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  • Klima & Ressourcen
  • 06/2023
  • Dr. Connie Voigt

Systembedingter Wasserstress in Tunesien

Das Land in Nordafrika erlebt eine Dürre wie seit Jahrzehnten nicht. Sie legt das Scheitern aufeinanderfolgender Regierungen im Wassermanagement offen – trotz umfangreicher Entwicklungszusammenarbeit.

Der Staudamm Sidi Saad ist einer der größten der 30 Stauseen Tunesiens. © Jonas Wresch / KfW

Sinkende Füllmengen der Stauseen und vermehrt minimale Niederschlagsmengen haben die Mittelmeernrainer gemein. In Tunesien wird indes seit Jahrzehnten das Grundwasser illegal übernutzt. Hinzu kommt eine mangelhafte Instandsetzung der Infrastruktur mit Wasserverlusten aus maroden Leitungen, die aus Zeiten des französischen Protektorats stammen. Viele Böden verschlammen und versalzen. Im Vergleich zum Vorjahr fallen die Ernten 2023 um geschätzt 50 Prozent geringer aus. Eine nationale Studie als Basis für eine neue Wasserstrategie liegt seit Monaten vor, aber ein Aktionsplan zur Umsetzung lässt auf sich warten.

Die landwirtschaftlich genutzten Flächen und das Weideland in Tunesien sind von einer fortgeschrittenen Verödung bedroht. Durch Monokultur, schlechte Bewirtschaftung und regionale Versalzung und Verschlammung verlieren die Böden an Widerstandskraft. Regenfälle bleiben im Zuge des Klimawandels teilweise aus. Aus Angst vor einer völligen Austrocknung der Böden haben dieses Jahr viele Getreidebauern bereits im Mai mit der Ernte begonnen. Noch drastischer trifft es die Futtermittelproduktion mit einer Einbuße um 60 Prozent gegenüber 2022. Obwohl die Tierhaltung bei tunesischen Landwirten zur wirtschaftlichen Backup-Strategie gehört, müssen derzeit Tiere notgeschlachtet werden – eine dramatische Situation, die besonders für die kleineren landwirtschaftlichen Betriebe die Zukunft in Frage stellt. Das örtliche meteorologische Institut zählt 2023 als das siebte trockene Jahr in Folge.  

Als Reaktion auf die sich zuspitzende Wasserkrise rief der tunesische Staatspräsident Saied Mitte April den Wassernotstand aus und forderte die Bevölkerung zum Wassersparen auf. In den besonders betroffenen südlichen Landesteilen ließ er das Wasser über die Nachtstunden komplett abdrehen. Im Norden wurde der Druck in den Wasserleitungen nachts um 30 Prozent gedrosselt. Die derzeit besonders von Trockenheit betroffene Region Kairouan hat bis auf weiteres keine Zulassung, Tomaten aus den naheliegenden Stauseen zu bewässern. Deren Füllmenge liegt bei unter 30 Prozent.

Derartige Maßnahmen seien zum ersten Mal in der Landesgeschichte in diesem Ausmaß auferlegt worden,  sagt Professor Hamza Elfil, Laborchef für Wasserqualität nach Entsalzung am Water Research and Technologies Center in Soliman, unweit der Hauptstadt Tunis. Eine besorgniserregende Entwicklung. Der Staat müsse zur Rettung seiner Landwirte handeln, fordert Agrarökonom Houssem Eddine Chebbi, der schon im vergangenen Jahr wegen der zunehmenden Wasserknappheit schlechte Prognosen für die tunesische  Agrarwirtschaft  abgegeben hatte (siehe Art. 06/22, Getreidekrimi). „Die Investitionsquote in der Landwirtschaft ist auf zehn Prozent gesunken, während ein Drittel der Bevölkerung direkt von Einkünften aus der Landwirtschaft lebt.“

Schwindende Wasserreserven sind in dem nordafrikanischen Land seit mehr als zwei Jahrzehnten kontinuierlich zurückzuverfolgen. Der durchschnittliche Füllungsgrad der Reservoirs liegt bereits vor dem Sommer in diesem Jahr bei nur 30 Prozent, im Vergleich zu mehr als 45 Prozent im Vorjahr. Am Stausee Nebhana war der Wasserstand zuvor jährlich um durchschnittlich zwei Meter (Zahlen 2001-2013) gefallen. Zudem gingen die Grundwasservorkommen innerhalb der vergangenen sechs Jahre dramatisch um fast 23 Prozent zurück. Davor wurde von 1996-2012 ein Rückgang der Grundwasserspiegel um fast 30 Meter gemessen. Das Absinken des Grundwassers ist zwei Hauptfaktoren geschuldet: abfallende Niederschlagswerte sowie illegaler Tiefbrunnenbau.

