Weltweiter demografischer Wandel: Welche Ursachen es für weiteren Anstieg gibt und was die Geburtenrate damit zu tun hat.
Die Weltbevölkerung wächst allmählich langsamer, prozentual aber am stärksten in Afrika und gegen den Alterungstrend. Das hat weniger mit Armut zu tun als mit vernachlässigter Bildung und Sexualaufklärung.
Über Anstieg, Überalterung und Stagnation
Demografischer Wandel – ein Thema, zu dem viele Meinungen und Theorien kursieren. Fakt ist aber: Die Weltbevölkerung wächst. Wuchs sie bis Ende des 17. Jahrhunderts noch langsam, begann mit dem frühindustriellen Zeitalter ein rasanter Anstieg – aktuell beträgt das Wachstum der menschlichen Population etwa 83 Millionen Menschen pro Jahr. Jedoch lässt sich seit rund 20 Jahren ein Wandel feststellen: Das Bevölkerungswachstum ist dabei, sich zu verlangsamen – , stagnieren könnte es aber laut aktueller Prognosen frühestens in den nächsten 30 Jahren. Prozentual gesehen übt vor allem der afrikanische Kontinent starken Einfluss auf den demografischen Anstieg aus und trägt so dazu bei, dass die Erdbevölkerung größer wird – und jünger. Um dieser weltweiten Entwicklung und ihren Auswirkungen auf den Grund zu gehen, müssen im Folgenden vor allem Bildungschancen und Sexualaufklärung, aber auch Themen wie Armut und Zukunftsperspektiven näher beleuchtet werden.
Perspektiven und Initiativen zum demografischen Wandel
Was ist geblieben von den Ambitionen und Verpflichtungen, die 1994 von der viel zitierten Kairoer Konferenz zu Bevölkerung und Entwicklung ausgingen? Dieser Frage gingen gut 25 Jahre später fast 10.000 Teilnehmer aus mehr als 170 Staaten bei der International Conference on Population and Development (ICPD 25) im November in Nairobi nach. In Kairo hatten sich die Staaten erstmals darauf verständigt, den Bevölkerungsanstieg vor allem dadurch zu begrenzen, dass sie die Lebensbedingungen für Menschen in Entwicklungsländern verbessern, dass sie Familienplanung fördern und vor allem die Selbstbestimmung der Frau stärken. Ein Paradigmenwechsel! Doch die Bilanz fiel ernüchternd aus. Bei weitem nicht alle Ziele wurden erreicht.
Es gab und gibt weiter erheblichen Gegenwind. Religiöse Gruppen und konservative Lobbyvereine gingen in Nairobi auf die Straße und protestierten gegen Maßnahmen der Selbstbestimmung, darunter Abtreibung oder Verhütungsmittel für Heranwachsende. Schon vor der Konferenz hatte die US-Regierung eine Koalition aus 21 Staaten geschmiedet – u.a. mit Brasilien, Kongo, Saudi-Arabien, Russland, Uganda, Ägypten, Ungarn und Polen.
Vor der UN-Generalversammlung im September äußerte die US-Regierung unter Präsident Trump sich zur weltweiten Gesundheitsversorgung wie folgt:
„Wir unterstützen in UN-Dokumenten keine Bezüge zu mehrdeutigen Begriffen und Ausdrücken wie sexuelle und reproduktive Gesundheit und Rechte, weil sie die zentrale Rolle der Familie unterminieren können und Praktiken wie z.B. Abtreibung unter Bedingungen fördern, die nicht internationaler Konsens sind und von UN-Organisationen falsch interpretiert werden können.“
Erreichung der "drei Nullen" - das Nairobi Statement
Die Botschaft richtete sich vor allem gegen den UN-Bevölkerungsfonds, dem die Trump-Regierung ohnehin die finanzielle Unterstützung entzogen hatte. Andere Regierungen springen nun dafür ein. Auch die Bundesregierung hat ihre Zusagen an UNFPA von 22 auf 33 Mio. Dollar erhöht. Insgesamt sagten Geberstaaten in Nairobi 1 Mrd. Dollar zur Unterstützung sexueller und reproduktiver Gesundheit und von Programmen zur Geschlechtergleichstellung zu. Unternehmen versprachen, insgesamt 8 Mrd. Dollar zu mobilisieren.
