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  • Entwicklungspolitik & Agenda 2030
  • 10/2022
  • Erwin Northoff, Marina Zapf
Schwerpunkt

"Wir müssen ran an die Transformation" – und an den Finanzplan des BMZ

Entwicklungsstaatssekretär Flasbarth über die G7-Präsidentschaft, was sie gegen die Schocks im weltweiten Ernährungssystem und die Klimakrise bewirken kann – und wo sie an Grenzen stößt.

In zweiter Reihe. Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth neben EU-Kommissarin Jutta Urpilainen hinter Ministerin Svenja Schulze und deren Amtskollegen aus Italien und Kanada. © photothek / Thomas Koehler via BMZ

Herr Flasbarth, Was ist für Sie in der Entwicklungspolitik DAS strategisch wegweisendste Ergebnis dieser G7-Präsidentschaft?

Jochen Flasbarth: Vor allem ist es wichtig, dass wir die Entwicklungspolitik gerade jetzt wieder in den Fokus gerückt haben. Nach dem Höhepunkt der Covid-Pandemie und in der geopolitisch fragilen Situation des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine gab es wieder ein Treffen der G7-Entwicklungsminister*innen. Das war nicht selbstverständlich und macht deutlich: Entwicklungspolitik ist kein Nebenschauplatz der internationalen Politik. Entwicklungspolitische Kernanliegen wie Hungerbekämpfung stehen aktuell im Zentrum der Aufmerksamkeit. Wenn man sich die G7-Agenda und die Ergebnisse des Gipfels in Elmau anschaut, dann sieht man, dass es lange nicht mehr eine so entwicklungspolitisch konzentrierte G7-Präsidentschaft gegeben hat wie unsere.

Dabei haben wir die große Bandbreite der Themen behandelt – von den Folgen der Pandemie, die uns bei allen Zielen der Agenda 2030 zurückgeworfen hat, bis zur Ernährungssicherung. Das wird jetzt durch den Krieg nochmal verstärkt. Wir müssen auch überlegen, wie wir in Zukunft resiliente Gesundheitssysteme aufbauen, ohne nur auf Impfstoffe zu schauen.

Es mangelt uns an einer langfristigen, stabilen Ausstattung. Und daran, dass sich das ändert, arbeiten wir.

Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth über die mittelfristige Finanzplanung für den Etat des Ministeriums

Was wurde zur Stärkung der Ernährungssicherheit erreicht?

Wir haben in diesem Jahr ganz besonders deutlich erlebt, wie die weltweiten Verflechtungen dazu führen, dass die Ernährungssituation sich plötzlich dramatisch verschärft. Zwar hatte sich schon vor der Pandemie die Situation verschlechtert. Aber in dieser Massivität war es doch ein Schock, ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine. Entwicklungsministerin Svenja Schulze hat darauf mit dem Bündnis für globale Ernährungssicherheit reagiert. Damit haben wir über den Tag hinaus Ansätze geschaffen, die nicht nur in der aktuellen Krise helfen, sondern auch künftig eine bessere Koordinierung ermöglichen.

Gleich hierzu: Welche sofortigen und konzertierten Aktionen hat diese globale Allianz denn bislang eingeleitet? Was sind erste konkrete Ergebnisse?

Das Bündnis hat letztendlich drei Pfeiler: Finanzieren, Koordinieren und Transformieren. Der Finanzteil läuft in bestehenden Strukturen, wir schaffen da keine neue Institution. Aber es geht in der Tat um die abgestimmte, agile Reaktion. Dafür schaffen wir ein Dashboard, das Anfang November vorgestellt wird. Und dann geht es um die mittel- und langfristige Aufgabe, den Transformationsstrang: Dass unsere Ernährungssysteme nicht resilient sind, nicht ausreichend gewappnet sind für Schocks, ist ja offenkundig.

