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  • Klima & Ressourcen
  • Shahnila Dunston, Nicola Cenacchi

Neue Rechnung: Was Klimaanpassung in der Landwirtschaft kostet

Vor der Weltklimakonferenz empfiehlt IFPRI einen Mix von Ausgaben, damit Klimawandel nicht zum Hungertreiber wird.

Im Niltal grenzen fruchtbare Felder an Wüste. Für Ägyptens Landwirtschaft wird der Klimawandel zu einer Belastungsprobe. © Fanny Schertzer via Wikimedia

Der Klimawandel ist eine wachsende Herausforderung für die Ernährungssysteme auf der ganzen Welt. Er bringt sowohl sich verändernde Tendenzen als auch eine zunehmende Unbeständigkeit bei Temperaturen und Niederschlägen mit sich. Diese Veränderungen bedrohen die landwirtschaftliche Produktivität, die Lebensmittel- und Ernährungssicherheit, die Gesundheit und das potenzielle Erreichen der zentralen Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs), die unter anderem Armut, Hunger und die Ressource Wasser betreffen.

Ungeachtet dieser Schwierigkeiten können geeignete Investitionen in den Agrarsektor den Menschen und den Ernährungssystemen bei der Anpassung helfen, indem sie die Produktivität steigern und die Ressourcen effizienter nutzen. Die bisherigen Schätzungen über die Kosten dieser Anpassungen an den Klimawandel gehen allerdings weit auseinander, da es an empirischen Daten über die Klimasensitivität und die Kosten für die Absicherung gegen klimatische Belastungen fehlt.

In einem neuen Bericht des IFPRI zur Ernährungspolitik kommen wir zu dem Ergebnis, dass der durch den Klimawandel bedingte Anstieg des Hungers ausgeglichen werden kann, wenn die weltweiten Investitionen in die landwirtschaftliche Forschung und Entwicklung (F+E) zwischen 2015 und 2050 um 2 Milliarden Dollar erhöht werden. Zusätzlich müssen Investitionen in die effiziente Wassernutzung oder in die ländliche Infrastruktur getätigt werden, um die steigende Zahl von Hungernden zu bewältigen. Allerdings sind diese wesentlich kostspieliger: 13 Milliarden Dollar pro Jahr für die Wasserwirtschaft und 11 Milliarden Dollar für die ländliche Entwicklung.

Ohne die Folgen des Klimawandels würde die Zahl der Menschen, die chronisch Hunger leiden, zwischen 2010 und 2050 voraussichtlich weltweit um mehr als die Hälfte zurückgehen. Der Klimawandel wird diesen Fortschritt jedoch abbremsen, so dass bis zum Jahr 2050 etwa 78 Millionen Menschen mehr dauerhaft Hunger leiden werden - mehr als die Hälfte davon in Subsahara Afrika. Unsere Forschung zeigt jedoch auch, dass dieser klimabedingte Anstieg des Hungers durch gezielte Investitionen in den Agrarsektor abgewandt werden kann. 

Die Planung für eine unsichere Klimazukunft erfordert ein günstiges Umfeld für Innovationen im Bereich der landwirtschaftlichen Technologien und Methoden, die über eine große geografische Breite in unterschiedlichen Gebieten angewandt und jeweils an lokale Anforderungen angepasst werden können.

Schlüsselbotschaften

Damit ehöhte Investitionen und Innovationen in der Landwirtschaft ihre maximale Wirkung erzielen, müssen sie durch solide Strategien zur Entwicklung des ländlichen Raums und zur Bekämpfung der Armut ergänzt werden. Unsere Analyse enthält daher fünf Schlüsselbotschaften hinsichtlich der Kosten und der Abwägungen, Investitionen geziehlt in Forschung und Entwicklung, Wassermanagement und Infrastruktur zu lenken, damit die Anpassung an den Klimawandel ebenso gelingt wie das Ziel "Null Hunger".

