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  • Klima & Ressourcen
  • 01/2020
  • Marina Zapf

Krise in Zentralafrika: „Unser Land kann uns ernähren“

Die Regierung der Republik will mit einer Wiederbelebung der Landwirtschaft Frieden fördern – möglichst mit deutscher Unterstützung.

Ein Feldarbeiter auf dem Gelände der landwirtschaftlichen Forschungseinrichtung (CRPF) von Boukoko in der Zentralafrikanischen Republik. © Welthungerhilfe / Loeffelbein

Es ist ein Kampf um Weidegründe und Rohstoffe, vor dem Hintergrund religiöser Spannungen, der die Zentralafrikanische Republik seit Jahren nicht ruhen lässt. Der vergessene Konflikt schürt die Armut und wirft das Land auf den letzten Platz des Welthunger-Index zurück. Agrarminister Honoré Féizouré zeigt Ehrgeiz, das zu ändern. Im Interview wirbt er für eine Wiederbelebung der Landwirtschaft und um deutsche Traktoren.

Minister Féizouré, die große Unsicherheit in Ihrem Land lähmt die Wirtschaft und den Kampf gegen den Hunger. Rund 60 Prozent der Menschen sind unterernährt...

Ich habe erst vor kurzem alle Beteiligten an einen Tisch gerufen, um die schwerwiegende Lage zu besprechen. Fast die Hälfte der Bevölkerung lebt in sehr armen Verhältnissen. Von den fünf Millionen Einwohnern benötigen aktuell rund 1,8 Millionen Lebensmittelhilfe, ein Teil davon lebt in akuter, ernsthafter Ernährungsunsicherheit.

In welchem Maß nährt der Kampf rivalisierender Milizen den Hunger? Man sagt, es ist leichter, Waffen zu besorgen als Nahrungsmittel...

Natürlich hängt das zusammen. Die Auseinandersetzungen sind seit einiger Zeit abgeflaut. Es bleibt aber das große Problem, dass zu viele Menschen keinen Zugang zu ihrem Land haben, um Lebensmittel anzubauen und ihre Familien zu ernähren. Bewaffnete Gruppen besetzen ganze Gebiete, im Schlepptau ihre Viehherden. Zentralafrika ist nahe dem Äquator eine fruchtbare Gegend für Wandertierhaltung. Nachbarn eignen sich Weideland an und verdrängen die Anwohner. So erklärt sich der Effekt des Kriegs auf die Hungerzahlen.

Am Flughafen von Bangui befand sich ein Lager für Binnenflüchtlinge, die neben den Pisten Gemüse angebauten. Auf einem anderen Stück Land entstanden seitdem neue Felder, ein Schulungszentren und ein Marktplatz. © Welthungerhilfe / Loeffelbein

Vor nahezu zwei Jahren wurde ein Friedensvertrag geschlossen. Haben sich die Sicherheitslage und auch die Hungerkrise seither verbessert?

Wir hoffen noch auf Besserung. Ehrlich gesagt, treten wir auf der Stelle. Die Zahl der Menschen, die an extremer Armut leiden, hat sich von 800.000 auf 600.000 geringfügig verbessert. Das ist ein kleiner Fortschritt, aber nicht genug. Jedoch herrscht seit dem Friedensvertrag wieder mehr Bewegungsfreiheit im Land. Zuvor war es zu gefährlich, die Hauptstadt Bangui zu verlassen, um 200 Kilometer ins Landesinnere zu fahren. Das ist jetzt möglich. Vor einigen Monaten haben wir mit einer Agrarmesse im mittleren Osten des Landes in der Gegend Ouaka den Welternährungstag begangen, 400 Kilometer von Bangui entfernt, in Anwesenheit des Präsidenten, Vertretern der FAO und auch des französischen Botschafters. Die Sicherheitslage ist besser geworden, aber zu viele Binnenflüchtlinge können noch nicht auf ihr Land zurückkehren.

Wegen der Krise hat die Regierung keine Mittel, weiteres Ackerland zu erschließen.

Agrarminister Honoré Féizouré

Es leiden also vor allem Binnenflüchtlinge aus Konfliktgebieten?

Es sind die Menschen, die nicht mehr in ihren Dörfern leben können, weil Bewaffnete eingedrungen sind und sie vertrieben haben. Dort ist kein Ackerbau möglich. Das betrifft den Norden und mittleren Osten des Landes. Wir müssen den Frieden absichern, damit die Bewaffneten und ihre Herden, die die Parzellen zerstört haben, sich zurückziehen. Auf etwa einem Drittel der Fläche im Westen ist Landwirtschaft möglich. Die anderen zwei Drittel sind problematisch. Vieles liegt brach. Man kann sich bewegen, aber die Menschen leben in Lagern und Städten.