Das „Nairobi Statement“ ruft dazu auf, bis 2030 „drei Nullen“ zu erreichen:
- null Müttersterblichkeit,
- null ungedeckte Bedarfe bei der Familienplanung und
- null geschlechtsspezifische Gewalt und gefährliche Praktiken gegen Frauen und Mädchen.
Die Beschlüsse sind allerdings nicht bindend.
Hiesige Medien thematisierten vor allem die demografische Entwicklung weltweit – mehrheitlich seriös und unaufgeregt. Einige nahmen Bezug auf das jüngst erschienene Buch „Empty Planet“ der Kanadier Darrell Bricker und John Ibbitson, das eine sehr lebhafte Debatte in Wissenschaft und Medien ausgelöst hat. Die Autoren prognostizieren nämlich, dass sich der Trend des Bevölkerungswachstums schon in etwa 30 Jahren umkehren und die Zahl der Menschen bereits zwischen 2040 und 2060 zurückgehen werde. Selbst der afrikanische Kontinent, aufgrund seiner Fertilitätsrate aktuell als Treiber des Wachstums angesehen, werde dem neuen Trend folgen.
Bevölkerungsvorausberechnung nach "Empty Planet"
Nicht Überbevölkerung werde das Problem sein, sondern eine alternde Bevölkerung und mit ihr eine schrumpfende Wirtschaft. So werde die Weltbevölkerung auf ca. neun Milliarden anwachsen; am Ende des Jahrhunderts würden aber so viele Menschen auf der Erde leben wie heute. Als Ursachen für diesen Umkehrtrend identifizieren die Autoren die wachsende Verstädterung sowie verbesserte Bildung und einen leichteren Zugang zu Verhütungsmitteln. Hinzufügen könnte man noch, dass auch die Kindersterblichkeit zurückgeht und Frauen deshalb weniger Kinder bekommen, und dass es mehr Möglichkeiten für Frauen gibt, bezahlter Arbeit nachzugehen. Somit steht ein Sterbeüberschuss beziehungsweise ein Geburtendefizit bevor - diese Prognose steht jdoch im Widerspruch zu den Schätzungen der Vereinten Nationen.
UN sieht immer noch hohes Wachstum in demografischer Entwicklung weltweit
Die Bevölkerungsabteilung der Vereinten Nationen veröffentlicht regelmäßig Schätzungen und Modellrechnungen (World Population Prospects) zum weltweiten demografischen Wandel. Diese enthalten eine konstante Variante (bei gleichbleibendem Wachstum), eine hohe, mittlere und eine niedrige Prognose-Variante. Während die These von „Empty Planet“ sich an der niedrigen Variante orientiert, gehen die UN von der mittleren als der wahrscheinlichsten aus. Demnach wächst die Weltbevölkerung derzeit noch schneller als erwartet. Von 7,7 Milliarden (April 2019) jeden Tag um rund 226.000 Menschen, jedes Jahr um über 80 Millionen. Bis 2050 wird nach der mittleren UN-Prognose voraussichtlich die Zahl 9.6 Milliarden erreicht sein. Und bis zum Jahr 2100 vermutlich 10.9 Milliarden – also deutlich mehr als in „Empty Planet“. Aber auch die UN sehen eine Trendumkehr: Um die nächste Jahrhundertwende wird die Weltbevölkerung abnehmen – und altern.
UN-Prognose 2020-2100: Anteil 25-64-Jährige nach Region
In absoluten Zahlen werden nur neun Länder für mehr als die Hälfte des Wachstums bis 2050 verantwortlich sein:
- Indien,
- Nigeria,
- Pakistan,
- Demokratische Republik Kongo,
- Äthiopien,
- Tansania,
- Indonesien,
- Ägypten und
- die USA.
Prozentual nimmt die Bevölkerung in Afrika am stärksten zu. Von heute knapp 1.3 Milliarden wird sich ihre Zahl bis 2050 auf 2.5 Milliarden fast verdoppeln. Beträgt der Anteil Afrikas an der Weltbevölkerung heute 16,6 Prozent, so wird er 2050 bei fast 26 Prozent liegen.