Wie wir unsere Szenarien entwickeln

Um Veränderungen im globalen Ernährungssystem zu simulieren und Investitionsszenarien im Hinblick auf ihre Wirksamkeit zum Ausgleich der Klimabelastungen bis zur Jahrhundertmitte zu bewerten, haben wir das International Model for Policy Analysis of Agricultural Commodities and Trade (IMPACT) des Instituts IFPRI verwendet. Dieses Modell verbindet Klima-, Ernte-, Wasser- und Wirtschaftsmodelle, um Zukunftsszenarien für die landwirtschaftliche Produktion, Konsum, Preise und Handel auf nationaler, regionaler und globaler Ebene zu analysieren.

IMPACT erstellt Referenzszenarien für das Jahr 2050 unter der Annahme eines unveränderten Klimas sowie verschiedene Stufen von Klimaveränderungen und sozioökonomischen Annahmen, die ein breites Spektrum klimatischer und sozioökonomischer Entwicklungen abbilden. In Kombination mit diesen Referenzszenarien haben wir dann untersucht, wie plausible Investitionsoptionen - einschließlich solcher in landwirtschaftliche F+E, Wassermanagement und Infrastruktur - helfen könnten, die möglichen Auswirkungen des Klimawandels auszugleichen.

Unsere Analyse baut auf den aktuellen Forschungsstand auf und berücksichtigt eine breitere Palette von Zukunftsszenarien sowie Sensitivitätssimulationen für die wichtigsten Kostenparameter. Die Analyse geht außerdem über frühere Schätzungen hinaus, da wir neueste Daten des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verwendet und neu entwickelte Methoden zur Abschätzung der langfristigen Effekte von Investitionen in landwirtschaftliche F&E auf die Ernteerträge eingesetzt haben.

Diese Untersuchung stellt Entscheidungsträgern die aktuellsten Daten und Instrumente zur Bewertung unterschiedlicher Strategien zur Verfügung. Unser Ziel war es, eine solidere Grundlage zu erstellen, um die Kosten der Anpassung von Ernährungssystemen in Entwicklungsländern an den Klimawandel zu beurteilen.

Wirtschaftlicher Nutzen durch verschiedene Pfade

Ganz grundsätzlich wirkt sich der Klimawandel negativ auf die landwirtschaftliche Produktion aus, da er zu geringeren Ernteerträgen führt. Dies reduziert die landwirtschaftliche Produktivität, es sind weniger Nahrungsmittel verfügbar und die Lebensmittelpreise werden in die Höhe getrieben, was letztlich zu vermehrtem Hunger führt. Umgekehrt schaffen die in unserer Analyse modellierten Investitionen über mehrere Pfade wirtschaftliche Vorteile.

Im Allgemeinen steigern erhöhte landwirtschaftliche Forschungsaktivitäten die Ernte- und Viehzuchterträge, senken die Lebensmittelpreise und stärken das landwirtschaftliche Einkommen sowie das gesamtwirtschaftliche BIP durch Multiplikatoreneffekte in den außerlandwirtschaftlichen Sektoren. Einkommenssteigerungen führen wiederum dazu, dass sich Verbraucher anders ernähren - sie konsumieren mehr und vielfältigere Lebensmittel.

Auf einem Feld im Nordirak wird ein Bewässerungssystem instand gesetzt. © Welthungerhilfe

Durch Bewässerung und effiziente Wassernutzung werden die Ernteerträge noch weiter gesteigert, Preise gesenkt und höhere Einkommen erwirtschaftet. Eine verbesserte ländliche Infrastruktur vermindert Nachernteverluste und Vermarktungsspannen, was die landwirtschaftliche Produktion rentabler macht und das Angebot für die Verbraucher bei gleichbleibendem Produktionsvolumen erhöht. Diese Effekte verbessern auch das Einkommen der Landwirte und der Gesamtwirtschaft, was wiederum den Nahrungsmittelverbrauch erhöht und den Hunger verringert.