Nach Angaben der UNO liegt die landwirtschaftliche Produktion 10 bis 20 Prozent niedriger als vor dem letzten Höhepunkt der Krise 2012. Stimmt das?

Das ist richtig. Der Rückschlag erklärt sich aus den Vertreibungen. Der Krieg hat auch die ganze Infrastruktur zerstört – Brücken, Straßen, Bewässerungsanlagen. Die Agrarforschung lag am Boden. Hier hat uns die Welthungerhilfe sehr geholfen, dank ihrer Unterstützung betreiben wir jetzt fünf Forschungseinrichtungen, in denen Ingenieure, Techniker und Beamte der Region arbeiten. Wir züchten verbessertes Saatgut, auf den Versuchsfeldern wachsen Maniok, Bananen, Mais. Inzwischen müssen wir viel weniger Saatgut zur Verteilung an Bauern importieren. In den Zentren bekommen Jugendliche auch eine landwirtschaftliche Ausbildung.

Welche Hilfe benötigen sie am dringendsten?

Was das Saatgut angeht, müssen wir es weiter vermehren und Bauern damit ein Einkommen ermöglichen. In der nächsten Stufe müssen wir die Qualität erhöhen und Saatgut zertifizieren. Wegen der Krise hat die Regierung keine Mittel, weiteres Ackerland zu erschließen. Hilfsorganisationen investieren in die Notversorgung der Menschen. Aber was wir jetzt brauchen, ist die Entwicklung von Parzellen. Da kann uns die Entwicklungszusammenarbeit unterstützen.

Worin genau?

Unsere Kleinbauern bearbeiten Flächen unter einem Hektar, und das mit bloßen Händen. Wir wollen schnell beginnen zu mechanisieren, Traktoren für Kooperativen zur Verfügung stellen und damit weiter kommen. Für die Forschungseinrichtungen hat die Welthungerhilfe Traktoren bereitgestellt. Deutschland könnte uns begleiten: So weit ich weiß, gibt es Modelle von Ausbildungszentren, in denen Landwirte lernen, wie man Maschinen bedient und sie repariert. In den französischsprachigen Teilen Afrikas sind sie nicht präsent. Deutschland kann gerne wiederkommen.

Solche Ausbildungszentren funktionieren oft in Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen. Denen dürfte es bei Ihnen zu unsicher sein?

Die deutsche Botschaft hat zwar vor 15 Jahren geschlossen, aber Frankreich und die USA sind beispielsweise vor Ort. Es gibt Sicherheitsvorkehrungen, und ich versichere Ihnen, dass die Lage sich verbessert. In zwei bis vier Jahren wird es ganz anders aussehen. Die Privatwirtschaft kann kommen, andere starten nach dem Krieg bereits durch.

Es heißt, dass die Regierung nur etwa 20 Prozent ihres Staatsgebiets wirklich kontrolliert. Was sagen Sie dazu?

Das ist eine Zahl, die ewig wiederholt wird. Als ich 2016 ins Amt kam, konnte ich Bauern im Landesinneren nur in Begleitschutz von UN-Soldaten besuchen. Zwei, drei Jahre später fahre ich ohne Militär nur mit meinem Sicherheitsbeamten durchs Land. Aber die 20 Prozent sind noch da, obwohl sie nicht mehr stimmen. Wir sind viel weiter und müssen das revidieren. Selbst in den besetzten Zonen gruppieren sich Bewaffnete vor allem dort, wo es Rohstoffvorkommen wie Gold, Diamanten oder Erdöl gibt. Sie besetzen bestimmte Punkte, um Vorkommen zu plündern, und die sind bekannt. Das ist alles. Aber ich gebe zu, es ist schwierig, eine andere Zahl zu berechnen.

Das landwirtschaftliche Forschungsinstitut (ICRA) wurde mit internationaler Hilfe wieder hergestellt. Ihm sind weitere Einrichtungen im Landesinneren angegliedert. © Welthungerhilfe / Loeffelbein

Es stellt sich natürlich die Frage, welchen Spielraum Sie damit tatsächlich haben, um landwirtschaftliche Programme umzusetzen und den Sektor zu entwickeln?

Wie gesagt, in den zugänglichen Zonen haben wir fünf Forschungseinrichtungen mit Technikern und Traktoren und Saatgutentwicklung. Demnächst eröffne ich im Norden unweit von Kamerun eine Agrarmesse. In einigen Gegenden bewirtschaften die Menschen wieder ihre Felder und sind nicht mehr komplett vom Welternährungsprogramm abhängig. Wo wir können, organisieren wir die Bauern. Wir haben genug Platz, um Programme zu starten und Land in Wert zu setzen. Und auch die konfliktträchtigen Zonen benötigen regionale Nahrungsmittel.

