Zur Hauptnavigation springen Zur Suche springen Zum Seiteninhalt springen Zum Footer springen

  • Wirtschaft & Menschenrechte
  • 04/2020
  • Anseeuw Ward

Warum große Landgeschäfte weiter Landrechte bedrohen

Aus den Augen, aus dem Sinn? Land Grabbing hält an. Mehr denn je ist es wichtig, Landrechte durch Reformprozesse zu sichern

Eine Palmölplantage auf Sumatra, Indonesien.
Palmölplantage auf Sumatra: Für großflächige Monokulturen werden in Indonesien ursprüngliche Regenwälder vernichtet – oft verbunden mit illegaler Landnahme und der Vertreibung derBevölkerung. © James Morgan / WWF-International

Geht man bis zum Jahr 2000 zurück, haben ausländische Investoren weltweit 26,7 Millionen Hektar Ackerland gekauft oder langfristig gepachtet, um Agrarrohstoffe für globale industrielle Wertschöpfungsketten zu produzieren. Nach der Nahrungsmittelpreiskrise von 2008 haben die Aussichten auf eine wachsende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Tierfutter, Biokraftstoffen und Fasern einen neuen globalen Ansturm auf Land ausgelöst. In Verbindung mit der Liberalisierung von Handels- und Investitionsregeln und einer erhöhten Preisvolatilität wurde 2010 ein Höchststand erreicht.

Übernahmen: langsamer aber noch beträchtlich

Die Ergebnisse der Landmatrix deuten darauf hin, dass sich das Tempo der globalen Landinvestitionen in Agrobusiness in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen verlangsamt hat – dies sowohl nach der Zahl der Abschlüsse als auch nach der betroffenen Fläche. Der Trend ist Teil eines allgemeineren Investitionsrückgangs in natürliche Rohstoffe, einschließlich von Erdöl und Bergbau, für den es mehrere Gründe gab, darunter niedrigere Preise.

Viele Großtransaktionen sind auch gescheitert – darunter in Madagaskar, wo von 53 dokumentierten Geschäften nur noch vier mit tatsächlichen Investitionen in die landwirtschaftliche Produktion aktiv sind. Erworbenes Land bleibt unproduktiv: Nur 27 Prozent der in 20 Jahren erworbenen Fläche werden bewirtschaftet. Oft liegt das Land isoliert, schwierige ökologische, politische und bürokratische Rahmenbedingungen sowie soziale und wirtschaftliche Faktoren haben bestenfalls die Umsetzung behindert oder in vielen Fällen zum Scheitern geführt.

Was ist Land Grabbing?

Im Jahr 2011 definierten die Mitglieder der International Land Coalition (ILC) Land Grabbing international oder innerstaatlich (einschließlich lokalen Landraubs durch Eliten oder Familienmitglieder), als „Erwerb oder Konzession, mit einen oder mehreren der folgenden Eigenschaften“:

  1. Verletzung der Menschenrechte, insbesondere der Gleichstellung von Frauen;
  2. ohne Grundlage einer freien, vorherigen und informierten Zustimmung (FPIC) der betroffenen Landnutzer;
  3. ohne Grundlage einer tiefgreifenden Bewertung, oder unter Missachtung sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Auswirkungen, einschließlich der Geschlechtergerechtigkeit;
  4. ohne Grundlage transparenter Verträge, die klare und verbindliche Verpflichtungen in Bezug auf geplante Vorhaben, Beschäftigung und Verteilung von Erlösen enthalten; und
  5. ohne Grundlage effektiver demokratischer Planung, unabhängiger Aufsicht und sinnvoller Beteiligung".

Die ILC unterstützt die Überwachung von großflächigen Landinvestitionen (über 200 ha) und deren Folgen weltweit durch die Landmatrix - eine unabhängige globale Initiative, die zu Transparenz und Rechenschaftspflicht bei Entscheidungen über große Landgeschäfte (LSLAs) in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen beiträgt.

Obwohl der Hype um Landraub und die mediale Aufmerksamkeit nachgelassen haben, gibt es auch Anzeichen dafür, dass der Druck auf Land vielerorts wieder akut spürbarer wird. Wenn auch nicht so intensiv wie zuvor, so werden doch weiter Deals abgeschlossen: Neue Investoren übernehmen die gescheiterten Deals der ersten Welle, bestehende Projekte gehen in die Umsetzung, oder die Produktion wird ausgeweitet.

Druck auf Land hält an: nur anders

Ob aus Gründen der schwierigen Abwicklung oder wegen des Risikos von Reputationsschäden – internationale Investoren haben alternative Formen gefunden, sich Böden, Agrarrohstoffe oder landwirtschaftliche Produkte anzueignen, ohne direkt Land zu erwerben. (siehe auch Artikel zu Finanzakteuren). Das betrifft sowohl Betriebsmittel, die für die Produktion benötigt werden, wie etwa Saatgut, als auch die Herstellung und Vertrieb von verarbeiteten Gütern.