Illegale Übernutzung des Grundwassers

„Unsere Landwirte gewinnen ihr Wasser für den landwirtschaftlichen Anbau lieber aus 50 Metern Tiefe, bevor sie mit aufbereitetem Wasser bewässern, denn sie trauen der Wasserqualität von aufbereitetem Wasser nicht“, behauptet Laborchef Hamza Elfil vom Water Research and Technologies Center. Sein Forscherkollege Anis Chekirbane präzisiert: „Wir haben in Tunesien insgesamt 21.675 vom Staat registrierte Tiefbrunnen mit über 50 Metern Tiefe. Die Regierung schätzt die Anzahl unautorisierter Tiefbrunnen aber auf zusätzliche 11.600.“ Persönlich geht der Forscher von mehr als 22.000 illegalen Tiefbrunnen aus. Von Brunnenbauten unter 50 Metern Tiefe registrierte der Staat 150.000. Auch hier kann man von zusätzlichen illegalen 15.000 Brunnen ausgehen, sind sich beide Wissenschaftler des Wassertechnologie-Centers einig.

Die messbaren Daten weisen auf eine deutliche Übernutzung hin. Chekirbane rechnet vor: „Pro Jahr werden 903 Millionen Kubikmeter an Grundwasser aus Tiefbrunnen gewonnen. Grundwasser-erhaltend bzw. zulässig wäre die Nutzung von maximal 746 Millionen Kubikmeter. Aus Brunnen bis 50 Metern Tiefe werden jährlich 1750 Millionen Kubikmeter von 1429 Millionen zulässigen Kubikmetern gewonnen. Unsere Grundwasser-Übernutzung liegt damit insgesamt bei durchschnittlich 120 Prozent.“

Blackbox Agrarpolitik

Das Problem der Kontrolle und Unterbindung ist strukturell bedingt und wurde verschleppt, denn seit der Revolution 2011 wird das Land von neun aufeinanderfolgenden Regierungen geführt. Wie Agrarökonom Chebbi betont, gibt es bis heute keine Priorität der jeweiligen Staatsoberhäupter für Agrarwirtschaft. Bei der in Tunesien aktiven GIZ, der staatlichen Durchführungsorganisation für Entwicklungszusammenarbeit (EZ), stellen Experten für Wassermanagement und Agrarböden auch unter dem jüngsten Agrarminister fest, dass dieser eine angekündigte Task Force noch nicht eingesetzt hat. Eine von der Regierung in Auftrag gegebene 3700 Seiten-Studie zur Verbesserung des Wassermanagements wartet seit Monaten auf eine Kurzversion zur konkreten Umsetzung.

Dabei ist das illegale Pumpen aus dem Grundwasser seit Jahrzehnten bekannt – also auch vor dem Systemwechsel zur präsidentiellen Demokratie. Kosten aus dem Brunnenbau entstehen den Landwirten langfristig nur für die Instandsetzung der eigenen Brunnen. Unter den Umständen der immer geringer ausfallenden Niederschläge scheint es nachvollziehbar, wenn Bauern auf autarke, anarchische Wege der Bewässerung setzen. Bisher wurden nach offiziellen Verlautbarungen (nur) 115 illegale Brunnen geschlossen. Ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Kritische Qualität der Wasseraufbereitung

Ein Weg zur Abhilfe des Wassermangels könnte darin bestehen, vermehrt Abwässer wieder in den Kreislauf zurückzuführen. Da das Abwasser im Landesinneren nicht flächendeckend entsorgt wird, fließt es in die Natur ab. Von den bestehenden Aufbereitungsanlagen lieferten 2018 nur die Hälfte Wasser, das den Einleitungsnormen entspricht, so dass Landflächen und Meerwasser, wohin das Wasser aus den Haushalten letztlich abgeleitet wird, verschmutzt werden.