Ich selbst wusste bis zum Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nicht, dass Länder zum Teil zu 80 bis 95 Prozent von Nahrungsmittelimporten abhängig sind. Das ist so grotesk nicht-nachhaltig, dass wir dringend an die Transformation ranmüssen. Wir müssen die Fähigkeit unserer Partnerländer erhöhen, selbst mehr Nahrungsmittel zu produzieren, und zwar auf nachhaltige Weise. Insofern ist das globale Bündnis nicht auf Kurzfristigkeit angelegt. Wir haben die aktuelle Krise zum  Anlass genommen, um zu sagen: Wir müssen uns deutlich besser aufstellen. Im Organisieren von Finanzmitteln haben wir das bei G7 ganz gut gemacht. In relativ kurzer Zeit folgt dann die Koordination. Das längerfristig wichtigste Standbein wird die Transformation sein.

Können Sie für die zweite Säule Beispiele geben, welche Maßnahmen zur Eindämmung der Krise konkret bereits koordiniert wurden? Denn bislang ist das Bündnis eher ein Phantom...

Das Bündnis ist unser Beitrag als G7-Präsidentschaft, um Institutionen und Finanzmittel zu mobilisieren und miteinander zu koordinieren. Und das ist bereits jetzt sehr weitgehend gelungen, viel stärker als zu erwarten war: 4,5 Milliarden US-Dollar Zusage für zusätzliche Unterstützung allein in Elmau – das ist ein konkretes Ergebnis. Damit schafft das Bündnis bereits jetzt einen ganz konkreten operativen Mehrwert in der Krisenbewältigung, auch wenn das vielleicht nicht täglich Schlagzeilen macht. Wir wollen Transparenz schaffen und deutlich machen: Wir sind Teil der Lösung, Russland ist Verursacher des Problems. Wichtig ist das Verständnis: Die Überwindung der Ernährungskrise ist ein Langstreckenlauf. Wir stellen uns jetzt gut auf, um auf der Strecke reaktionsfähig zu sein. Das Dashboard ist dafür zentral.

Gibt es aber nicht zu viele Köche, die hier mitmischen – Gremien der UN, internationale und regionale Hilfsorganisationen. Kann die Allianz – auch als Parallelstruktur zum Welternährungsrat kritisiert – all die verschiedenen Aktionen und Interessen wirksam bündeln? Ist das überhaupt machbar?

Ich glaube schon. Und die Bereitschaft mitzumachen, ist groß  – übrigens auch des Welternährungsrates. Ich habe auch mit dem Vorsitzenden des Welternährungsrates gesprochen. Die Kritik, dass wir den Welternährungsrat nicht einbeziehen, habe ich dort nicht wiedergefunden. Da gibt es vielmehr eine große Zustimmung. Es geht ja nicht um neue Strukturen und einen Ersatz bestehender, sondern um den Bedarf an besserer Koordinierung zwischen den Institutionen und Organisationen auf allen Ebenen. Und wäre der nicht gesehen worden, würden die alle gar nicht mitmachen. Den Aufbau dieser Koordinierungsstruktur muss man auch mit Blick auf die künftigen Krisen sehen, die uns ja vermutlich nicht erspart bleiben.

Um längerfristig den Selbstversorgungsgrad in besonders krisenanfälligen Staaten und Regionen zu erhöhen – wie werden die G7 das konkret angehen?

Das wird die G7 nicht alleine können, sondern nur mit unseren Partnerländern. Das Bündnis ist ja auch viel größer als die G7. Hier sind rund 100 Staaten und Organisationen beteiligt. Letztendlich muss man in aller Klarheit sagen: Kurzfristige Hilfe ist immer Ausdruck eines vorausgegangenen Versagens. Wir werden noch stärker als bislang darauf achten müssen, unsere Unterstützung auf langfristige Ernährungssicherheit auszurichten. Das erfordert die Bereitschaft unserer Partnerländer zu einer Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion dort, und auf die Bedarfe vor Ort angepasste Unterstützungsangebote unsererseits.

