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  • Klima & Ressourcen
  • 08/2020
  • Kristina Roesel , Dieter Schillinger

Verbieten oder verbessern? Wildtiermärkte in der Pandemie

Experten tendieren zum Erhalt der Märkte, weil sie Menschen ernähren und Einkommen sichern.

Tote Wildtiere auf einem Markt in Yangambi, Kongo.
Ein wöchentlicher Wildtiermarkt in Yangambi in der DR Kongo. Hauptsächlich werden hier Wartzenschweine, Affen und Gambia-Ratten gejagt. Die Jagd ist vier Monate im Jahr verboten. © Axel Fassio / CIFOR

Rund 60 Prozent der Infektionskrankheiten des Menschen werden von Tieren übertragen. Diese Erkrankungen werden auch als Zoonosen bezeichnet. Wie bei Ebola, HIV, MERS, SARS, der Vogelgrippe oder Zika, sind es häufig Viren, die zu Zoonosen führen. Aber auch vom Tier stammende Bakterien, Parasiten, Pilze und entartete Proteine (sogenannte Prionen) können die Ausbreitung dieser Krankheiten verursachen. Fast drei Viertel der Infektionskrankheiten, die aus dem Tierreich übertragen werden, stammen von Wildtieren ab. Auch bei SARS-CoV-2 wird ein Vorläufer des Erregers unter Wildtieren vermutet.

Der Ruf nach einem Verbot von Wildfleischkonsum und dem Verkauf auf den Frischmärkten, den sogenannten Wet Markets, nimmt – vor allem im Angesicht der verheerenden Corona-Krise – immer mehr zu. Zu Recht?

Wild- oder Buschfleisch zu essen ist bei vielen Menschen besonders in armen Ländern beliebt. Die Gründe dafür sind vielfältig. Dieses Fleisch liefert Proteine und wichtige Mikronährstoffe und gilt vielen Armen als wichtige Einkommensquelle. Wildfleisch gilt zudem als besonders frisch, naturbelassen und im Vergleich zu Fleisch von Nutztieren als kostengünstig. Jagen wird oft als Statussymbol angesehen. Wildtiere werden darüber hinaus als Haustiere und für Zoos gehandelt und bei medizinischen Versuchen benutzt. Auch werden Körperteile von Wildtieren zu dekorativen, medizinischen oder anderen kommerziellen Zwecken verkauft.

In Lateinamerika und Afrika werden jährlich schätzungsweise etwa sechs Millionen Tonnen Wildfleisch erjagt. Eine Umfrage unter fast 8.000 ländlichen Haushalten in 24 Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens zeigte kürzlich, dass etwa 39 Prozent von ihnen Wildtiere jagten und fast alle diese auch verzehrten. In Zentralafrika ist der Verzehr von Buschfleisch mit 48 Gramm pro Person und Tag sogar höher als der Fleischverzehr von Nutztieren (34 Gramm). Steigendes Bevölkerungswachstum und zunehmender Wohlstand werden die Nachfrage nach tierischen Proteinen, und damit auch nach Wildfleisch, in Zukunft noch deutlich erhöhen.

Kontakte zwischen Menschen und Wildtieren

Meistens sind es von Menschen verursachte Faktoren, die dazu führen, dass Kontakte zwischen Menschen und Wildtieren zunehmen und damit zur Verbreitung von Zoonosen beitragen.

So erleichtert der Bau neuer Straßen in abgelegenen Gebieten das Jagen und den Handel mit Wildtieren und erhöht das Risiko von Zoonosen in und zwischen Staaten. Die Zerstörung von Wäldern und die zunehmende, oftmals chaotische Verstädterung gefährden intakte Ökosysteme von Wildtieren. Damit kommt es zu mehr Kontakten zwischen Menschen und Wildtieren und als Folge zu einem größeren Handel und Konsum von Wildfleisch. Die Gefahr, dass Krankheiten von Wildtieren auf Menschen übertragen werden, steigt damit deutlich an.