Trotz der hohen Wachstumszahlen in Afrika wächst die Weltbevölkerung insgesamt langsamer. Hintergrund ist die fortschreitende weltweite Angleichung der Geburtenraten. Demnach gibt es einen bemerkenswerten Rückgang bei der Zahl der Kinder, die Frauen gebären. Die Hälfte aller Länder hat bereits heute eine „Babykrise“ – es gibt nicht genug Kinder, um die Bevölkerungsgröße zu erhalten. Gebar 1950 noch jede Frau durchschnittlich 4,7 Kinder, so sind es heute 2,4. Wenn die Rate unter 2,1 Kinder rutscht, wird die Bevölkerung langsam abnehmen.
Die meisten wirtschaftlich entwickelten Länder haben niedrige Raten. Aufgrund einer Mischung aus Fertilität, Sterblichkeit und Migration heißt das aber nicht automatisch, dass der demografische Wandel weltweit rückläufig ist. Ohne erhebliche Zuwanderung werden sie aber überalterte Bevölkerungen und zurückgehende Bevölkerungszahlen haben. Bei einigen – wie Deutschland – wird auch Zuwanderung keinen großen Unterschied bei der demografischen Alterung machen.
Bricker und Ibbitson schreiben: „Wenn die Bevölkerungen älter werden und fast überall zurückgehen, dann könnten die Staaten eines Tages um Immigranten konkurrieren.“
Die sinkenden Fruchtbarkeitsraten führen allerdings auch deshalb zunächst nicht zu sinkenden Bevölkerungszahlen, weil die Menschen älter werden.
Der Planet – ein Altersheim, mit Ausnahme Afrikas?
Die Weltbevölkerungszahl wird in den nächsten Jahren nicht nur wachsen, auch ihre Zusammensetzung wird sich massiv verändern. Nach UN-Berechnungen wird sich der Anteil der über 60-Jährigen bis 2050 auf 21.5 Prozent (oder 2,1 Milliarden) erhöhen – heute liegt er zwischen 12 und 13 Prozent. Europa und Nordamerika hatten 2015 die älteste Bevölkerungsstruktur (41,7 bzw. 38,3 Jahre), und werden diese auch in Zukunft haben. 2020 wird das Durchschnittsalter dort 42,5 bzw. 38,8 Jahre betragen.
Afrika hingegen bleibt der Kontinent mit der jüngsten Altersstruktur. Mit einem Durchschnittsalter von 19,4 Jahren war Afrika 2019 mit Abstand die Region mit der jüngsten Bevölkerung. Alle elf Staaten, in denen Frauen im Laufe ihres Lebens durchschnittlich mehr als fünf Kinder bekommen, lagen 2019 in Afrika: Angola, Burkina Faso, Burundi, Tschad, DR Kongo, Gambia, Mali, Niger, Nigeria, Somalia und Uganda. Spitzenreiter ist das bitterarme und von Konflikten geplagte Niger. Dort bekommen Frauen in ihrem Leben durchschnittlich sieben Kinder.
Das Durchschnittsalter der Erdbevölkerung weltweit erhöhte sich zwischen 1950 und 2015 von 23,5 auf 29,6 Jahre, 2050 wird es voraussichtlich bei 36,1 liegen. Die durchschnittliche Lebenserwartung wird parallel von 72 (2019) auf 77.1 Jahre (2050) steigen.
Warum findet dennoch demografischer Wandel statt?
Wichtigster Treiber des demografischen Wandels ist nach Aussagen des UN-Bevölkerungsfonds UNFPA die fehlende Gleichberechtigung von Frauen und Männern; sie drückt sich besonders im unzureichenden Zugang zu Bildung für Mädchen aus. UNFPA schätzt zudem die Zahl der ungewollten Schwangerschaften und Geburten auf fast 90 Millionen pro Jahr. Zwar hat sich der Anteil der Frauen, die Verhütungsmittel nutzen, weltweit von 24 Prozent (1969) auf 58 Prozent (2019) mehr als verdoppelt. Doch noch immer haben fast 200 Millionen Frauen nach wie vor keinen Zugang zu modernen und erschwinglichen Verhütungsmethoden. In West- und Zentralafrika sind Verhütungsmittel für 37 Prozent der Frauen verfügbar, im Tschad und im Südsudan nur für 7 Prozent.