Allerdings könnte die Regierung in mehr Wasseraufbereitung investieren. Nach Einschätzung des Wirtschaftsdienstes GTAI bietet die Wiederverwendung von behandelten Abwässern in Tunesien großes Potenzial zur Lösung der Wasserkrise. Gemäß dem staatlichen Abwasserentsorgungsamt ONAS, das ausschließlich für die Agrarbewässerung zuständig ist, wurden beispielsweise 2018 etwa 274 Millionen Kubikmeter Abwasser aufbereitet und bereitgestellt. Davon wurden aber nur weniger als die Hälfte tatsächlich wiederverwendet.

„Es mangelt seitens der Regierung an Aufklärung für Landwirte zur Nutzung des recycelten Wassers“, sagt die Forscherin für Hygiene, Umwelt und Gesundheit des staatlichen Agronomie-Instituts (INAT) Layla Ben Ayed. „Weil ONAS bisher keinen konkreten staatlichen Auftrag hat, Wasser zu kontrolliert guter Qualität aufzubereiten, und weil bekannt ist, dass die staatlichen Gelder für die Qualitätskontrolle fehlen, gehen die Bauern den sicheren Weg der Grundwassergewinnung."

Wasser gefährdet Gesundheit

Ben Ayed kooperierte in einem von der Prima-Initiative(1) finanzierten Forschungsprogramm zur Analyse der Oberflächenwasserqualität von Gewässern im Norden des Landes, darunter der Medjerda Fluss, Tunesiens längster Fluss. Seine Trinkwasserqualität sinkt seit Jahren kontinuierlich. Als alarmierend stuft sie die Ergebnisse der Probenentnahme von 2017 zum Gehalt von Kolibakterien und Enterokokken, stark erhöhtem Salzgehalt, Nickel und weiteren Nachweisen von Metallen ein – insbesondere in Wasserentnahmeregionen in Nähe zu Industrien im Landesnorden. „Dieses Wasser ist gesundheitsschädigend und kann auch nicht zur Aufbereitung genutzt werden. Die Lage ist heute noch kritischer zu bewerten, weil reinigende Niederschläge rückgängig sind,“ warnt Ben Ayed.

Mit Finanzierungshilfe der deutschen Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) untersuchte das Agronomieinstitut zudem Zisternenwasser in der ländlichen Region um Kairouan auf Trinkwasserqualität. Bei 95 Prozent der untersuchten 39 Bauernhaushalte mit insgesamt 150 Angehörigen war das Trinkwasser u.a. mit Bakterien wie gesundheitsgefährdenden Streptokokken kontaminiert. „Wir haben im Land aufgrund der Wasserkrise derzeit unendlich viele Workshops zur besseren Nutzung von aufbereitetem Wasser", erläutert Ben Ayed. "Oft nehmen verschiedene MinisterInnen teil, aber ich erkenne keine Kooperationen zwischen den einzelnen Ministerien, oder den Willen, systematisch das komplexe Problem anzupacken,“ moniert die Forscherin.

Tunesiens Präsident Kais Saied bei einem Besuch in Brüssel. © The European Union

Strukturelles Problem der Instandsetzung

Für die Trinkwasserqualität ist das staatliche Wasserversorgungsunternehmen Sonede mit dem Gesundheitsministerium verantwortlich. Doch Sonede hat (wie auch ONAS) interne Probleme zu bewältigen: Fachkräftemangel und Unterfinanzierung. Die Löhne für Fachkräfte sind so niedrig, dass viele der Qualifizierten ihr berufliches Glück in Europa suchen. Der Wasserpreis ist niedrig. „Der Tarif für die fließende Wasserversorgung liegt unter dem Entstehungspreis, der bereits 2020 etwa 1,2 Dinar (ca. 35 EuroCent) pro Kubikmeter betrug; damit ist Sonede außerstande, das bestehende Leitungsnetz zu warten“, sagt Peter Schmitz, Korrespondent des GTAI-Büros in Tunis. Höhere Tarife könnten sich viele Tunesier nicht leisten; das Land leidet unter hoher Arbeitslosigkeit (registriert sind 16 Prozent) bei einer Inflationsrate von etwas über  zehn Prozent.

Zudem zählt Wasser per tunesischer Gesetzgebung zum Menschenrecht. Die Regierung scheint das Risiko einer Tariferhöhung zu meiden, um den schon großen Unmut in der Bevölkerung nicht weiter anzuheizen. Somit bleibt das systemische Problem, wie die notwendige Instandsetzung der Infrastruktur ohne genügend Fachpersonal langfristig finanziert und durchgeführt werden soll, bestehen.