Schimpanse im uganischen Nationalpark Kibale
Ein Schimpanse im ugandischen Nationalpark Kibale. Im illegalen Wildtierhandel werden Tiere ihrer natürlichen Umwelt entrissen. Das Geschäft steht auf einer Stufe mit Drogen-, Menschen- und Waffenhandel. © gerritbril via pixabay

Es mangelt bislang leider an Anreizen für die Bevölkerung in ländlichen Gebieten armer Staaten, Wildtiere und ihre Ökosysteme zu schützen. Zwar gibt es in vielen Ländern inzwischen mehr Hühner- und Schweinebetriebe, die Fleisch liefern, doch hat dies den Druck auf die Wildtierpopulationen und ihre Lebensräume kaum verringert. Viele städtische Eliten betrachten den Wildfleischkonsum weiterhin als Statussymbol, auf  den sie ungern verzichten wollen.

In Asien und Afrika werden Wildfleisch und lebende wilde Tiere oft gemeinsam mit anderen Nutztieren auf informellen Märkten verkauft. Es herrschen dort zugleich oft Hygienemängel, die diese Märkte zu potenziellen Brutstätten für neue Zoonosen machen.                       

Wirken Verbote?

Sollten der Verzehr von Wildfleisch, der Handel mit Wildtieren und traditionelle Frischmärkte deshalb verboten werden? Ist es möglich, das Risiko von neuen Infektionskrankheiten beim Verzehr, Handel und der Verarbeitung von Wildfleisch generell zu reduzieren?

SARS-CoV-2 und andere neuartige Seuchen, besonders virale aber auch bakterielle Erreger und antimikrobielle Resistenzen wurden schon immer mit traditionellen Märkten assoziiert, weil dort sowohl lebende Wild- als auch Nutztiere sowie deren Produkte auf engem Raum ohne das Einhalten von Mindest-Sicherheitsstandards gehandelt werden. Es gibt jedoch auch Studien, die widerlegen, dass Coronaviren erst auf diesen Märkten von Tieren auf Menschen „übergesprungen“ sind.

Stand auf dem Wildtiermarkt in Mong La, Myanmar.
Der älteste und wohl bekannteste Wildtiermarkt liegt in der Stadt Mong La im Norden Myanmars. Die Märkte sind umstritten, weil unbekannte Erreger vom Tier auf den Mensch übertragen werden können. © Pro Wildlife / Alex Hofford

Insgesamt stimmen Experten aber darin überein, dass die informellen Märkte Gesundheitsrisiken bergen, besonders wenn lebende oder geschlachtete Nutz- und Wildtiere unter schlechten hygienischen Bedingungen gehandelt werden.

Lassen sich also – anstelle eines völligen Verbotes solcher Märkte – die Marktbedingungen so  verbessern, dass es weniger Gesundheitsrisiken gibt? In einem kürzlich veröffentlichten Bericht zur Covid-19-Pandemie vertreten das International Livestock Research Institute (ILRI) und das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) gemeinsam die Position, die informellen Märkte zu erhalten, aber stetig zu verbessern. Die Begründung: Sie sind unabdingbar für die Ernährungs- und Einkommenssicherung vieler Menschen in Entwicklungsländern.

Unabdingbar für Ernährungssicherheit

Für Milliarden von Menschen ist der Verzehr von Fleisch, Milch, Eiern und Fisch eine wichtige Quelle für die Versorgung mit qualitativ hochwertigem Eiweiß und Spurenelementen, die die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Menschen garantieren. Überdies dienen diese Märkte der Einkommenssicherung von Kleinbauern, besonders Frauen, und anderen Akteuren in der Wertschöpfungskette.