Das bedeutet z.B., heimische und besser angepasste Früchte wie Maniok stärker zu nutzen anstelle von Weizen. Natürlich braucht eine solche Umstellung Zeit. Es muss auch kulturell akzeptiert werden, wenn sich etwa der Geschmack durch die Nutzung veränderter Backmischungen verändert. Das kann man nicht einfach anordnen. Diese Dinge müssen sich gesellschaftlich entwickeln.

Ein weiteres wichtiges Thema, wo wir grundlegend umsteuern müssen, ist der Verlust an fruchtbaren Böden. Dafür gibt es die große, aber vernachlässigte UN-Konvention zum Schutz gegen die Desertifikation (UNCCD). Ich habe für das Entwicklungsministerium als erstes Mitglied der Hausleitung seit vielen Jahren an der Vertragsstaatenkonferenz im Frühjahr teilgenommen, der sogenannten Weltbodenkonferenz. Gerade für eine Bewirtschaftung zur Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit haben wir gute Projekte, beispielsweise in Kenia laufen, wo wir zu diesem Zweck die Kompostwirtschaft unterstützen. Das wiederum erlaubt Anbautechniken, die weniger von Düngemitteln abhängig sind. Aber auch das passiert nicht von heute auf morgen. Bis dahin müssen wir auch mit kurzfristig angelegter Hilfe arbeiten.

Um die Ernährungsunsicherheit einzudämmen haben die G7 bei ihrem Treffen in Elmau rund 14 Mrd. Dollar für 2022 zugesagt. Warum gibt es kein mehrjähriges Versprechen? Und wie glaubwürdig ist noch das Ziel, 500 Millionen Menschen bis 2030 von Hunger und Unterernährung zu befreien?

Die G7 haben 4,5 Mrd. US-Dollar für die Unterstützung des Bündnisses zugesagt. Das ist zusätzlich zu Mitteln, die ohnehin für die Förderung langfristiger Ernährungssicherheit und ländlicher Entwicklung in den Partnerländern vorgesehen waren und die sich dann auf insgesamt 14 Milliarden Dollar summieren. Ich bin froh, dass wir über die G7 und als G7-Präsidentschaft diese Mittel für die Ernährungssicherheit organisiert haben. Natürlich ist das auf Langfristigkeit angelegt. Deshalb ist es wichtig, dass die Budgets in den großen Geberländern stabil bleiben. Da tun wir uns alle schwer. Auch hier ist der Haushalt unter Druck. Wir haben im Bereich Ernährungssicherheit in diesem Jahr noch einmal Spielraum erhalten. Das wird sicherlich auch im nächsten Jahr so sein. Aber ich gebe unumwunden zu, dass es uns an einer langfristigen, stabilen Ausstattung mangelt. Das will ich auch nicht schönreden. Und daran, dass sich das ändert, arbeiten wir.

Und ist das 500 Millionen-Ziel noch realistisch?

Jedenfalls arbeiten wir auch daran nachdrücklich. Und mit smarten Investitionen kann das auch gelingen. Agrar- und Ernährungssysteme sind derzeit für rund 30 Prozent der Klimagase verantwortlich. Die nötige Transformation zahlt sich also doppelt aus: in Klimaschutz und Ernährungssicherung. Das ist Strukturpolitik über das Helfen hinaus. Dass viele Menschen das wollen, ist ja ein ganz positiver Impuls, auf den wir stolz sein können in unserer Gesellschaft. Aber ohne das auf der staatlichen Seite politisch mit Strukturbildung zu kombinieren, wird es nicht zu den notwendigen großen Veränderungen kommen.

Aktuell sind wir aber noch mitten in der Preiskrise. In Entwicklungsländern treiben zweistellige Preiserhöhungen für Nahrung, Dünger und Treibstoff den Hunger. Menschen gehen auf die Straße. Sechs von zehn Ländern mit niedrigen Einkommen haben schon einen gefährlichen Verschuldungsgrad: Was tun die G7?   