Marode Wasserleitungen aus Zeiten des Protektorats

Derweil sickert wertvolles Wasser durch ein marodes Leitungssystem. Die Wasserverluste in Leitungen für die Landwirtschaft liegen Experten zufolge in Tunesien bei 50 Prozent, in städtischen Trinkwassernetzen versickern 40 Prozent. Bis heute haben es die diversen Regierungen des Landes über Jahrzehnte versäumt, in die Wartung ihrer inzwischen maroden Wasserrohre zu investieren. Überdies fehlen sowohl ONAS als auch Sonede die für Instandhaltung und Reparatur notwendigen Geräte – obwohl die deutsche EZ finanziell seit mehr als zehn Jahren den Wassersektor massiv unterstützt.

Über die KfW-Entwicklungsbank unterstützt Deutschland primär die Finanzierung der Infrastruktur, darunter die Instandsetzung der Rohre und Staudämme.  Außerdem ist sie im Rahmen unterschiedlicher Programme mit der ONAS seit 2009  finanziell an Neubau, Erweiterung und Modernisierung von 33 Kläranlagen beteiligt, 15 der Anlagen sollen bei Fertigstellung über eine dritte Reinigungsstufe verfügen. Das KfW-Portfolio der finanziellen Zusammenarbeit im gesamten tunesischen Wassersektor wuchs in zehn Jahren erheblich von rund 300 Mio. Euro (2013) auf über 1 Mrd. Euro für laufende Projekte in 2023 an.

Energiefressende Entsalzungsanlagen

Im April verkündete der Präsidentenpalast in einer Pressemitteilung  sinngemäß, dass langfristig große solarbetriebene Entsalzungsanlagen und eine Wasser-Pipeline vom Golf von Gabes nach Gafsa gebaut werden sollen, um „Phosphat zu waschen“ und „das Saharaland in Grünzonen umzuwandeln“. Die deklarierten Zukunftsvisionen des autoritär regierenden Saied betreffen die industriellen Küstenregionen im Süden Tunesiens.

Lange vor Saieds Amtszeit begann die KfW den Bau der ersten (nicht solarbetriebenen) Meerwasserentsalzungsanlage auf der tunesischen Urlaubsinsel Djerba mit 60 Mio. Euro zu fördern, um die Wasserversorgung und die Gesundheit von Einwohnern und Touristen zu gewährleisten. Die Entsalzungsanlage mit einer Kapazität von 50.000 Kubikmeter/Tag soll vor allem während der Sommermonate die sehr angespannte Wasserversorgung der Urlaubsinsel Djerba sichern. Die Anlage ist für eine spätere Erweiterung auf 75.000 Kubikmeter/Tag ausgelegt, sodass der Wasserbedarf der Bevölkerung und der wirtschaftlich wichtigen Tourismusindustrie nachhaltig sichergestellt werden kann. Die 200.000 Einwohner der Insel und die nochmal so vielen Touristen werden so „mit hygienisch einwandfreiem Trinkwasser versorgt“, heißt es in einer Mitteilung der KfW.

Quadratur des Wasserkreises

Nach Einschätzung des Trinkwasserforschers Elfil ist das aus dem Meer gewonnene Süßwasser jedoch nicht als Trinkwasser anzuraten. „Um den Preis für trinkbares Wasser niedrig zu halten, mischt der staatliche Wasserversorger salziges Wasser in das frisch gewonnene entsalzte Wasser,“ sagt Elfil. „Die WHO erklärt einen Salzgehalt von maximal einem Gramm pro Liter im Weltstandard für zulässig. Der tunesische Standard bewegt sich bei bis zu zwei Gramm auf einen Liter Wasser,“ mahnt der Experte und empfiehlt, die Nutzung dieses Wasser-Cocktails in den Haushalten auf Kochen und Waschen zu beschränken.

Zum großen Teil decken Tunesier ihren Trinkwasserbedarf mit dem Kauf von Wasserflaschen ab. „Tunesien liegt mit 217 Liter pro Kopf und Jahr weltweit auf Platz drei was den Konsum von Wasser aus Wasserflaschen betrifft", so Elfil. "In Frankreich werden zum Vergleich 160 Liter pro Kopf und Jahr konsumiert.“ Das Vertrauen in die Wasserqualität scheint somit brüchig. Wer finanziell die Mittel hat, zahlt 800 Millimes, also knapp einen Dinar für 1,5 Liter Wasser. Doch in den heißen, sonnenreichen Sommermonaten werden Plastikflaschen häufig schlecht gelagert und sind stundenlang intensiver Sonneneinstrahlung beim Transport ausgesetzt. In der Folge bilden sich in dem abgefüllten Wasser Mikroplastikpartikel und andere Bakterien.