Der informelle Charakter dieser Märkte macht es allerdings oft schwer, gewisse Mindeststandards anzuwenden sowie rechtliche Kriterien wie Genehmigungen, Steuern, Regulierungen, Kontrollen sowie eine Mindestausbildung von Marktanbietern durchzusetzen. Darüber hinaus sind die Rahmenbedingungen sehr kontext- und landesspezifisch. Auf allen diesen Märkten werden frische tierische und pflanzliche Produkte, aber auch lebende Tiere wie Geflügel, Fisch, Schalentiere und teilweise auch Wildtiere angeboten. Die Produkte stammen entweder aus der unmittelbaren Umgebung oder der Region, werden aber auch importiert.                                                     

Den Verkauf von Lebensmitteln auf diesen Märkten strenger zu regeln, hat sich in der Vergangenheit als sehr schwer und als nicht praktikabel herausgestellt, besonders in Ländern,  in denen es an einer effizienten Überwachung mangelt. Ganz allgemein besteht die Gefahr, dass Verbote aber nur zur Bildung von Schwarzmärkten führen, was die Probleme meist noch verschärft.

Ein Pangolin, Namibia.
Ein Pangolin in Namibia. Den Schuppen wird eine heilende Wirkung nachgesagt. Die hohe Nachfrage in asiatischen Ländern macht es zum meist gehandelten bedrohten Säugetier der Welt. © Pikist

Es ist nicht zu übersehen, dass die informellen Märkte viele Vorteile bieten: günstige Preise, Zugang zu lokalen, regionalen und frischen Lebensmitteln, Einkommensmöglichkeiten für Frauen, Attraktionen für Touristen. Diese Vorteile müssen von Fall zu Fall gründlich mit den gesundheitlichen Risiken für die Verbraucher abgewogen werden. Besonders bei einer Pandemie gewinnt diese Abwägung an Bedeutung.

China greift zu rigorosen Maßnahmen

Nach den ersten Covid-19 Ausbrüchen auf einem traditionellen Frischmarkt in Wuhan hat die chinesische Regierung die sofortige Schließung des Marktes angeordnet. Außerdem untersagte die Regierung bereits am 26. Januar 2020 den Handel und Verzehr von Wildtieren auf Frischmärkten. Auch ist die Schlachtung von Nutztieren zumindest auf den städtischen Märkten verboten. In ländlichen Gebieten ist diese Regulierung allerdings nur schwer umzusetzen. Mit verschärften Kontrollen sind Zuwiderhandlungen streng geahndet worden. Vietnam hat Mitte Juli 2020 ebenfalls alle Einfuhren von Wildtieren gestoppt und die Schließung illegaler Wildtiermärkte angeordnet.

Diese rigorosen Maßnahmen sind zwar verständlich, führen aber unweigerlich zu Versorgungsengpässen für die ärmere Bevölkerung. In der Folge von Lockdowns und der Schließung des formellen Sektors haben viele Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Arbeit und ihr Einkommen verloren, die meisten sind nicht sozial- und krankenversichert. Jeder Tag ohne Arbeit verschärft ihre Existenzprobleme und insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln. Für viele ist Wildfleisch oft die einzige und kostengünstigste Proteinquelle.

Informelle Frischmärkte erhalten und graduell reformieren

Hunger und Armut werden als Folge der Covid-19-Krise zunehmen. So schätzt das Welternährungsprogramm, dass bis Ende 2020 möglicherweise etwa eine viertel Milliarde Menschen mehr Hunger leiden werden.

Auch vor diesem Hintergrund appelliert ILRI an die wichtigsten politischen Entscheidungsträger, informelle Frischmärkte prinzipiell zu erhalten, aber mit höheren Investitionen schrittweise die Bedingungen zu verbessern.

Dabei sollten die folgenden Kriterien angewendet werden:                                   

Seit 20 Jahren folgt ILRI mit seiner Arbeit den Empfehlungen des UNEP-Berichts. Mit der Schaffung eines One-Health Zentrums in Nairobi/Kenia, finanziert vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, wird dieser Forschungsansatz in Zukunft noch intensiver und global vernetzter vorangetrieben.

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Kristina Roesel International Livestock Research Institute (ILRI), Nairobi
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Dieter Schillinger International Livestock Research Institute (ILRI), Nairobi

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