Die Nahrungsmittelpreise sind wieder gefallen, befinden sich aber immer noch auf hohem Niveau. Es hat also schon die richtigen Impulse gegeben. Aber in einer sehr komplex gewordenen Welt treibt die Verschuldungskrise Ministerin Schulze sehr um. Das Thema verantworten die Finanzminister. Aber sie betrifft die Entwicklungspolitik im Kern. Die Ministerin hat die Verschuldungskrise deshalb bei der Herbsttagung der Weltbank zum Thema gemacht. Die G7 können das Schuldenproblem nicht allein angehen. Aber sie müssen das Thema vorantreiben und selber bereit sein, dann auch an Umschuldung und Entschuldung mitzuwirken.

Nahrungsmittelpreise kannten lange nur einen Trend: nach oben. © Welthungerhilfe

Finanzpolitisch könnte das bisher begrenzt genutzte Instrument der Schuldenumwandlung für gezielte Umsetzungen der SDG ausgeweitet werden. Passiert das?

Wir setzen uns dafür ein, Schuldenumwandlungen zusammen mit anderen Ländern deutlich stärker zu nutzen, um Reformen zu verwirklichen, beispielsweise beim Klima und in der Landwirtschaft. Ich bin sehr froh, dass wir jetzt beim Global Fund gegen Aids, Tuberkulose und Malaria 1,2 Mrd. Dollar für die Wiederauffüllung und 100 Mio. Dollar für die Schuldenumwandlung, die sogenannten Debt-to-Health Swaps, zugesagt haben.

Die Flutkatastrophe in Pakistan wird die Klimaverhandlungen der COP27 in Ägypten überschatten. Befürchten Sie eine harte Konfrontation mit krisengeschüttelten Ländern? Vor allem, wenn die Industrieländer nicht ihre Zusagen von Glasgow von 100 Mrd. Dollar erfüllen.

Die Klimakrise ist eine zutiefst ungerechte Krise. Sie trifft diejenigen besonders stark, die häufig am allerwenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und gleichzeitig über die geringsten Mittel verfügen. Ich fand die Antworten, die die Industriestaaten und zunehmend auch die Schwellenländer bisher gegenüber den besonders vulnerablen Staaten gegeben haben, immer unangemessen. Das war nie ausreichend. Ich hoffe, dass wir bei der COP27 in Sharm El-Sheikh endlich einen großen Schritt vorankommen.

Aber ich möchte auch betonen, dass wir dringend ambitionierte Emissionsminderung und nationale Anpassungsstrategien an den Klimawandel brauchen, um Schäden so gering wie möglich zu halten..

Am Beispiel Pakistans kann man sehen, wie wichtig nationale Anpassungsstrategien sind. Dort ist in Regionen und an Stellen gebaut worden, die aufgrund ihrer klimatischen Bedingungen für eine Besiedlung nicht geeignet sind. Das ist ähnlich wie im Ahrtal in Deutschland. Das heißt, wir brauchen als Antwort auf die sich verschärfende Klimakrise eine nachhaltige Siedlungs- und Agrarentwicklung. Schon zu Beginn des Jahres haben wir Pakistan angeboten, das Land bei seiner nationalen Anpassungsstrategie zu unterstützen. Svenja Schulze hat das kürzlich im Gespräch mit der Klimaministerin Pakistans noch mal wiederholt. Wir haben da auch unmittelbare Hilfe geleistet.

Das Welternährungsprogramm (WFP) leistet in Pakistan nach der Überschwemmung Nothilfe. © WFP/Balach Jamali

Hat es von Seiten Pakistans Versäumnisse gegeben? Und warum sind Sie optimistisch, dass es bei COP27 Fortschritte geben wird?