Darüber hinaus hat das internationale Interesse an Land auch den Hunger lokaler Akteure und nationale Prozesse für den Landerwerb als Form der Investition befeuert. Diese Käufe mögen oft kleiner im Umfang sein, aber sie sind dennoch bedeutend. So sind in Malawi die Hälfte der mittleren und großen Landwirte zwar Einheimische, aber sie sind nicht ländlicher Herkunft.

Obwohl derartige Formen von Investitionen weniger sichtbar sind keine Schlagzeilen machen, so veranschaulichen sie doch die weitreichenden Veränderungen, die sich im Landsektor zutragen und die zu einer verstärkten Kontrolle von Land durch (internationale und einheimische) unternehmerische und/oder städtische Eliten beitragen.

Landrechte bleiben eine Schlüsselfrage

Teilweise als Reaktion auf den anhaltenden Trend zum Landerwerb in großem Maßstab und weil Land zunehmend kommerziellem Druck ausgesetzt ist, wurden in vergangenen Jahren rechtliche und regulatorische Rahmenbedingungen entwickelt und umgesetzt. Ihr Ziel:  Gesetze und Verwaltungsverfahren auf nationaler und auch internationaler Ebene zu stärken.

Ein Beispiel sind die Freiwilligen Richtlinien für die verantwortungsvolle Verwaltung von Boden- und Landnutzungsrechten, Fischgründen und Wäldern" (Voluntary Guidelines on Land Tenure - VGGT). Der international ausgehandelte Rahmen, der von Staaten und der Zivilgesellschaft gemeinsam entwickelt wurde, soll mit dem übergeordneten Ziel der Ernährungssicherheit und des Rechts auf Nahrung den Umgang mit Land verbessern.

Agrarland von oben, Indonesien.
Agrarland in Indosien: Trotz eines Moratoriums auf Landvergabe ist der größte Teil der Landflächen für Infrastruktur, Bergbauprojekte sowie für Palmöl- oder auch Kautschukproduktion verplant. © Tom Fisk von Pexels

Von 2015 bis 2018 haben diese und andere Initiativen als Grundlage gedient, verschiedentlich die Regelung der Landrechte, etwa von ländlichen Gemeinden, zu überprüfen und Reformen der Landnutzung durchzuführen. Dies hat durchaus positive Veränderungen auf regionaler, nationaler und lokaler Ebene bewirkt – in der Politik wie in der Praxis – zum Beispiel in Malawi mit dem Customary Land Act von 2016 oder in Mali mit dem Agricultural Land Act von 2017.

Kein Grund sich zurückzulehnen

Trotz der erzielten Fortschritte und wegen der oben beschriebenen neuen Investitionen darf jedoch keine Selbstzufriedenheit einkehren. Der wachsende kommerzielle Druck auf Land schwächt die rechtliche Position der lokalen Bevölkerung kontinuierlich. Internationale und einheimische Investoren – egal ob öffentlich, halbstaatlich oder privat – bewegen sich häufig in rechtlichen Grauzonen zwischen traditionellen Landrechten und modernen Eigentumsformen (siehe dazu Artikel zu Ungleichheit). Die Investitionen kommen einer von oben aufgezwungenen Landreform gleich, die ohne Transparenz und Rechenschaftspflicht durchgeführt wird.

Die Folgen sind nicht nur fortgesetzte Enteignungen und Vertreibungen. Es werden auch die Landrechte der rechtmäßigen Eigentümer oder Nutzer beschnitten, während zugleich die konzentrierte Kontrolle und die sozialen Ungleichheiten zunehmen. Das führt zu weniger Ernährungssicherheit statt mehr. Die Covid-19-Pandemie verschärft diese Situation noch zusätzlich, indem Menschen vertrieben sowie Land- und Umweltaktivisten eingeschüchtert werden, deren zivilgesellschaftlicher Aktionsradius immer weiter schrumpft.

Nahaufnahme: Hände halten Saatgut.
Leben auf und von Land: Landreformen müssen unter Beteiligung ländlicher Gemeinden und der Zivilgesellschaft überprüft werden. © Jason Taylor/ILC

Mehr denn je ist es wichtig, Landrechte durch Reformprozesse zu sichern, die von der Basis ausgehen und von Betroffenen gesteuert werden. Sie sollten durch nationale Gesetze und internationale Regeln ergänzt werden, die dem Privatsektor mehr Transparenz und Rechenschaftspflichten abverlangen, wie zum Beispiel, ihre Anteile an landbezogenen Investitionen zu veröffentlichen. Außerdem sollten vielfache Beteiligte das Monitoring von Land verstärken, um evidenz-basiert auf eine transparente und inklusive Landpolitik zu drängen.

Die Einbeziehung der Zivilgesellschaft ist unerlässlich, um Daten zu demokratisieren und denjenigen, die auf und vom Land leben, die Mittel an die Hand zu geben, mit denen sie folgenschwere Investitionen nachverfolgen können.

Anseeuw Ward International Land Coalition, Knowledge, Learning and Data
Porträt Sabine Pallas, ILC.
Sabine Pallas International Land Coalition
  • Die URL wurde in die Zwischenablage kopiert

Das könnte Sie auch interessieren