Dazu kommt noch, dass es vielerorts nur mangelnde Möglichkeiten der Sexualaufklärung gibt - wenn überhaupt. Aufklärung und Verhütung sind vielerorts tabuisiert; was auch mit dem Erstarken fundamentalistischer Christen und Muslime sowie zahlreicher, oft obskurer Freikirchen zu tun hat. Demografische Entwicklung hin zu einer wachsenden Bevölkerungsdichte ist unter anderem auch darin begründet, dass es bei vielen Paaren einen Wunsch nach mehr als zwei Kindern gibt – Kinder verschaffen Ansehen, dienen als Krankheits- oder Altersvorsorge oder sind eine willkommene Hilfe auf dem Feld und im Haushalt.
In vielen Ländern führt schlechte oder keine politische Unterstützung von Geschlechtergerechtigkeit zum Wachstum der Bevölkerung. Tansanias Präsident etwa hält Geburtenkontrolle für einen „Ausdruck elterlicher Faulheit“ und forderte die Frauen auf, Verhütungsmittel wegzuwerfen. Damit steht er nicht alleine; viele Regierungen, gerade in Afrika, halten nicht viel von Bevölkerungspolitik und dem Recht auf reproduktive Selbstbestimmung – vor allem in Bezug auf Frauen – und investieren viel zu wenig in Bildung und Gesundheit in ärmeren Regionen.
Bedeutet Wachstum Wohlstand?
Die Bevölkerungsdynamik hat zahlreiche unerwünschte Folgen, sie birgt aber auch Chancen. Sie kann Armut oder Konflikte verschärfen, aber auch Wohlstand und Entwicklung fördern. Das hängt nicht zuletzt von der politischen Gestaltung ab. Zu den Folgen des Wachstums zählen Auswirkungen auf Umwelt und Ernährung, eine vermutlich steigende Migration, die rapide Urbanisierung oder der „Jugendüberhang“.
Demografische Entwicklung: Eine junge Bevölkerung ist anfälliger für Konflikte
Aus sicherheitspolitischer Sicht stellt vor allem die Konfliktanfälligkeit, die aus einem sinkenden Altersdurchschnitt resultiert, einen Grund zur Sorge dar. Ein Zusammenhang zwischen dem Durchschnittsalter einer Gesellschaft und der Häufigkeit von Konflikten ist nachgewiesen: Länder, in denen es einen demografischen Wandel in Richtung Verjüngung gab oder gibt (mit einer Geburtenrate von über vier Kindern pro Frau), sind in besonderer Weise davon bedroht. Statistisch ist das Bürgerkriegsrisiko in diesen Ländern – darunter Mali, Niger, Demokratische Republik Kongo, Somalia oder Timor-Leste – dreimal so hoch wie in Ländern mit einer Geburtenrate von zwei Kindern pro Frau. Viele Untersuchungen zum Jugendüberhang zeigen, dass es besonders dann zu Konflikten kommt, wenn die jungen Erwachsenen keine beruflichen Perspektiven sehen. Demografische Entwicklungen sind jedoch nie allein für Konflikte verantwortlich.
Das Risiko von gewaltsamen Konflikten besteht auch in anderen Ländern, die noch eine jugendliche Altersstruktur haben. Dort sind die Geburtenraten schon gesunken, aber die jungen Altersgruppen sind noch stark besetzt. Beispiele aus Nordafrika oder Lateinamerika zeigen, dass ein großer Anteil Jugendlicher, die keine wirtschaftlichen, gesellschaftlichen oder politischen Perspektiven und Beteiligungsmöglichkeiten sehen, politischen Protest und gewalttätige Konflikte fördern kann.
Hunger und Armut: Ursache oder Folge des weltweiten demografischen Wandels?