Wie unterstützen Sie Rückkehrer?

Ein Berufsschulprojekt richtet sich an junge Binnenflüchtlinge im Land, die einen landwirtschaftlichen Beruf erlernen wollen. Auch aus dem Ausland kommen Geflüchtete in Massen zurück – aus Kamerun, Kongo, selbst aus Mali. Zum Tschad hin ist es schwieriger. Darüber sprechen die Medien aber nicht. Die Rückkehrer können nicht auf ihr Land zurück, aber die Regierung hat ein humanitäres Programm für ihre Ansiedlung.

Neben Partnerländern, die sich – wie Russland – für Ihre Rohstoffe interessieren, welche unterstützen Sie beim Aufbau der Landwirtschaft?

Die Zusammenarbeit mit Russland hat nichts mit Rohstoffen zu tun. Russisches Militär unterstützt Soldaten bei der Kampfausbildung an der Waffe. Auch die EU trainiert Sicherheitskräfte. Wirtschaftlich ist Deutschland genauso willkommen wie Russland. Im Agrarsektor haben wir derzeit keine anderen Partner. Frankreich war im Baumwollanbau aktiv, aber die Verarbeitungsanlagen wurden zerstört. Nun haben wir eine chinesische Anlage. Natürlich ist die Unsicherheit ein begrenzender Faktor, aber es bewegt sich etwas. Die Rebellen bekommen Angst, weil sie wissen, dass der Staat stärker wird.

Deutschland hat für ihr Land 2017 fast 43 Millionen Euro Entwicklungshilfe geleistet. Fließt das meiste in die Landwirtschaft? Und bekommen Sie auch multilateral Hilfe?

Die meisten UN-Organisationen und Entwicklungsbanken sind präsent. Aber für den Landwirtschaftssektor ist bilaterale Hilfe effizienter, pragmatischer und konkreter. Ich denke, ein Großteil der deutschen Hilfe kommt der Landwirtschaft zugute. Und wir sehen Ergebnisse. Vor einiger Zeit lebten Binnenflüchtlinge buchstäblich auf der Landebahn des Flughafens von Bangui, sie bauten neben den Pisten Gemüse an. Wir haben Land zur Verfügung gestellt und auf dem Gelände entstanden ein Marktplatz, eine Beratung für Gemüsebau und eine Schule. Die Welthungerhilfe ist dabei  unser wichtigster Partner. Sie half uns mit der Afrikanische Entwicklungsbank auch beim Bau eines Ausbildungszentrums für Jugendliche. Sie scheiden zu 60 Prozent aus der Schule aus. Dort können sie lernen.

Wie beurteilen Sie die deutsche Afrika-Politik? Haben Sie den Eindruck, sie vernachlässigt die fragilen und ärmsten Länder?

Ich weiß, dass Deutschland uns auch über die EU unterstützt, aber zwischenstaatlich ist Deutschland sehr sichtbar. Der deutsche Botschafter wurde wegen der Krise abgezogen. Früher war auch die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) vor Ort. Es gibt viel aufzuholen.

Wo möchten Sie in einem Jahr stehen? Wird sich die Hungerkrise noch verschärfen?

Ich möchte, dass wir im Welthungerindex nicht mehr Schlusslicht sind. Das verdienen wir nicht, es gibt keinen Grund. Unser fruchtbares Land und die  Niederschläge können uns ernähren, wenn wir mechanisieren. Der Krieg hat uns zurückgeworfen, die Nachbarn sind eingefallen, um zu plündern. Wir brauchen Waffen, um uns vor den Eindringlingen zu schützen. Dann können die Bauern arbeiten. Wenn der Hunger geht, kehrt auch der Frieden dauerhaft zurück. Nur wegen der Armut schließen Menschen sich den Eindringlingen an. Es ist kein interner Konflikt.

Der Weg zum Frieden führt also über die Landwirtschaft?

Wir müssen sie wiederbeleben. Ich bin zu hundert Prozent überzeugt, der Ackerbau ebnet den Weg zum Frieden: Wir brauchen verbesserte Anbaumethoden, Marktzugang, Bildung. Wenn ein Landwirt genug erntet und seine Kinder in die Schule schicken kann, ist er nicht versucht, die Waffe gegen die Regierung zu richten. Diamanten sind vielleicht lukrativer, aber die sieht man nicht, sie verschwinden in den Taschen. Land ist das beste Mittel, für alle sichtbar Wohlstand zu schaffen.

Marina Zapf, Journalistin, berichtet seit 20 Jahren aus Berlin über Themen der Außen, Außenwirtschafts- und Entwicklungspolitik.
Marina Zapf Team Welternährung.de
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