Eine Meerwasserentsalzungsanlage auf Djerba im Jahr 2020: keine Trinkwasserqualität © KfW-Bildarchiv / Dawin Meckel / OSTKREUZ

Professor Elfil resümiert: „Als staatlicher Trinkwasserversorger stellt die Sonede dem Volk Trinkwasser mit zweifelhafter Qualität zur Verfügung, weil mittellose Tunesier den kostendeckenden Tarif nicht aufbringen könnten, während die besser Situierten im Sommer auch nicht auf eine garantierte akzeptable Wasserqualität zählen können“.

Anpassung im Agraranbau

In Tunesien hat die Landwirtschaft mit 80 Prozent einen hohen Anteil am Wasserverbrauch, obwohl nach offiziellen Angaben weniger als zehn Prozent der genutzten Fläche bewässert werden. Doch erzielen die bewässerten Flächen die höchste Wertschöpfung. Das Land setzt auf eine wasserintensive, exportorientierte Landwirtschaft, in der Obst und Gemüse wie Tomaten, Erdbeeren oder Wassermelonen mit hohem Bewässerungsaufwand angebaut werden. Neben Orangen sind auch Datteln und Aprikosen Teil des wasserintensiven Repertoires der tunesischen Exportwirtschaft.

Im vergangenen Jahr hat sich laut der tunesischen Presseagentur (Okt. 2022) der Wert der heimischen Fruchtexporte zwischen Januar und September im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf knapp 42 Mio. Euro verdreifacht. Das Land exportierte 53.000 Tonnen Früchte. Libyen ist mit Abstand der größte Abnehmer von Früchten, mit Ausnahme von Erdbeeren, die vor allem an die Golfstaaten geliefert werden. Frankreich ist größter Abnehmer von tunesischen Orangen.

Die in Oasenwirtschaft geerntete Dattel ist ein wasserintensiver Exportschlager. © gifruit

Datteln sind neben Oliven das wichtigste landwirtschaftliche Exportgut. 2022 lagen die Dattelausfuhren beim Wert von umgerechnet 760 Mio. Euro, über die Hälfte davon ging nach Europa. Der im Süden und im Zentrum in Oasenwirtschaft betriebene Dattelanbau, eine heilige Kuh der tunesischen Landwirtschaft, wird durch das Pumpen von Grundwasser gerettet. Schätzungsweise 8000 der insgesamt rund 22.000 illegalen Tiefbrunnen sind im Dattelanbaugebiet rund um die Oasenstadt Douz zu vermuten.

Aus tausend Meter Tiefe pumpen Solarpumpen Tag und Nacht heißes fossiles Süßwasser an die Oberfläche, das mit kühlem Wasser gemischt wird. Wie endlich diese Quelle ist – ein riesiges grenzüberschreitendes Grundwasserreservoir (Aquifer) von porösen Sandsteinschichten in der nordwestlichen Sahara, das sich Tunesien, Algerien und Libyen teilen – ist weitgehend unbekannt.

Dicke Bretter zu bohren

Somit lässt sich erahnen, wie konfliktreich ein Durchgreifen des Staates zur allfälligen Schließung illegaler Brunnen wäre. Zudem würden Verbote per Korruption torpediert und unterlaufen, sind sich Experten der deutschen Entwicklungszusammenarbeit einig. Gleichzeitig nimmt die Versalzung durch das Absinken des Grundwassers seit Jahren deutlich sichtbar zu.

Wie das Land angesichts der vorhergesagten Ernteeinbußen seinen Getreidebedarf 2023/24 decken wird, ist fraglich. Denn für die Rettung der Ernten 2023 kommen flankierende Sensibilisierungsmaßnahmen für einen stabileren Wasserkreislauf – sei es für vermehrte Tröpfchenbewässerung, für Bewässerung mit Klärwasser oder für eine stärkere Nutzung von geklärtem Wasser der Industrien – zu spät.

 

Dr. Connie Voigt freie Publizistin in Tunis & Bremen

Fußnote:

(1) PRIMA: Partnership on Research and Innovation in the Mediterranean Area, eine Initiative der EU mit einer 10-jährigen Laufzeit von 2018-2028)

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