Hunger und Armut auszurotten gestaltet sich vor allem im Kontext des demografischen Wandels als schwierig, da in vielen besonders armen Ländern Afrikas ein starker Konkurrenzkampf um knappe Ressourcen wie Wasser, Nahrung oder Land herrscht. Allerdings führt Bevölkerungswachstum allein in aller Regel nicht zu Hunger und Armut; dazu kommen meist noch andere Auslöser, etwa Kriege, Naturkatastrophen, Umwelteinflüsse, fehlende Jobchancen oder eine schlechte Politik. Aber Hunger und Armut können ihrerseits demografische Entwicklungen hin zu einem Anstieg der Bevölkerungsdichte beschleunigen.
Länder mit hohen Zahlen von Hungernden weisen in aller Regel auch ein hohes Bevölkerungswachstum auf. Aber die These, dass dieses Wachstum zwangsläufig zu einem Anstieg des Hungers führe, lässt sich bei einem Blick in den Welthungerindex nicht halten: Auch Länder mit hohem Anstieg haben es in den letzten Jahren geschafft, die Hungerzahlen zu senken. Ja, der Hunger ist gerade dort am schnellsten zurückgegangen, wo der Populationszuwachs besonders hoch war. Länder wie Angola, Burkina Faso oder Äthiopien, die viele Jahre steigende Geburtenzahlen hatten, machten im Welthungerindex beachtliche Fortschritte. Äthiopien etwa profitierte vom Wirtschaftswachstum, aber auch von gezielten politischen Interventionen im Landwirtschaftssektor, aber auch in Bildung und Gesundheit. Die Kindersterblichkeit ging zwischen 2000 und 2018 um zwei Drittel zurück, die Zahl der unterernährten Menschen wurde mehr als halbiert.
Für die ärmsten Länder ist jedoch zu befürchten, dass ein Zuwachs, vor allem aber ein „Kleinkinder-Überschuss“ wirtschaftliche Entwicklung und die Überwindung von Armut und Hunger bremsen, weil die hohen Kinderzahlen einen Wandel der Altersstruktur verhindern. Ganz besonders düstere Aussichten bestehen hier für die Sahel-Region und Nigeria:
- eine instabile politische Lage,
- Terrorismus,
- Klimafolgen für die Landwirtschaft,
- eine sehr verbreitete wirtschaftliche Perspektivlosigkeit und
- ein äußerst niedriger Bildungsstand
Dagegen führen laut einer umfangreichen Studie der EU hohe Fertilitätsraten nicht zu einer höheren Wahrscheinlichkeit von Migration. Geburtenhäufigkeit gibt es vor allem dort, wo die wirtschaftlichen Bedingungen schlecht sind. Da Migration aber teuer ist, wird sie durch die schlechte wirtschaftliche Lage erheblich erschwert. Trotz dessen äußern jüngere Menschen aktuell deutlich häufiger die Absicht auszuwandern. Wenn die gegenwärtig hohen Geburtenraten einen ebenso hohen Jugendüberhang produzieren, werden in Zukunft wahrscheinlich mehr Menschen migrieren als in der heutigen Generation. Der größte Teil der grenzüberschreitenden Migration wird jedoch innerhalb von Weltregionen wie Westafrika oder Ostasien stattfinden. Die Zuwanderung aus den ärmsten Ländern in den reicheren Norden hingegen wird voraussichtlich zumindest in den nächsten Jahren nicht signifikant ansteigen.
Ökologische Folgen
Zunehmen dürften dagegen die ökologischen Folgen: Mehr Menschen verbrauchen mehr Ressourcen und verursachen mehr Treibhausgase. Landverbrauch, Treibhausgase oder Müll hängen jedoch nicht allein an der Zahl der Menschen, sondern auch an ihrem Lebensstil und Konsumverhalten. Afrikaner belasten die Umwelt in viel geringerem Maße als Europäer oder US-Amerikaner. Nach Angaben der Internationalen Energie-Agentur ist ihr Anteil an der Verbrennung fossiler Rohstoffe in den vergangenen 30 Jahren nur von drei auf vier Prozent gestiegen, obwohl sich ihre Zahl verdoppelt hat. Gleichwohl steigt im lokalen Umfeld der Druck auf natürliche Ressourcen wie Wasser, Nahrung, Energie und Land und beschleunigt den Verlust natürlicher Vorkommen, zum Beispiel von Brennholz. Das wiederum kann zu Konflikten führen. Der Klimawandel wird zudem zu deutlich geringeren Ernteerträgen führen, was die Versorgung weiter verknappt.
