterstützte Bau der Logone-Brücke an der Grenze von Kamerun und Tschad ist Teil des strategischen Korridors Librevill-N'djamena. © European Union, 2023

Zweifel und Widersprüche

Mit ihrer Global-Gateway-Initiative zeigt die EU, dass sie weit über einen einfachen Mechanismus für künftige weltweite Infrastrukturinvestitionen hinausgehen will. Dabei macht sich Brüssel allerdings auch einige der Ansätze der chinesischen BRI zu eigen, die es bislang so heftig kritisiert hat. Dazu gehört die Förderung eines alternativen Wirtschafts- und Entwicklungsmodells in den Empfängerländern, das auf der Nachhaltigkeit der von der EU geförderten Projekte beruht.

Ungewiss ist, ob die Zielländer diese Initiative sämtlich begrüßen werden – und ob sie für sie im Vergleich zur chinesischen BRI attraktiver sein wird. Wichtige Vertreter Afrikas haben bereits 2021 die Befürchtung geäußert, dass mit den europäischen Investitionen von oben verordnete Reformen verbunden sein könnten.

Doch scheint das Global Gateway einige der Zweifel ausräumen zu können, die mit Chinas BRI verbunden werden: ihre bedeutenden, wenn auch impliziten politischen Auflagen, sowie eine Schuldenfalle, die Ländern häufig bei kostspieligen Infrastrukturprojekten droht. Was die Verschuldungsrisiken angeht, so scheint die EU mit guter Absicht zu handeln und kann sich die jahrzehntelange Erfahrung der Europäischen Investitionsbank (EIB) zunutze machen, auf ihre niedrigen Festzinsen und ihre Wachsamkeit zur Sicherung von Investitionen vertrauen. Darüber hinaus betont die EU demokratische Werte und gewährleistet zugleich eine strenge Prüfung der technischen und finanziellen Durchführbarkeit und Planungsphasen von Projekten und verlangt, Umwelt- und Sozialstandards einzuhalten.

Die afrikanische Feuerkraft

Auf dem Gipfeltreffen zwischen der Afrikanischen Union (AU) und der EU im Februar 2022 verpflichtete sich Europa zu einem regionalen Investitionsplan in Afrika im Rahmen des Global Gateway. Das Afrika-EU-Investitionspaket hat ein Volumen von 150 Milliarden Euro und konzentriert sich auf fünf Bereiche: Energie und digitale Transformation, nachhaltiges Wachstum, die Schaffung neuer Arbeitsplätze sowie die Verbesserung der Gesundheits- und Bildungssysteme. Die Infrastruktur, der wichtigste Investitionsbereich des Plans, hat das Potenzial, übergreifend in allen wichtigen Sektoren zu Fortschritten beizutragen.

Die Integration der europäischen und afrikanischen Verkehrsnetze soll das Sprungbrett sein, um das wirtschaftliche Potenzial einer Freihandelszone, die den gesamten afrikanischen Kontinent umfasst, freizusetzen. In diesem Sinn wurden im April 2023 87 neue Projekte angekündigt, darunter 11 strategische Korridore.

Geplante Strategische Korridore in Afrika im Rahmen der Global Gateway-Initiative © EU-Kommission

Das Projekt Praia-Dakar-Abidjan in Westafrika wird durch Schnellbuslinien und den Ausbau des Hafens von Banjul in Gambia das gesamte Verkehrssystem im Senegal qualitativ verbessern. In Namibia wird die Partnerschaft durch Investitionen in den strategischen Verkehrskorridor Maputo-Gaborone-Walvis Bay gestärkt. All diese Projekte werden für die Entwicklung neuer Wertschöpfungsketten von entscheidender Bedeutung sein, was sowohl der afrikanischen als auch der europäischen Industrie zugute kommen wird.

In diesem Zusammenhang haben die EU und die AU-Kommission 95 regionale Wertschöpfungsketten in 23 vielversprechenden Sektoren identifiziert. Sie sollen dazu beitragen, die nachhaltige Industrialisierung sowie den Handel zwischen afrikanischen Ländern sowie zwischen Afrika und der EU zu fördern.

Der eröffnete 560 km lange strategische Korridor Mombasa-Kisangani (Kenia-Demokratische Republik Kongo), Teil der von Engpässen geplagten Handelsroute entlang des Nördlichen Korridors, zeigt bereits Erfolge der EU-afrikanischen Investitionen in der östlichen Region. Durch eine Verbindung zwischen dem städtischen Mombasa und dem ländlichen Kilifi (nördlich von Mombasa) wird der Zugang zu besseren Verbindungen auf nationaler Ebene verbessert, aber auch der Handel gefördert. Die Stadt Kilifi könnte zum größten Hafen in Ostafrika werden.