Unsere Modellrechnungen zeigen, dass vermehrte Investitionen in den Agrarsektor die Klimafolgen hinsichtlich der Zahl der hungernden Menschen in der Welt mehr als ausgleichen können. Bei einem Szenario ohne Klimawandel würde eine verbesserte globale Situation der hungergefährdeten Bevölkerung zu einem Rückgang der Hungernden um mindestens 18 Prozent im Jahr 2050 im Vergleich zu 2010 führen, bestenfalls um zwei Drittel (je nach Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung). In den Szenarien mit Klimawandel reicht die Spanne der Veränderung der hungergefährdeten Bevölkerung im Vergleich zu 2010 von einer Zunahme um fast 10 Prozent bis zu einem Rückgang um drei Fünftel, je nach der Schwere der Klimafolgen und der Höhe der Ausgaben für die Anpassung.

Um die negativen Einflüsse des Klimawandels auszugleichen, müssten die jährlichen Ausgaben für die internationale Agrarforschung zwischen 2015 und 2050 von 1,6 Milliarden Dollar auf 2,8 Milliarden Dollar pro Jahr steigen. Zusätzliche Investitionen in Wasser und Infrastruktur liegen mit jeweils etwa 12,7 Mrd. Dollar und 10,8 Mrd. Dollar pro Jahr über den Forschungskosten, aber sie schließen entscheidende Lücken, um die Umstellung auf ein widerstandsfähigeres Ernährungssystem zu bewältigen.

Der Mix an Investitionen ist entscheidend

Wenn Politiker über Investitionen entscheiden, müssen sie zwangsläufig Kompromisse zwischen verschiedenen Zielsetzungen eingehen. Wir verwenden daher eine Reihe von Methoden und Indikatoren, die eine quantitative Bewertung potenzieller Abwägungen zwischen konkurrierenden und sich ergänzenden mehrdimensionalen Zielen wie den SDGs erleichtern.

So sind die Kosten für landwirtschaftliche FuE relativ gering und lassen bis 2030 moderate Fortschritte beim Einkommen und bis 2050 größere Fortschritte erwarten. Sie tragen wesentlich dazu bei, das Nahrungsangebot zu erhöhen und den Hunger zu lindern, und verbessern zugleich die Wasserverhältnisse rund um den Globus.

Andererseits versprechen Investitionen in die Ausweitung der Bewässerung verbunden mit einer effizienteren Wassernutzung einen deutlich geringeren Wasserverbrauch zu höheren Kosten, jedoch mit schwächeren Fortschritten bei Einkommen, Nahrungsangebot und Ernährungssicherheit. Wenn durch Mehrausgaben für einen leichteren Marktzugang die Vertriebskosten gesenkt werden, steigen Einkommen, Angebot und Ernährungssicherheit - jedoch auf Kosten des Wasserverbrauchs, der sich nicht verbessert und der Zuverlässigkeit von Bewässerungswasser.

Aus diesen Ergebnissen wird ersichtlich, wie notwendig ein Investitionsmix ist, der eine Steigerung der Produktivität mit einer verbesserten Nutzung der Wasserressourcen und einem leichteren Marktzugang kombiniert. In diesem Sinne führt unser vorgeschlagenes ganzheitliches Szenario zu erheblichen Verbesserungen in allen Ergebnisbereichen, besonders im Jahr 2050, wenngleich zu deutlich höheren Kosten.

Auch wenn solche Projektionen nie absolut präzise sind, geben sie uns doch eine Vorstellung von den Kosten, Wirkungen und Kompromissen, die die Politik in den kommenden Jahren bedenken muss, um Anpassungen an den Klimawandel zu vollziehen und weit verbreiteten Hunger zu verhindern.

Shahnila Dunston International Food Policy Research Institute (IFPRI)
Nicola Cenacchi International Food Policy Research Institute (IFPRI)

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