Es wäre völlig unangemessen, jetzt mit dem Finger auf Pakistan zu zeigen. Aber wir müssen schon gemeinsam miteinander besprechen, wie das Ausmaß an Schäden verringert werden kann, und wie nationale Anpassungsstrategien entwickelt und finanziert werden können. Wir sind bereit, da finanzielle Hilfe zu leisten.

Klimaverhandlungen sind immer schwierig gewesen, und in der jetzigen weltpolitischen Situation mit dem Aggressor Russland ist es natürlich nochmal komplizierter geworden. Der russische Angriffskrieg in der Ukraine liegt wie ein drohender Schatten über allen UN-Konferenzen. Was mich aber zuversichtlich macht ist, dass es beim Thema Verlust und Schäden eine Bewegung bei den Industriestaaten gibt, wie wir sie noch nie vorher hatten. Dabei dürfen wir uns nicht in einer haftungsrechtlichen Debatte verheddern. Die führt nämlich zu nichts.

Vielmehr müssen wir ganz konkret strukturelle Hilfsmechanismen schaffen. Das sind vor allem soziale Sicherungssysteme – also mehr als in der Vergangenheit, wo wir stärker allein auf Versicherungsschutz geschaut haben. Die Frage ist, wie viel soziale Grundsicherung organisieren wir eigentlich in unseren Partnerländern? Das ist ein Thema, das Svenja Schulze sehr stark auch bei der Weltbank angesprochen hat. Die internationalen Entwicklungsbanken müssen nämlich eine stärkere Rolle bei den sozialen Sicherungssystemen spielen. Das wird auch Auswirkungen auf die Krisen in den Bereichen Ernährung, Gesundheit und Klima haben.

Von der letzten Klimakonferenz in Glasgow stammt das Ziel, für unterfinanzierte Anpassungen an Klimafolgen 40 Mrd. Dollar zu erreichen. Gelingt das in der G7?

Wir haben gesagt, dass wir die Mittel für die Anpassungsfinanzierung verdoppeln werden. Da sind die Geberstaaten mit unterschiedlicher Geschwindigkeit auf dem Weg. Ich glaube, wir in Deutschland stehen ganz gut da. Die multilateralen Banken müssen wiederum ihren großen Anteil dazu leisten. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Aber diese Dinge lassen sich nicht per Knopfdruck erreichen, das braucht Zeit. Anpassungsfinanzierungen sind nur sinnvoll, wenn es in den Partnerstaaten auch Anpassungsstrategien gibt, um die Investitionen in die richtige Richtung zu lenken.

Bundeskanzler Scholz hat viel politisches Kapital investiert, einen G7-Klimaclub zu gründen. Wie er funktionieren soll, wird noch abgestimmt. Aber eine Säule ist die Einbeziehung von Entwicklungs- und Schwellenländern. Welche Rolle spielt hier die Entwicklungszusammenarbeit?

Es geht ja darum, dass die energieintensive europäische Wirtschaft international weniger wettbewerbsfähig ist, wenn sie in zunehmendem Maße erhebliche CO2-Preise zahlt. Zu ihrem Schutz hat die EU einen Carbon border adjustment-Mechanismus, also letztendlich einen schützenden Außenzoll vor günstigeren Einfuhren aus Drittstaaten, die eine klimaschädliche CO2-intensive Produktion nicht mit in den Preis einbeziehen, vereinbart. Der Grenzausgleichsmechanismus hat aber den Keim des Spaltens in sich. Er kann, ob nun richtig oder falsch, von unseren Partnerländern verstanden werden als 'wir wollen euch mit euren Produkten draußen halten'. Der Klimaclub ist darauf eine Antwort: Ziel ist ungefähre Wettbewerbsgleichheit. Wenn Länder vergleichbare Standards und Regeln teilen, wie CO2-Preise, oder andere Anreize oder Abgaben, die Dekarbonisierung fördern, dann werden sie von diesen Grenzausgleichszahlungen befreit. Das ist eine sehr entwicklungspolitische Herangehensweise des Bundeskanzlers.