Je länger Mädchen lernen, desto niedriger die Geburtenrate – die Formel demografischen Wandels weltweit
Dennoch kann der demografische Wandel auch positiv wirken. Die Forschung bietet – neben berechtigter Sorge – auch Anlass zum Hoffen. Denn die demografische Dynamik eines Landes – vor allem Veränderungen in der Altersstruktur bei sinkender Fertilitätsrate – trägt auch Chancen in sich. Nämlich dann, wenn aus einer großen Zahl an Kindern und Jugendlichen einmal Erwerbstätige werden, die weniger Kinder bekommen als ihre Eltern. So kann eine gut ausgebildete und gesunde junge Generation schließlich ein Schlüssel zu wirtschaftlichem Wachstum und Wohlstand werden – hierauf setzen auch die Autoren von „Empty Planet“.
Wer die Bevölkerungsdynamik eines Landes positiv beeinflussen will, der muss jedoch die Gleichberechtigung von Frauen und Männern fördern, sich um bessere Bildungschancen für Mädchen, Zugang zu modernen und erschwinglichen Verhütungsmethoden und erheblich mehr Angebote zu Sexualaufklärung und Verhütung kümmern. Ebenso muss in die soziale Infrastruktur wie Schulen und Gesundheit investiert werden, um zu einer weiteren Senkung der Sterblichkeitsrate bei Kindern beizutragen. Als besonders erfolgreich hat sich der Besuch weiterführender Schulen von Mädchen erwiesen; Äthiopien hat durch Gesundheitserziehung und Förderung von Verhütungsmitteln eine deutliche Senkung der Geburtenrate bei jungen Mädchen erreicht. Generell gilt: Je mehr und je länger Mädchen in die Schule gehen, desto stärker ist der Geburtenrückgang eines Landes.
Für ihr Überleben brauchen Bevölkerungen im Wandel aber nicht nur gleiche Rechte und bessere Bildungsmöglichkeiten, nicht nur Nahrung und Wasser, sondern auch die Chance auf Arbeit, Einkommen und eine gute und sichere Zukunft. Das gilt in besonderem Maße für junge Menschen.
Für ihr Überleben brauchen die wachsenden Bevölkerungen aber nicht nur gleiche Rechte und bessere Bildung, nicht nur Nahrung und Wasser, sondern auch die Chance auf Arbeit, Einkommen und eine gute und sichere Zukunft. Das gilt in besonderem Maße für junge Menschen.
Großfamilien sind nichts „typisch Afrikanisches“
Viele afrikanische Regierungen könnten einen viel bedeutsameren Beitrag zur Bevölkerungspolitik und Familienplanung leisten als sie es heute tun. Ruanda, Malawi, Äthiopien und Botswana stehen dafür Modell. Es gilt jedoch immer die Freiwilligkeit und die Selbstbestimmung der Paare über die Zahl ihrer Kinder. Und selbst Traditionen – oder was man dafür hält – verändern sich: Großfamilien etwa sind nichts typisch Afrikanisches, auch wenn manch führende Vertreter afrikanischer Staaten das behaupten. In einigen Ländern sind schon heute Kleinfamilien angesagt, und niemand meint, dass dadurch in die afrikanische Kultur oder Tradition eingegriffen worden wäre.
Wird sich also der Planet nun wirklich leeren? Vermutlich ja. Aber nicht so schnell, wie es in „Empty Planet“ vorausgesagt wird. Denn das zukünftige Wachstum in Afrika ist äußerst schwer einzuschätzen. Die Aussagen des Buches hierzu sind sehr spekulativ und übertrieben optimistisch. Die Prognosen der UN erscheinen verlässlicher.