Die Schaffung einer Infrastruktur für digitale Verbindungen ist ebenfalls von zentraler Bedeutung. In diesem Zusammenhang wird das EurAfrica Gateway Cable die EU und Afrika entlang der Atlantikküste verbinden, die digitale Souveränität beider Kontinente fördern und gleichzeitig den Datenverkehr erhöhen und die Sicherheitsstandards verbessern.

Die bessere Anbindung Afrikas wird auch durch das europäische Programm für sichere Satellitenkommunikation verbessert, das die Internetanbindung des Kontinents, insbesondere seiner entlegensten Gebiete, ermöglicht. Schließlich wird die Einrichtung "grüner Datenzentren" für den Aufbau einer afrikanischen Datenwirtschaft von entscheidender Bedeutung sein und gleichzeitig die Datenhoheit und die Nachhaltigkeit der Produktions- und Speicherprozesse gewährleisten.

Das Global Gateway wird außerdem 15 Milliarden Euro für Investitionen zur Förderung der Energieerzeugung bereitstellen. Die Afrika-EU-Initiative für grüne Energie zielt darauf ab, die Entwicklung von mindestens 300 Gigawatt (GW) zusätzlicher erneuerbarer Energie bis 2030 zu unterstützen (50 GW aus Elektrizität), wodurch der Zugang zu Energie für mindestens 100 Millionen Menschen gewährleistet wird. In diesem Rahmen wird die Wasserstoffstrategie eine entscheidende Rolle spielen, mit dem Ziel, bis 2030 eine Elektrolysekapazität von mindestens 40 GW zu schaffen.

Zudem werden Just Energy Transition Partnerships (JET) eingerichtet, um die afrikanischen Partnerländer bei der Energiewende und bei der Verbesserung der Energieeffizienz zu unterstützen. Die ersten JETs sind mit Südafrika (im Wert von 3 Milliarden Euro) und mit dem Senegal in Vorbereitung.

Das Global-Gateway-Paket wird afrikanische Städte und Regionen zu neuen Drehscheiben für die nationale und internationale Entwicklung ausbauen. Glasfaserkabel sowie Cloud- und andere Dateninfrastrukturen sollen neue intelligente Städte unterstützen, die Menschen miteinander verbinden und den Zugang zu einem zuverlässigen Internetnetz und Datenschutz gewährleisten.

Eine industrielle Entwicklung, die die Lebensgrundlagen der Menschen im Einklang mit Afrikas grünem Wirtschaftswandel respektiert, ist der Schlüssel, um künftige nachhaltige Landschaften im Kontext der afrikanischen Urbanisierung zu fördern. Ein neues und effizientes Verkehrssystem wird die afrikanischen Städte stärken und die Mobilität innerhalb des Kontinents sowie zwischen Afrika und Europa verbessern.

Das Gateway könnte auf ernsthafte Hindernisse stoßen

Die Finanzierung von Infrastrukturinvestitionen im Ausland kann ein wertvolles Mittel sein, um europäische Standards und Werte zu verbreiten. Sie kann gleichzeitig die Chancen für den Eintritt in und die Teilnahme an ausländischen Märkten verbessern. Bedeutende Hindernisse könnten allerdings verhindern, dass die Ziele des Global Gateway erreicht werden.

In den afrikanischen Ländern wird es wichtig sein zu erkennen, welche Auswirkungen die Gateway-Partnerschaften und -Projekte auf die lokale Bevölkerung haben werden, von der 58 Prozent in ländlichen Gebieten leben und 65 Prozent von der Landwirtschaft abhängig sind. Denn die Neugestaltung globaler Wertschöpfungsketten durch neue Verbindungswege wird den Agrarsektor nicht unberührt lassen. Derzeit ist noch unklar, wie die kleinen und mittleren Landwirte und ihre Betriebe in diesen Prozess einbezogen werden sollen.

Ganz allgemein könnte außerdem die Wahl der Investitionsprojekte zu Spannungen zwischen den europäischen Staaten führen. Deshalb ist es wichtig, Wege und Lösungen zu finden, um die unterschiedlichen politischen Interessen der EU-Mitgliedstaaten miteinander in Einklang zu bringen. Wenn Europa wirklich mit der Neuen Seidenstrasse-Initiative Chinas konkurrieren will, ist es zudem unverzichtbar, den Privatsektor aktiv mit einzubeziehen und umfassend in innovative, nachhaltige Ideen zu investieren.

Alessandro Gili Institute for International Political Studies (ISPI), Milan
Francesco d’Ambrosio Lettieri Institute for International Political Studies (ISPI), Milan

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