Dabei ist dieser Klimaclub kein exklusiver Club, sondern offen. Er soll Schwellen- und Entwicklungsländer dazu ermutigen, ihre klimapolitische Ambition zu steigern, um ihre CO2-Emissionen noch schneller zu senken, als bisher geplant. Wichtig ist, dass die dafür notwendige Energietransformation sozial gerecht umgesetzt wird und vor allem jene mitnimmt, die am meisten davon betroffen sind. Dafür mobilisieren wir auch Unterstützung:  die Just Energy Transition Partnerships (JETP) setzen richtigerweise bei denjenigen an, die nach den Industrieländern das größte Problem fürs Klima darstellen. China ist der größte Emittent, Indien steht an der Schwelle, sich in die gleiche Richtung zu bewegen. Die Idee ist, dass wir Entwicklungs- und Schwellenländern, nicht China, aber anderen dynamischen Volkswirtschaften, diese Partnerschaften anbieten. Wir wollen mit zusätzlichen Finanzmitteln und Politikberatung helfen, Reformen im Sinne einer gerechten und nachhaltigen Energiewende einzuführen. Wir haben das mit Südafrika vor einem Jahr angeschoben – meines Erachtens ein großes Erfolgsmodell. Und jetzt arbeiten wir daran, mit Indien, Indonesien, Vietnam und Senegal ähnliche Partnerschaften abzuschließen.

Wir sprechen hier von einer umfassenden energiepolitischen Transformation in den genannten Ländern. Das erfordert große Summen und kann nicht allein aus öffentlichen Haushalten gestemmt werden. Für die JETP mit Südafrika haben wir gemeinsam mit Frankreich, Großbritannien, den USA und der EU in einem Kraftakt die Summe von 8.5 Mrd. Euro für die nächsten 3-5 Jahre aufgebracht. Der Gesamtbedarf ist langfristig weitaus größer. Deshalb haben wir für die JETP von Beginn an breite Allianzen geschmiedet – aus bilateralen Gebern, multilateralen Entwicklungsbanken und zunehmend auch dem Privatsektor. 

Zum Schluss eine Personalie: Weltbankchef David Malpass – von Donald Trump ernannt – wird vorgeworfen, Leugner der Klimakrise zu sein. Er wich der Frage aus, ob die Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Erderwärmung beitrage, und hat dafür viel Kritik geerntet. Ist er noch im Amt zu halten? Sollte er nicht zurücktreten?

Dass wir irritiert waren, haben Svenja Schulze und ich öffentlich und nicht nur irgendwie im stillen Kämmerlein gesagt. Es ist völlig inakzeptabel, wenn der Präsident der Weltbank auch nur den Hauch von Zweifel an dem ja sehr profunden wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu den Ursachen der Klimakrise hat. Ministerin Schulze hat mit Präsident Malpass telefoniert und ihm das unmittelbar auch so gesagt, er hat sich daraufhin bei ihr wie bei anderen für sein Verhalten entschuldigt. Er hat auch öffentlich klargestellt, dass er keinen Zweifel an dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand hat. Das war uns wichtig, aber wir sind auch hellhörig geworden. Es kommt jetzt auf Taten an. Um zu beweisen, wie ernst er und seine Mitarbeiter es mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand zur Klimakrise nehmen, müssen sie die Bank noch stärker und engagierter auf Klimaschutz ausrichten. Das ist die Messlatte, die wir anlegen.

Das Gespräch führten: 

Marina Zapf, Journalistin, berichtet seit 20 Jahren aus Berlin über Themen der Außen, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Marina Zapf Team Welternährung.de
Erwin Northoff ist ehemaliger Leiter der Presseabteilung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) und Mitglied im Redaktionsbeirat von "Welternährung.de".
Erwin Northoff Mitglied im Redaktionsbeirat

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