Großfamilien sind nichts „typisch Afrikanisches“
Viele afrikanische Regierungen könnten einen viel bedeutsameren Beitrag zur Bevölkerungspolitik und Familienplanung leisten als sie es aktuell tun. Die Länder Ruanda, Malawi, Äthiopien und Botswana stehen dafür Modell. Es gilt jedoch immer die Freiwilligkeit und die Selbstbestimmung der Paare über die Zahl ihrer Kinder. Und selbst Tradition – oder was darunter verstanden wird – verändert sich: Großfamilien etwa sind nichts „typisch Afrikanisches“, auch wenn manch führender Vertreter afrikanischer Staaten das behauptet. Auch wenn in vielen afrikanischen Ländern eine kinderreiche Familie als Statussymbol fungiert – was unter anderem in der zusätzlichen Arbeitskraft und einer gewissen Alterssicherung begründet liegt – sind große Familien kein Phänomen, das ausschließlich in afrikanischer Kultur seinen Ursprung hat. Tatsächlich sogar sind in einigen Ländern schon heute Kleinfamilien angesagt – und niemand meint, dass dadurch in die afrikanische Kultur oder Tradition eingegriffen worden wäre.
Ein hoffnungsvoller Ausblick?
Wir halten also fest: Die menschliche Population ist nicht akut vom Aussterben bedroht, eine demografische Kehrtwende hin zu drastischem Bevölkerungsrückgang ist aktuellen Statistiken und Berechnungen zufolge nicht zu erwarten. Jedoch bleibt die Frage, inwiefern dem sich senkenden Altersdurchschnitt, für welchen vor allem die hohe Fertilitätsrate und die kurze Lebenserwartung in den afrikanischen Staaten sorgt, wirkungsvoll durch die Bildung und vor allem Sexualaufklärung von Mädchen entgegengewirkt werden kann – ein Balanceakt zwischen dem Kampf für Geschlechtergerechtigkeit und dem Wahren afrikanischen Tradition und Kultur. Auf anderer Seite lässt sich allerdings auch ein Trend zu neuen Familienstrukturen feststellen, welche der Schlüssel zu besseren Bildungschancen und selbstbestimmter Reproduktion afrikanischer Frauen sein könnte.
Wird sich also der Planet nun wirklich leeren? Vermutlich ja. Allerdings nicht so schnell, wie es in „Empty Planet“ vorausgesagt wird, denn das zukünftige Wachstum in afrikanischen Ländern ist äußerst schwer einzuschätzen. Die Aussagen des Buches sind in dieser Hinsicht eher spekulativer Natur, wohingegen die Prognosen der UN verlässlicher erscheinen und zu vorsichtigem Optimismus ermuntern.
Quellen
Babies are lovely, but…,in The Economist 22.9.2018
Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung, (2018): Mehr Humankapital wagen! Wie Bildung die Gesellschaften der Welt fit für das 21.Jahrhundert machen kann, Discussion Paper 22, Berlin
Bricker, Darrell und John Ibbitson (2019): Empty Planet, The Shock of Global Population Decline, New York
Die Förderung von Gleichberechtigung ist sinnvoller und wirksamer als aktive Bevölkerungspolitik, KfW Development Research, Nr.4,7.3.2019
Von Grebmer, Klaus et al. (2019): 2019 Global Hunger Index. The Challenge of Hunger and Climate Change, Bonn and Dublin
Kaps, Alisa, Ann-Kathrin Schewe und Reiner Klingholz (2019): Africa’s Demographic Trailblazers. How falling fertility rates are accelerating development. Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung
Migali,S. et al.(2018): International Migration Drivers, EUR 29333 EN, Publications Office of the European Union, Luxemburg
Oltmer, Jochen (2017): Welche Folgen hat der Anstieg der Weltbevölkerung für die Migrationsverhältnisse?, Bundeszentrale für politische Bildung, Kurzdossier; Bonn
UNFPA (2019), The State of World Population in 2019, New York
United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2017). World Population Prospects: The 2017 Revision, Key Findings and Advance Tables. ESA/P/WP/248.
United Nations, Department of Economic and Social Affairs, Population Division (2019). World Population Prospects 2019: Data Booklet. ST/ESA/SER.A/424